Do it yourself

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Klaus K.

Mitglied
“Edgar! Edgar! Komm’ schnell! Hilfe!”

Edgar hechtete um die Hausecke auf die Terrasse, wo seine Frau wie versteinert vor dem Swimmingpool stand.

“Sieh’ doch! Das ist ein starkes Stück! Da schwimmt einer in unserem Pool!”

Edgar erkannte sofort, dass der Mann nicht wirklich schwamm. Er lag bäuchlings im Wasser und hatte Arme und Beine weit von sich gestreckt. Am linken Handgelenk trug er eine von diesen sündhaft teuren Uhren, und die war eindeutig wasserfester als ihr Besitzer. Der war nämlich mausetot, das erkannte Edgar sofort, während die Uhr die korrekte Zeit anzeigte. Der Mann trug einen blauen Overall und war etwa Mitte dreißig. Sehr ärgerlich, wenn man sein eigenes Haus nach Wochen der Abwesenheit erstmals wieder betrat und dann von solch einem Flegel in Unannehmlichkeiten gebracht wurde.

“Wir müssen die Polizei rufen. Den Burschen lassen wir da, wo er ist. Kann ja sein, dass es ein Mitarbeiter vom Pool-Service ist, den du damals beauftragt hast.” meinte Edgar.

Die Polizei war schnell zur Stelle, der Tote wurde geborgen und seine Identität festgestellt. Edgar hatte recht gehabt, der Mann wurde seit gestern Abend von seiner Firma vermisst. Jetzt galt es, das Ergebnis der Obduktion abzuwarten, ein Einbruch in das Haus hatte nicht stattgefunden, aber vielleicht lag ja doch ein Verbrechen vor.

Dann der erlösende Anruf: “Der Mann hatte ein Aneurysma im Kopf, welches zum Tod geführt hat. Er ist also eines natürlichen Todes gestorben, natürlich, aber viel zu früh. Nach diesem Hirnschlag oder vielleicht auch währenddessen, ist er in Ihren Pool gefallen. Die Luft in seinen Lungen hat ihn dann wieder an die Oberfläche treiben lassen!” Na also, das hatte sich aufgeklärt.

“Also, Edgar - in unseren Pool gehe ich nicht rein. Das Wasser muss ausgetauscht werden. Frisch sein, verstehst Du? Ekelhaft, allein der Gedanke…Warum musste der Mann auch ausgerechnet bei uns reinfallen?” Helen Morris war immer sehr direkt und brachte die Dinge auf den Punkt.

“Ich muss sagen, wenn das den Watfords nebenan passiert wäre, das hätte mir mehr gefallen. Also Edgar, sorge bitte dafür, dass ich wieder schwimmen kann, ohne dass es mich schaudert!”

Nichts leichter als das. „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör“, auch wenn sein Fachgebiet eher Hochfrequenzanwendungen waren. Edgar kroch also in den kleinen Betriebsraum unterhalb des Pools, in dem die Pumpen, Ventile und Filter untergebracht waren. Er drehte das Ablassventil auf, bis zum Anschlag. Seltsam. Normalerweise hörte man sofort, wie das Wasser dann von oben in die Kanalisation durchrauschte. Nichts dergleichen diesmal. Er drehte das Rad nochmals zu und dann erneut wieder bis zum Anschlag auf. Nichts. Am Boden des Pools befand sich ein Deckel, der mit einer einfachen Mechanik angehoben wurde, damit das Wasser abfließen konnte. Hier floss gar nichts, der Deckel klemmte. Edgar inspizierte die Angelegenheit vom Rande des Pools aus. Da, in der Mitte, da war der kreisrunde Deckel. Aber der saß anscheinend fest. Jetzt war im wahrsten Sinne des Wortes Ingenieurskunst gefragt, schließlich steckte ja das lateinische “Genius” da drin. Er musste da runter und den Deckel lösen. Kein Problem. In der Garage fand er seine alte Taucherbrille und die Flossen. Jetzt noch einen Schraubenzieher, aber einen von der groben Sorte, mit dem man den Deckel am Rand seiner Einlassung anheben konnte. So ausgerüstet ging er zurück an den Pool.

“Edgar! Du sollst das Wasser ablassen und nicht tauchen!”

“Bin gleich soweit!”

Er glitt ins Wasser, die Taucherbrille wurde kurz überprüft, sie war dicht. Er holte tief Luft und tauchte ab. Drei Meter bis zum Boden, gut, dass er die Flossen angezogen hatte, damit ging es leichter. Am Boden des Beckens angelangt setzte er den Schraubenzieher zwischen dem Deckel und der Umrandung an. Er ließ sich anheben. So, das war gleich erledigt. Er tauchte erst einmal wieder auf, um erneut tief Luft zu holen. Auf ein Neues! Er setzte den Schraubenzieher an, nutzte die Hebelwirkung und hatte sofort damit Erfolg. Der Deckel sprang aus seiner Einfassung und fiel neben die Öffnung, in der gleichzeitig eine verrostete Eisenstange in der Tiefe des Abflussrohres verschwand. Geschafft, aber offensichtlich war die ursprüngliche Mechanik nun endgültig nicht mehr zu gebrauchen. Egal. Edgar drehte sich um und wollte auftauchen, der Deckel konnte warten, bis das Wasser abgeflossen war. Mit seinem rechten Fuß kam er dabei kurz über die nun freigewordene kreisrunde Öffnung, die - wie der Deckel - einen Durchmesser von knapp dreißig Zentimetern hatte. Moment, was war da los? Sein Fuß!

Eine Badewanne kennt jeder. Jeder weiß auch, was passiert, wenn man den Stöpsel herauszieht. Die Sogwirkung ist beachtlich, obwohl es sich nur um einen kleinen Abfluss und einen halben Kubikmeter Wasser handelt.

Sein Fuß klemmte im Abfluss, die Flosse und sein Schienbein bildeten eine Parallele.

Und er rechnete. Acht mal fünf Meter, durchgängig drei Meter Tiefe. Einhundertzwanzig Kubikmeter Wasser, die jetzt durch ein kreisrundes Abflussrohr von dreißig Zentimetern ins Freie wollten. Die Sogwirkung war unglaublich, sein Fuß ließ sich nicht herausziehen….

“Edgar! Edgaaar! Edgar?”
 

lietzensee

Mitglied
Hi Klaus,
kleine Verbesserungsvorschläge:

Das Ertrinken des Fremden und der Tod von Edgars stehen im Augenblick etwas beziehungslos nebeneinander. Ich denke es ist in der Geschichte angelegt, dass der zweite Tod ein ironisches Echo des ersten ist. Aber das würde ich noch genauer raus arbeiten.

Die Reaktion der Frau im letzten Satz würde ich nutzen, um die Frau noch mehr zu charakterisieren. Dass sie noch mal den Namen des Mannes ruft, sagt nicht viel über sie. Der Charakter der Frau soll eher unsympathisch und selbstsüchtig sein, ist das richtig? Dann lass sie doch im letzten Satz noch mal etwas Entsprechendes sagen.

Viele Grüße
Lietzensee
 

Klaus K.

Mitglied
Vielen Dank Lietzensee,

....die Gedanken sind frei, der Phantasie des Lesers sollen keine Grenzen gesetzt werden! Ob Edgar es also eventuell doch noch überlebt, ob seine Frau ihm helfen kann bzw. wird, wer weiß? Kurzgeschichte mit offenem Ausgang eben, ganz nach eigenem Gusto. Die Kernbotschaft bleibt aber: "Mach' lieber doch nicht alle Sachen selber, auch wenn du meinst, du bist dafür prädestiniert!"
 



 
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