Dolores 2001

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Max Neumann

Mitglied
Dolores lehnt an einen Stein in den Tiefen des Hauptbahnhofs, mehrere Ebenen unter dem Trubel und Lärm der Verreisenden, Pendlern und Verkaufsstände. Es ist still hier unten, in der Luft liegt stechender Uringeruch. Der Mund von Dolores steht weit auf; ihre Augen sind verschlossen. Ihr Gesicht ist jung, die Nase klein, Lippen voll, zwei spitze, dichte Augenbrauen, dünne Wangen. Der Kopf voller Locken.

Ein Affe ist gekommen. Aufrecht steht er Dolores gegenüber, bemustert sie mit kritischem Blick. Er trägt einen schwarzen Maßanzug, dazu bordeauxrote Lederschuhe. Wo willst Du hin, Dolores? fragt er. Solltest Dich mit dieser Frage befassen, Kleine. Er tippt auf Dolores' Brust, zweimal kurz, einmal lang, wie ein Klopfzeichen. Seine Zeigefingerspitze gleitet an Dolores hinab. Die Flucht vor dieser Frage –

Wo ich hin will? Verpiss dich, lallt Dolores den Affen an. Bist wohl’n Philosoph, was. Vergiss nicht: Sokrates wurde ermordet, weil er zu viel gefragt hat. Euereins ist unbeliebt.

Unsereins. Das ist gut, erwidert der Affe, reibt über sein Affenkinn, schiebt die Unterlippe nach vorne und starrt Dolores an. Hast Recht. Aber keine Einmischung ist auch keine Lösung. Ich möchte Dir helfen, Dolores.
Mir kann keiner helfen. Schieb' ab.

Grübelnd sieht der Affe Dolores an. Aus einer Steinritze kriecht eine Maus, der Affe bemerkt sie und schielt herüber zu ihr. Sofort fällt ihm die Zunge aus dem Mund und er hechelt, mit dünnen Augen und sanftem Grinsen. Als die Maus fiepst, reißt der Affe die Augen auf, fletscht die Zähne und fällt in Vierfüßlerstellung. Er stürzt auf die Maus zu, die fluchtartig um die nächste Ecke schießt, der Affe hinterher...


*

Dolores! Kommst Du, wo bleibst Du denn, Kind? Dolores antwortete nicht. Wo sie lag, duftete Leben, Flieder und Rosen wuchsen wild. Aus der Sonne tropfte dunkelgelbe Wärme.
Hey! Hörst Du schlecht? Wir gehen spielen. Die and'ren sind schon los.
Ich will nicht, antwortete Dolores ihrer Mutter. In der Sonne gammeln ist besser. Ich bleib' hier, abgammeln.
Na gut. Aber hol' dir keinen Sonnenbrand.
Nee, Quatsch, ich pass' auf.
Ihre Mutter setzte zu gehen an, blieb unvermittelt stehen. Bist du sicher? Willst Du nicht mitkommen? Dich bedrückt doch etwas.
Mensch, was soll mich denn bedrücken. Wenn ich mal für mich alleine sein will, kommt Dir das gleich Spanisch vor. Ist alles OK mit mir.
Na gut. Also dann, bis später.
Jaaaah.
Dolores' Kinn lag auf ihrem Handrücken, die Finger auf der Wiese. Bald kam eine Fliege vorbeigeflogen, drehte summend eine Runde um Dolores' Kopf und nahm Anflug auf die Hand, wo sie zum Stehen kam und über die ausgebeulten Fingerknöchel von Dolores' Faust wanderte, als seien sie kleine Hügel. Dann putzte sich die Fliege. Ihre Flügel schimmerten regenbogenfarbig in der Sonne. Sie glichen einem Blatt aus Glas, in dem Äderchen zusammenliefen.
Dolores hielt die Luft an, vermutlich, damit die Fliege länger auf ihrer Haut sitzenblieb. In dem Augenblick unterbrach die Fliege ihre Säuberung. Sie drehte ihren Fliegenkopf, der langsam auf und ab wiegte, zu Dolores. Den Rest ihres Körpers bewegte sie nicht.
Dolores strengte sich an, die Luft weiter anzuhalten, doch konnte bald nicht mehr. So langsam wie möglich atmete sie aus. Wie warmer Wind zog ihr abgestandener Atem zu der Fliege hin, die daraufhin verschwand. Dolores schloss die Augen.

Abends. Dolores erwachte. Um sie herum spielte der Wind in Grashalmen, Löwenzahn und Pusteblumen. Dolores gähnte, rieb ihre Augen und richtete sich langsam auf. Neben ihr lag ein Zettel: Hey Dolo, ich bin mit Adil weggegangen. Wollte Dich nicht wecken, sorry. Ich weiß, wir hatten für heute irgendwas geplant, aber Adil kann die nächsten zwei Wochen nicht. Das muss ich ausnutzen. Ich finde den wirklich richtig, richtig gut. Ein ganzer Kerl ist das. Du amüsierst Dich schon. Du bist 'ne ganz Feine.

Dolores fuhr mit der U-Bahn nach Hause zurück und erblickte, nachdem sie den Kopf hob, einen Mann mit einer Maske. Die Maske bedeckte sein Gesicht so, dass man nicht erkennen konnte, was er dachte oder fühlte. Dennoch wendete er seinen Kopf in die Richtung von Dolores. Da öffnete Dolores den Mund, als wollte sie etwas sagen. Und sie schwieg. Solange, bis der Maskenmann an der nächsten Station ausstieg.. Die Bahn fuhr weiter, Dolores schaute dem Davongehenden nach. Als er verschwunden war, drehte sie sich um: Sie sah in der Zugscheibe ihre Spiegelung.

* *

Ein Mann in dunkelblauem Arbeitsanzug beugt sich hinab zu Dolores. An seinem Gürtel sind Reizgas, ein Teleskopschläger und Handschellen befestigt. Seine Augen quellen aus den Augenhöhlen wie Teig durch Finger. Mit fiepender Mäusestimme fragt er: Wo is'n der Arzt, der müsste doch längst hier sein.
Der Arzt is' auf’m Weg. Kommt schon gleich.
Oaa, grunzt Dolores. Niemand schenkt ihr Beachtung. Die Blicke der Männer, Sicherheitsangestellte der städtischen Nahverkehrsgesellschaft, sind in die Gleichgültigkeit gerichtet. Sie arbeiten in Schichten und nun, da ihre Schicht sich der Ablösung nähert, ist Müdigkeit in ihren Gesichtern. Müde sind sie nicht alle. Einer, der mit Einsatz Dolores' Arme nach unten drückt, reibt, durch einen Lappen verdeckt, über ihre stehenden Brustwarzen.

Neben der Szene um Dolores wird die Tür eines Aufzuges geöffnet. Personen drücken Knöpfe, eine Frauenstimme sagt „Aufwärts“. Dolores sieht hinüber zu dem Aufzug, hinter einer verschmierten Scheibe sehen Fremde sie an.

Dolores spürt eine Spritze im Arm, durch ihren Körper geht ein warmer Strom. Es ist ein angenehmes Gefühl, so wie die Handwärmer, die sie als kleines Mädchen jeden Winter trug. Dolores blinzelt. Ihr Blick fällt auf den Affen, der unerkannt bleibt in der Menschenwelt.
Zwischen den Schaulustigen steht er, schüttelt den Kopf und sieht Dolores schmatzend an. Hab’ ich’s Dir nicht gesagt, Kleine? Solltest Dich wirklich mal fragen, wo Du hin willst, sonst ist bald Endstation.

Der Affe stößt auf, pult mit der Hand im Mund herum, spuckt Speisereste aus und streicht über seinen Bauch. Aus der Innentasche seines Anzugs nimmt er einen Zahnstocher, sieht sich verstohlen um, beobachtet mit zusammengekniffenen Augen die Herumstehenden. Er drückt Dolores' Hand. Seine Hand, denkt Dolores, fühlt sich weich an wie ein Pferdemund. Also, Kleine. Ich bin dann mal weg. Aber Du weißt ja: Nicht für lange.

* * *
Dolores sah den Mann mit der Maske an. Seine Augen verrieten nichts. Er streichelte ihre Haare. Bist Du?... Dolores wollte fragen.

„Am Ende eines Tages“, sagte der Mann mit der Maske, „Du liegst alleine im Bett und kannst nicht einschlafen. Wach bist du nicht mehr. Du wälzt dich unter einer Decke, die könnte ein Traum sein. Lange schon geht es Dir so, ohne zu hören, hörst Du und ohne zu sehen, siehst Du. Angetreten dazu, alles sein, alles haben zu wollen... Mensch, hast Du Sehnsucht? Dann bin ich kein Ansprechpartner. Wenn Dir das Ficken gerade was gebracht hat, fein. Für mich war das kein neuartiges Erlebnis. Obwohl Du was Besonderes bist. Ich würde ja lügen.“ Der Mann mit der Maske lachte und nahm seine Hand von Dolores' Kopf. Dolores konnte ihn atmen hören. „Dein Haar. Verfilzte Träume. Du wirst älter, mühseliger werden Deine Haare zu bürsten sein. Bis sie irgendwann abfallen wie Blätter im Herbst und mit ihnen die Träume. Dann stirbst Du.“
Dolores lachte und warf den Kopf zurück. „Das dauert doch noch lange, bis ich tot bin. Geht nicht so ruckzuck.“
„Ja, dauert noch. Du hast Zeit.“
„Zeit ist mehrdeutig. Wenn ich viel Zeit habe, mag es schwer sein, den Wert von wenig Zeit zu erkennen, und dann, wenn ich's versuche, lenkt mich das von dem ab, was ich tun will. Ich will aber jemand Besonderes sein, weißt Du? Eine Frau, die etwas hinkriegt...“ Dolores riss die Augen auf. „Bin doch besonders, oder?“
„Nein, Dolores. Wie die anderen bist Du nicht.“
„Ja?“ Dolores' Stimme schnellte nach oben. „Aber wer bist denn Du? Du kommst nur, wenn Du willst und gehst, wann es Dir passt. Du… Ach, ich weiß nicht.“
„Dolores – ich kann nur selten kommen und habe auch dann kaum Zeit. Deshalb.“ Er machte eine wegwischende Handbewegung. „Das ist doch kein Ratespiel. Reden wir über was anderes. Kennst Du den Chanson Ne me quitte pas?“
„Was heißt das denn?“
„Das habe ich vergessen. Doch ich weiß, dass ein Musiker starb, als er es sang.“



* * * *

„Vergissmeinnicht, Vergissmeinnicht, lalalala, lalalala...“
Der Affe steht neben Dolores und rupft bläuliche Blätter von einer Blume ab. Nach jedem Blatt säuselt er „Vergissmeinnicht“. Den kahlen Blumenstängel wirft er auf die Schienen.
„Eine Blume passt jetzt einfach nicht. Oder, Dolores? Ist doch alles Beton hier unten. Oder gerade deshalb? Ich meine, hey...“
Der Affe legt den Kopf in seine linke Schulter, zieht betont die Augenbrauen nach oben und lächelt siegesgewiss und selbstverliebt in die Kamera der Geschichte.
Dolores ignoriert ihn. Dolores ignoriert den Affen, denn das muss sie tun. Dolores muss. Atmet langsam. Schwitzt. Einer der Sanitäter, die inzwischen erschienen sind, stellt ihr Fragen. Es ist ihr egal. Ihr Bewusstsein ist in Ansätzen zurückgekehrt, sie erkennt ihr Umfeld: Eine Station. Hier beißen verschiedene Arschlöcher in ihre Langeweilebrötchen und beschmatzen Dolores' Verwahrlosung, während sie auf Züge warten. Hin und wieder scheuchen Sicherheitskräfte sie auf.

Eine Frau im Pelzmantel, begleitet von einem Mann im Anzug, bleibt stehen. Dolores und die Frau sehen sich an. Die Frau gibt dem Mann ein goldenes Portemonnaie, streicht wie angedeutet über sein Schulterblatt, tritt nah an ihn heran, hält ihre Hände, zu Muscheln geformt, an sein Ohr, und dreht, als sie redet, ihren Kopf zur Seite.
Der Mann hört ihr zu. Als sie ihre Hände von seinem Ohr nimmt, berührt er sie flüchtig, lächelt, geht. Die Frau kommt auf Dolores zu, um deren Mund ein Kranz getrockneter Spucke entstanden ist. Ein Sicherheitsangestellter versperrt ihr den Weg. Die Frau im Pelz sieht den Sicherheitsangestellten an, an ihm hinab, an ihm hinauf, und versucht erneut, zu Dolores zu gelangen.
„Zu der können Sie jetzt nich, da ist grad 'n Arzt dran.“
„Nun machen Sie sich mal nicht so wichtig, junger Mann. Dieses Mädchen bedarf doch nicht bloß medizinischer Hilfe. Ich möchte lediglich mit ihr reden.“
„Das wird nicht gehen.“
„Na gut, bleibe ich eben hier.“ Sie sieht auf ihre Uhr, ein Schweizer Modell, dreht an einem Rädchen. Dann ruft sie über die Rücken der Sicherheitsangestellten hinweg. „Wie einen Affen im Zoo behandeln sie Dich, was? Sperren Dich in einen Käfig und lassen Dich nicht mehr fort. Doch weißt Du was“, ruft die Frau, „nur Mut brauchst Du! Mit Mut schafft man alles!“
Dolores reagiert nicht.
„Jetzt hör’n Se aber auf, Madame! Sie behindern - - - “
„Für Sie immer noch Frau Geier. Keine Madame.“
Frau Geier spricht den anwesenden Notarzt an, einen jungen Mann.
„Sagen Sie bitte, wie kann es sein, dass das Mädchen hier ohne Schuhe auf dem kalten Stein liegt? Den Tod holt sie sich.“
Der Arzt öffnet eine Ampulle.
„Den Tod? Holt sie sich auch mit Schuhen. Die hat sich nicht zum ersten Mal eine Überdosis Drogen zugeführt...“
„Das legt einen Elefanten um“, unterbricht ein anwesender Mediator der Polizei. „Ist doch Nebensache, ob mit oder ohne Schuhe.“
„Ganz und gar nicht“, erwidert Frau Geier. „Entscheidend ist doch das Warum: Warum fügt ein so junges Mädchen sich diesen Schaden zu? Sie sagen, sie tut es öfter. Genau da liegt das Problem. Dem Menschen muss dauerhaft geholfen werden. Lassen Sie mich doch mal mit ihr reden.“

Entschieden versucht Frau Geier zu Dolores vorzudringen, doch wird harsch von einem Polizisten zurückgehalten. Nach einem kurzen Gerangel lässt er sie los.
„Sehen Sie, Frau Geier“, sagt der Mediator, „ich versuche, Sie zu verstehen: Dieser Anblick eines jungen Menschen nimmt Sie mit. So einen Vorfall erleben Sie bestimmt nicht alle Tage. Aber verstehen Sie bitte auch uns. Für uns ist das Routine, wir…“

Dolores spürt einen warmen Atem an ihrem Ohr. Guck mal, sagt der Affe, sie reden über Dich. Die Frau im Pelz da, die Alte. Lesern dieser Geschichte könnte sie als die Art von Figur gelten, die Menschlichkeit zu zeigen imstande ist.
Im Gegensatz zu den Fahrgästen... die fressen und kauen, blättern in Magazinen (während der Affe spricht, sind die Fahrgäste und Dolores bewegungslos wie auf Pause in einem Film). Die Fahrgäste sind zu verurteilen deswegen? Da bin ich mir nicht sicher, Dolores... die wollen nach Hause, oder? Sie warten auf Züge, die sie an einen Ort der Geborgenheit führen. Aber trotzdem könnten sie sich Dir widmen, sich mit Dir auseinandersetzen, irgendwas.
Ich spreche zu Dir, Dolores, aus einer entfernten Nähe. Wir träumen gemeinsam über die Welt, während ich an Dich schreibe. Ich schreibe: Die Geier sieht nicht weg, Sorge um Dich liegt auf ihrem Gesicht wie Glauben; ich wäre versucht, zu schreiben: Ein Mensch mit Idealen. Gefiele Dir das so?
Soviel zum ersten Blick. Denn es ist Fassade. Sieh jetzt mal, wie sie Dich wirklich anschaut; auf die kurzen Sequenzen musst Du achten. Hinter ihrer aufgeschminkten Besorgnis verbirgt die Geier. Dir zu helfen – hat die nicht vor, Kleine. 1:1000, die Wette gilt: Das ist ’ne Puffmutter, die will Dich ackern lassen. Kleine Fotzen bringen am meisten.
Die Geier will vom Kuchen. Sie beutet Mädchen wie Dich aus. Jetzt bist Du dran. Beine spreizen, rein, raus, flitsch, flatsch, flutsch, bis du zäh bist und entsorgt wirst. Und vielleicht eine noch hinterlistigere Geier.
Schau mal. Die Geier hat den Bullen für Dich gewinnen können. Sein beruflicher Einfluss kann ihr irgendwann nützlich sein. Sie spendiert Dich ihm und nennt es Premiere; ein bisschen hat sie was von alter Schule. So 'ne theatralische Nudel. Übrigens mit Erfolg. Der Bulle wischt sich über den Mund. Ist aufgestachelt. Doch unter uns, der hat auch schon vorher daran gedacht, Dich zu benutzen, Dolores. Benutzen: Das ist gut, was? Ernsthaft muss ich gestehen, dass meine Auffassung sich Dir gegenüber gewendet hat. Ich finde nicht mehr, Du solltest gerettet werden.

Die Geier, der Bulle und der Affe verschwimmen in Dolores' Augen. „Warum redest Du hässlich mit mir? Bist doch sonst nicht so. Was hab ich Dir denn getan?“ klagt Dolores.
„Getan?“ Der Affe lacht, stößt auf und rülpst. „Getan haste gar nichts. Kannst ja nix dazu, dass Du so geworden bist. Sind doch immer die Umstände schuld, nicht wahr?“ Dolores sieht den Bullen im Affengesicht, der tonlos die Lippen bewegt.
Geräusche drehen sich in Dolores wie Mägen. Dolores streckt ihren Arm aus, um den Bauch des Affen zu streicheln. Nur ein kurzes Stück trennt sie von ihm, was sich langsam vergrößert, da er sich von ihr wegzubewegen beginnt. Seine Zunge hängt heraus, er hechelt wie ein Hund. Rückwärts geht er auf ein Gleis zu.
„Du hörst ja auf, Affe zu sein. Antworte mir doch! Warum redest Du so mit mir? Ich dachte, Du willst mir helfen.“
Der Affe antwortet nicht. Unverändert bleibt sein Gesicht, er gleicht einem Hund. Aus einem Tunnel fährt ein Zug ein. Die Frontlichter bestrahlen das hechelnde Maul des Affen, der die Bahnsteigkante erreicht hat und rückwärts auf die Schienen klettert.
Der Notarzt sortiert Ampullen in einem Koffer. Die Geier streicht über die schwere Hand des Bullen.
„Sag es mir“, bittet Dolores.
Hechelnd sitzt der Affe auf der Mitte des Gleises.
„Du hast es mir doch erklärt: Die Flucht vor der Frage – wo ich hin will – hält mich in der Leere. Du gibst mir eine Antwort, oder?“
Dolores lässt sich auf das Gleis purzeln, in die geöffneten Arme des Affen. Er hechelt, in der Umarmung hört Dolores seinen Atem. Weich wie ein Pferdemund sind seine Hände und das Fell warm. Der Affe umarmt sie fest, dass sie vom Gleis nicht weg kann. Aufgebrachte Rufe der Menschen auf dem Bahnsteig.
„Schau mal“, flüstert der Affe, streichelt Dolores und hält sie fest, „der Bulle macht Anstalten: Jetzt, in Anbetracht unserer, in den Augen der anderen, prekären Situation muss er sich als Helfer verhalten. Eine Ordnung fordernde Öffentlichkeit verlangt es seiner beruflichen Rolle ab. Meinst du, Dolores, sein Hechtsprung wird irgendetwas retten? Ich bin gespannt, gerne würde ich wetten darum. Der Zug ist nah.“
Der Affe richtet seine Krawatte, rückt eine goldene Krawattenklammer zurecht und grinst. Dolores drückt sich an ihn.
„Sag mir, Affe: Sind die Toten voller Sterne?“
„Hmmh“, sagt der Affe, zieht die Backen künstlich hoch und fasst sich an die Lippen. „Ich würde eher sagen: Die Sterne kotzt Du aus, Dolores.“

Darüber muss Dolores lachen, und der Affe steigt ein, und sie kullern über das Gleis, und Dolores verändert sich. Dolores lacht lange, ausgiebig, sieht den Affen genau an. Der lacht mit. Als Dolores' Gesicht das einer anderen geworden und sie eingeschlafen ist, fällt der Affe in die Haltung eines Primaten zurück. Jaulend sieht er sich um; sein Blick bleibt stehen bei einer dieser Stationsuhren, auf deren Präzision Verlass ist.
 

hein

Mitglied
Hallo Tissop,

ein Zustand, den wir hoffentlich nicht kennen oder kennen lernen werden.

Eindrucksvoll beschrieben.

LG
hein
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Das wirkt wie ein erster Entwurf, der noch (gründlich) überarbeitet werden muss. Es sind noch viele Fehler drin, die Schreibweise der Dialoge ist unterschiedlich (ein Schema für den Wechsel gibt es - soweit ich es sehe - nicht) und mehr als einmal "funktionieren" Bilder und Phrasen nicht. Auch über Point-of-View-Probleme bin ich gelegentlich gestolpert.
 



 
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