Doppelt

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Vera-Lena

Mitglied
Doppelt

Ist mein Herz zerbomt noch in Aleppo
und mein Sinn zerrußt im restlichen Damaskus,
streift mein Auge doch um Berg und Seen,
geschmückter Wiesen Frieden trinkt es;
und Hoffnung will erblühen, wenn der Pirol
in deutchen Wäldern seinen Namen ruft.

Bin hier, bin dort und weiß mich eins
mit dem Geschehen, dass nicht fremd mir,
das mir vertraut mit durch die Adern fließt
und seinen Ruf aussendet in der Not;
mein Sein kann nicht ein einziges,
ein enges, kleines für und für sich selbst

genießen. Auf Flügeln trägt mein Leben mich,
doch sind sie schwarz gefleckt und schwer;
kein Sternenflug will jetzt gelingen,
und doch ein Lachen tönt vom Nachbarhaus
hinüber. Kinder tollen in gewohntem Frohsinn.
Noch steht im Anbeginn ihr Sein, noch hat es Frieden.
 

wüstenrose

Mitglied
liebe Vera-Lena,
dein Gedicht berührt und macht mich nachdenklich!
Der Grundton des Gedichts ist demütig, das gefällt mir besonders gut.
In Zeile 6 soll es gewiss
in deut[red]s[/red]chen Wäldern
heißen?
Zeile 12 lese ich so, dass hier sowohl die Wendung "für und für" als auch die Wendung "für sich selbst" auftaucht und beide quasi verschmelzen - richtig?

lg wüstenrose
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Wüstenrose,

danke für Deine Antwort! Und wieder hat sich ein Tippfehler eingeschlichen, den ich bis jetzt immer überlesen habe. Danke für Deinen Hinweis!
Dass Demut aus dem Text spricht, war mir selbst gar nicht aufgefallen. Ich musste einfach nur endlich loswerden, was mich seit Monaten beschäftigt.

Das "für und für" steht in gewisser Weise doppelt, das hast Du ganz richtig herausgelesen. Es kann nicht "für und für" also andauernd und es kann nicht ausschließlich für sich selbst sein.

Ich danke Dir für Deine gründliche, liebevolle Aufmerksamkeit, welche Du diesem Text geschenkt hast.

Dir ganz liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Doppelt

Ist mein Herz zerbomt noch in Aleppo
und mein Sinn zerrußt im restlichen Damaskus,
streift mein Auge doch um Berg und Seen,
geschmückter Wiesen Frieden trinkt es;
und Hoffnung will erblühen, wenn der Pirol
in deutschen Wäldern seinen Namen ruft.

Bin hier, bin dort und weiß mich eins
mit dem Geschehen, dass nicht fremd mir,
das mir vertraut mit durch die Adern fließt
und seinen Ruf aussendet in der Not;
mein Sein kann nicht ein einziges,
ein enges, kleines für und für sich selbst

genießen. Auf Flügeln trägt mein Leben mich,
doch sind sie schwarz gefleckt und schwer;
kein Sternenflug will jetzt gelingen,
und doch ein Lachen tönt vom Nachbarhaus
hinüber. Kinder tollen in gewohntem Frohsinn.
Noch steht im Anbeginn ihr Sein, noch hat es Frieden.
 

Walther

Mitglied
hi vera-lena,

ein schönes wortgewebe um ein schlimmes geschehnis.

ein paar kleine fehler habe ich ausgebaut:
Ist mein Herz zerbom[red]b[/red]t noch in Aleppo[red],[/red]
und mein Sinn zerrußt im restlichen Damaskus,
streift mein Auge doch um Berg und Seen,
geschmückter Wiesen Frieden trinkt es;
und Hoffnung will erblühen, wenn der Pirol
in deutschen Wäldern seinen Namen ruft.

Bin hier, bin dort und weiß mich eins
mit dem Geschehen, [red]das[/red] nicht fremd mir,
das mir vertraut [red]ist,[/red] durch die Adern fließt
und seinen Ruf aussendet in der Not;
mein Sein kann nicht ein einziges,
ein enges, kleines für und für sich selbst

genießen. Auf Flügeln trägt mein Leben mich,
doch sind sie schwarz gefleckt und schwer;
kein Sternenflug will jetzt gelingen,
und doch[red]: E[/red]in Lachen tönt vom Nachbarhaus
hinüber. Kinder tollen in gewohntem Frohsinn.
Noch steht im Anbeginn ihr Sein, noch hat es Frieden.
ich hoffe, dir damit geholfen zu haben!

lg w.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liber Walter,

danke! :) Ach ja, das ist natürlich hilfreich, wenn ein paar Fehler aufgedeckt werden. Ich werde sie gleich korrigieren.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Doppelt

Ist mein Herz zerbombt noch in Aleppo
und mein Sinn zerrußt im restlichen Damaskus,
streift mein Auge doch um Berg und Seen,
geschmückter Wiesen Frieden trinkt es;
und Hoffnung will erblühen, wenn der Pirol
in deutschen Wäldern seinen Namen ruft.

Bin hier, bin dort und weiß mich eins
mit dem Geschehen, das nicht fremd mir,
das mir vertraut ist, durch die Adern fließt
und seinen Ruf aussendet in der Not;
mein Sein kann nicht ein einziges,
ein enges, kleines für und für sich selbst

genießen. Auf Flügeln trägt mein Leben mich,
doch sind sie schwarz gefleckt und schwer;
kein Sternenflug will jetzt gelingen,
und doch: Ein Lachen tönt vom Nachbarhaus
hinüber. Kinder tollen in gewohntem Frohsinn.
Noch steht im Anbeginn ihr Sein, noch hat es Frieden.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

danke auch für Deine Bewertung! :)

Abermals Grüße in die hochsommerliche Hitze hinein, die Dir hoffentlich gut bekommt.

Vera-Lena
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

das Thema dieses Gedichts ist eines, das sich in die Köpfe frisst und schmerzt. Du hast es stilistisch fast als Prosagedicht umgesetzt, was deutlich macht, dass es hier um sehr reale, nicht nur poetische Fragen und Probleme geht.

Überrascht hat mich das "hinüber" in der vorletzten Zeile. Vielleicht soll ja ausgedrückt werden, dass das Lachen der Kinder "hinüber" reicht bis nach Syrien oder eines der anderen Konfliktländer. Dann ist es sehr gelungen. Denn ich hatte ein "herüber" zum LyrI erwartet und die obige Deutung des "hinüber" erst nach einigem Nachdenken gefunden.

So ganz erschliesst sich mir der Titel nicht. Meinst Du die doppelte Sicht auf das Thema, derer, die direkt betroffen sind, und derer, aus der Ferne mitleiden?

Schön, wieder Texte von Dir lesen zu dürfen!

Liebe Grüße

Herbert
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Herbert,

ich hatte schon damit gerechnet, dass das "hinüber" angezweifelt wird. Für mich sieht es so aus, dass das Lyri in diesem Augenblick bei den Kindern mit seinem ganzen Sein ist und dann klingt das Lachen ja hinüber auch aus der Sicht des Lyri. Aber Deine Interpretation gefällt mir auch sehr gut. Es würde bedeuten, dass alles mit allem verbunden ist und selbst ein leidender, gehetzter Mensch manchmal plötzlich etwas Lichtvolls für ein paar Sekunden empfindet, was es ja auch tatsächlich gibt.

Mit dem Titel "Doppelt" meine ich, dass das Lyri einfach nicht für sich sein kann, sondern fast alles, wovon es unterrichtet wird, miterleben muss. So fühlt es sich dann doppelt, denn es spürt genau, ob sein Erleben aus den eigenen Lebensumständen herrührt, oder ob es etwas mitleidet, was andere Menschen mitunter sogar in großer Entfernung erleben.

Danke für Dein Nachfragen und Deine kluge Interpretation!

Herzliche Grüße
Vera-Lena
 



 
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