drachentöter (ode an den heiligen georg)

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
faszinierend

Du siehst also den Drachen als Metapher für die Liebe. Das dem Drachen zum Fraß fixierte Mädchen kommt nicht vor, der Ritter ist das Lyrdu. Dann kommt noch ein "graues Tier" hinzu, es erinnert an "das Böse", das gemäß der Kain-und-Abel-Erzählung in Genesis 4 "an der Türschwelle lauert":
lap-pätach chattâ't robez
vorm Eingang die Sünde, hingelagert,

we-'eläjkâ teschûqâtô we-'attâh timeschâl-bô.
nach dir verlangt sie; doch du herrsche über sie!

http://12koerbe.de/arche/genesis4.htm
Dem aufrechten Ritter mit seiner erigierten "Lanze" wird das "graue Tier" entgegengestellt, daß wie eine Schlange am Boden davonschleicht: Das ist wohl der Drache, der hier (wieder ganz biblisch, wie in Genesis 3) das Männliche der Schlange betont bzw. damit identisch ist. Aber bei Dir heißt es "sie", und das ist ambivalent "die Liebe", die der Lanzenstößer töten soll, oder das (sonst nicht vorkommende) Mädchen.
Rhema (zum thematischen "Drachentöter") ist, daß der Ritter die Liebe nicht bewältigen kann, obwohl seine "zum Stoß bereite Lanze" sie sogar töten soll.
Das unterschied ja schon immer den "Georg" von "Michael", daß letzterer den Drachen nicht tötet, sondern nur vom Himmel auf die Erde hinabwirft.

Höchst bedenkenswert.
 

Antilope

Mitglied
töte die liebe
die lanze zum stoß bereit
töte erhobenen hauptes
töte sie!

im schatten unter der türschwelle
entschlüpft
ein graues tier
und gleitet lautlos von dannen

nein
du wirst sie nicht töten
du würdest es nicht schaffen
 

Antilope

Mitglied
Lieber Mondnein,

ganz herzlichen Dank für deine sachkundige Analyse.
JA, das hast du richtig erkannnt.
Was mich freut, ist, daß du die Verbindung zur Schlange aufstellst, denn ganz ähnlich hatte ich mir das Tier vorgestellt. Noch präziser wäre: aalartig (also nicht zu greifen). Aber ich wollte nicht genauer beschreiben bzw. mehr Worte machen als unbedingt nötig. Die Verbindung direkt zum Bösen war nicht soo bewußt, paßt aber durchaus (im Sinne von etwas heimtückischem, eigenmächtigen, nicht bezähmbarem).

Erfolgt nun eine Verwandlung im Sinne einer Ovidschen Metamorphose? Oder ist es die unsterbliche Seele des Drachens, die entrinnt? Das könnte offenbleiben.

Den heiligen Georg habe ich ganz schnell spontan eingefügt, als mir beim Beitrag einfiel, daß ich noch eine Überschrift brauchte. Ausgegangen war ich also vom Bild eines Drachentöters/tötenden Ritters im allgemeinen; und so dachte ich danach auch noch daran, ob es egal wäre, ob Georg oder Michael...da die beiden Figuren in ihrer mittelalterlich Rezeption bzw. Ikonographie auch miteinander verschmolzen wurden. Danke für diesen Hinweis deinerseits(wobei mir auffällt, daß Michael zur oben genannten 2. Verwandlungsvariante auch paßt..)
Das mit dem Rhema war mir völlig neu (bin keine Literaturwissenschaftlerin)...was dazugelernt.

("Ode" ist mir mittlerweile doch etwas zu gestelzt, ich würde lieber schreiben: "(oder: an den heiligen georg)" aber das kann man ja nicht mehr ändern...)

Lieben Gruß,

Antilope
 

Perry

Mitglied
Hallo Antilope,

Drachentöter sind meist Ritter, die den Drachen als Inkarnation des Bösen töten.
Hier wird die Liebe als Drache (Schlange) dargestellt, weshalb ich sie mehr als Verführerin einordne.

Konstruktive würde ich auf die direkte Benennung der "Liebe" verzichten, erstens weil ich "große" Worte in lyrischen Texten nicht gerne lese, sondern eher erahnen möchte, und weil der Text so an Tiefe gewänne.

Gern gelesen und LG
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
töte die liebe

Das stimmt schon, daß man große Worte vermeiden soll, vor allem Abstrakta.
Andererseits ist "die liebe" mindestens zweideutig, da ja auch die geliebte Person so genannt wird; dann ist es nicht (nur) ein zu großes Abstraktum, sondern eine schmerzliche Paradoxie, wie die letzten Worte in Bizets Oper: "Ach, ich habe sie getötet, meine angebetete Carmen".
 

Antilope

Mitglied
HAllo Manfred,

Anlaß dieser ans LyrDu gerichteten Rede ist, daß der Ritter in seiner Absicht durchschaut wurde. Das galt es hier, auszudrücken. Darum muß es so direkt dastehen, es soll wehtun.

Ich verstehe schon, was Du meinst. Aber das wäre dann wohl Gegenstand eines neuen GEdichtes...

Danke für Deine Gedanken dazu.

LG
Antilope
 

Antilope

Mitglied
töte die liebe
die lanze zum stoß bereit
töte erhobenen hauptes
töte sie!

im schatten unter der türschwelle
entschlüpft ein graues tier
und gleitet lautlos
von dannen

nein
du wirst sie nicht töten
du würdest es nicht schaffen
 



 
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