Drama im Wald

4,00 Stern(e) 1 Stimme

ThomasQu

Mitglied
Neulich morgens war ich bei meiner täglichen Wanderung auf einem abgelegenen Forstweg unterwegs, als ich eine grellrote Hundeschleppleine samt Halsband auf dem Boden im Schnee liegen sah. Das Halsband lag auf dem Weg und das andere Ende der Leine schlängelte sich seitlich in den Wald. Nanu, da muss ein Hund seinem Besitzer entlaufen sein. Die Leine hatte sich irgendwo verfangen, der Hund ist aus dem Halsband geschlüpft und davongelaufen. Das war mein erster Gedanke.
Ich hob das Halsband auf und betrachtete es. Leider gab es keine Hundesteuermarke oder sonstige Informationen über den Besitzer. Ich zog an der Leine, um zu schauen, wo sie festhing. Nirgends. Sie war ein kleinwenig angefroren, aber frei.
Plötzlich fiel mein Blick auf einen handtellergroßen Fleck im Schnee, ganz nahe an der Stelle, an der das Halsband lag. Daneben gleich noch einer. Sah aus wie Blut!
Auf der Linie, auf der die Leine in den Wald hineinreichte, erspähte ich jetzt einen Blutfleck nach dem anderen. Verwirrt aber neugierig kämpfte ich mich durch das Gesträuch und folgte den Blutstropfen ins Unterholz. Aus den einzelnen dicken Tropfen entwickelte sich eine durchgängige Blutspur, die immer breiter wurde. Hin und wieder konnte ich einen Schuhabdruck in der dünnen Schneedecke erkennen. Und eine Schleifspur.
Nach vierzig Metern erreichte ich den Ort des Schreckens. In einem Dickicht war der Schnee großflächig mit Blut getränkt und einige graue Haarbüschel waren zu erkennen.
Die Blutspur endete hier, doch es war kein Tierkadaver zu entdecken. Was für eine Art Kampf musste sich da abgespielt haben? Und welche Rolle spielt die Hundeleine in diesem Krimi?
Ich fotografierte die Stelle mit meinem Handy und stapfte zurück auf den Forstweg. Halsband und Leine nahm ich an mich, die wollte ich nicht liegenlassen und machte mich auf nach Hause.
Während des Laufens kreisten meine Gedanken und ich versuchte, anhand der Hinterlassenschaften die Geschehnisse aufzuklären. Vielleicht hat der Jäger einen streunenden Hund erlegt, der gerade aus dem Wald herauskam. Der Jägersteig steht ja gleich in der Nähe. Das würde die Lage der Leine erklären. Nicht aber die Blutspur und der Jäger hätte dann gewiss das Halsband aufgemacht, als er den Hund in sein Auto einlud. Oder hatte er ihn in dem Dickicht erschossen und mithilfe der Leine aus dem Wald gezerrt? Dafür sprachen die Schleifspur, das Blut und die Fußabdrücke.
Jedoch erschien es mir unmöglich, einen Hund frühmorgens im Dämmerlicht in dem Dickicht überhaupt zu erkennen, geschweige denn, auf diese Entfernung durch das dichte Gebüsch hindurch zu treffen, ich konnte mir einfach keinen Reim aus dieser Szenerie machen.
Ich nahm noch mal mein Handy aus der Tasche und sah mir die Fotos genauer an. Diese Haarbüschel erinnerten mich an Wildschweinborsten. Wenn das nun gar kein Hund war, wozu dann die Leine? Doch langsam dämmerte mir, wie sich alles abgespielt haben könnte.
Wildtiere benutzen auf ihren Wanderungen im Wald die Wege. So auch dieses Wildschwein, bevor es von der Kugel des Jägers getroffen wurde. Mit letzter Kraft flüchtete es ins Gebüsch, bis in dieses Dickicht, wo es zu Boden sank, ausblutete und verendete.
Der Jäger folgte der Blutspur, ausgerüstet mit der Schleppleine seines eigenen Hundes. Am Ziel angekommen wickelte er sie um den Leib des Schweines, zog es aus dem Wald und wuchtete es in seinen Wagen. Halsband und Leine musste er anschließend auf dem Forstweg vergessen haben. Dieses Gedankenmodell erschien mir plausibel und erklärte alles. Ich betrachtete die Mordtat als gelöst.
Am darauffolgenden Tag ging ich zurück zu der Stelle. Es hatte getaut und geregnet, der Schnee sich größtenteils aufgelöst und von dem Massaker war nichts mehr zu erahnen. Am Jägersteig deponierte ich einen Zettel mit einer kurzen Nachricht an den Jäger, der Halsband und Leine bestimmt zurückhaben möchte.
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Thomas,
Also am Anfang war das ja wie ein Krimi…. Ich hätte jetzt nicht den Mut gehabt, dieser Blutspur zu folgen. Aus Angst, irgendein leidendes Tier zu sehen. Da hätte ich mir jemanden dazu geholt. Dass es sich um ein Tier (und keinen Menschen) handeln musste, war ja schnell klar.
Obwohl… heutzutage…ist ja alles möglich.:rolleyes:

Liebe Grüsse!

Ji
 

ThomasQu

Mitglied
Ja, es war tatsächlich spannend. An einen Menschen dachte ich aber in keiner Minute.

Vielen Dank für deinen Kommentar und für die Sterne.
 



 
Oben Unten