du kennst nicht

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HerbertH

Mitglied
du kennst nicht

die strände meiner kindheit
mit den muscheln ohne
leben und zerbrochener schale

die sprünge durch dreizehn
grad frisches wasser die
schlachten mit glibbrigen quallen

die an den beinen
herablaufen wie schleim und
alle mädchen ekeln die

fußballspiele im heißen sand
mit den schmerzen nach
dem schuss mitten auf

die nase fallenden regentropfen
die dich im strandkorb
nicht treffen oder im

wasser das dann so
viel wärmer ist als
die luft im wind

an nassen beinen die
gänsehaut auf den noch
dünnen armen die ersten

blicke zu den brüsten
unter badeanzügen und bikinis
auftauchen aus brechenden wellen

die dich durchdrehen ohne
festen stand im schlammigen
riffelmuster der wandernden sandbänke

den geruch nach gelbäugigem
tang und die furcht
als die kleine schwester

sich losriss aus deinem
griff auf die straße
schoss und vom kotflügel

in die luft geschleudert
zu werden bis zur
landung im gras neben

der küstenstraße dem entsetzen
jahre vorher als es
kein bruder war der

fern geboren wurde sondern
eine zweite schwester die
erkenntnis kurzsichtig zu sein

mit zusammengekniffenen augen fern
zu sehen und gebückt
nach steinen am strand

zu suchen und die
körner zwischen den fingern
rieseln zu lassen wie

schön wäre es wieder
herrliche burgen zu schaufeln
 

Kaleidoskop

Mitglied
mein.hannes,

ich mag Stranderinnerungen. Allerdings empfinde für die Länge des Textes den Stil als zu knapp - oder anders gesagt für die Knappheit des Stiles den Text zu lang. Ich war zum Schluss ganz schön aus der Puste - wie beim Treppensteigen auf einen Leuchtturm. ;)

lg,
Kalei
 

laudabilis

Mitglied
Lb. HerbertH,

ih möchte mich Kaleis Kritik an der Textlänge ausdrücklich NICHT anschließen. Im Gegenteil: Ich habe diesen Text gerne und mit viel Rezipientenvergnügeen gelesen. Es gibt deutlich längere Lyrik, die dem Leser sehr viel mehr rezipientisches Durchhaltevermögen abverlangt.
Für mich ist dieser Text eine einzige umfassende Metapher auf eine längst vergangene und verklärte Kindheit, die in ihrer Verklärung nur noch sehnsüchtig erinnert wird. Vorbei, aber nicht vergessen. Und gerade, weil er die ganze Kindheit mit all ihren Glücksmomenten, Ängesten und Enttäuschungen in sich trägt, MUSS er meiner Ansicht nach diese Länge tragen. Eine Kindheit hat so viele Aspekte, und dir gelingt es, in ausgesprochen verknappter Form die vielen einzelnen winzig kleinen Steine zu eben diesem Mosaik namens "Kindheit" zusammenzufügen.
Nur einen einzigen kleinen Veränderungsvorschlag möchte ich noch vorbringen:

schoss um vom kotflügel
LG,
laudabilis

PS. Noch eine kleine persönliche Anmerkung: Kenne ich doch. Ich bin zwar in Hannover geboren worden, aber meine Mutter ist an der Nordsee aufgewachsen. In den Sommermonaten habe ich Wochen und Monate meiner Kindheit bei meinen Großeltern dort verleben dürfen. Es waren die glücklicheren Momente einer ansonsten durch einen unfähigen Vater eher gewaltgeprägten Kindheit.
 

HerbertH

Mitglied
du kennst nicht

die strände meiner kindheit
mit den muscheln ohne
leben und zerbrochener schale

die sprünge durch dreizehn
grad frisches wasser die
schlachten mit glibbrigen quallen

die an den beinen
herablaufen wie schleim und
alle mädchen ekeln die

fußballspiele im heißen sand
mit den schmerzen nach
dem schuss mitten auf

die nase fallenden regentropfen
die dich im strandkorb
nicht treffen oder im

wasser das dann so
viel wärmer ist als
die luft im wind

an nassen beinen die
gänsehaut auf den noch
dünnen armen die ersten

blicke zu den brüsten
unter badeanzügen und bikinis
auftauchen aus brechenden wellen

die dich durchdrehen ohne
festen stand im schlammigen
riffelmuster der wandernden sandbänke

den geruch nach gelbäugigem
tang und die furcht
als die kleine schwester

sich losriss aus deinem
griff auf die straße
schoss und vom kotflügel

in die luft geschleudert
wurde bis zur harten
landung im gras neben

der küstenstraße dem entsetzen
jahre vorher als es
kein bruder war der

fern geboren wurde sondern
eine zweite schwester die
erkenntnis kurzsichtig zu sein

mit zusammengekniffenen augen fern
zu sehen und gebückt
nach steinen am strand

zu suchen und die
körner zwischen den fingern
rieseln zu lassen wie

schön wäre es wieder
herrliche burgen zu schaufeln
 

HerbertH

Mitglied
Hallo kalei,

ich habe schon überlegt, ob die länge stimmt, war aber für mich zum schluss gekommen, dass ich lieber nicht _länger_ werden sollte :)

liebe grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
hallo Laudabilis,

danke für Deine ausführlichen Kommentar :)

Meine Strände lagen an der Ostsee, und von Hannover fuhren auch wir los :)

Dein Hinweis war in der Tat berechtigt. Allerdings habe ich eine etwas andere Bereinigung der Stelle gewählt.

Liebe Grüße

Herbert
 

laudabilis

Mitglied
Hallo HerbertH,

die etwas andere Bereinigung geht für mich auch in Ordnung. Sie stellt jedenfalls auch die Stimmigkeit her, die ich mit meinem Vorschlag hineinbringen wollte.

LG,
laudbilis
 

anbas

Mitglied
Hallo Herbert,

hier geht es mir leider auch so, dass ich das Gedicht als zu lang empfinde. Auch der fast durchgehende Aufzählungs-Charakter ermüdet mich beim Lesen. - Aber wie aus den Kommentaren mal wieder deutlich wird, sind die Geschmäcker verschieden, was auch gut so ist ;).

Liebe Grüße

Andreas
 

HerbertH

Mitglied
hallo anbas,

ein bilderreigen ist für unsere kurzlebige zeit zu lang, vor allem online, aber einem fluss von erinnerungen angemessen.

träumen darf man so. warum nicht dichten?

liebe grüße

herbert
 
Doch, ich kenne

und so bin ich knöcheltief versunken im Schlick der auflaufenden Flut, habe die Wattwürmer verschwinden gesehen und mich auf die Brandung gefreut, die den tiefen Graben meiner Kleckerburg umspülen würde, bis nichts mehr blieb als Sand.

In meiner Auffassung entsprechen sowohl die Länge des Textes als auch sein Stil den Momentaufnahmen, den Gedankenblitzen in einem längst Erwachsenen. Diese Bilder einer Kindheit tauchen jäh und unvermutet auf, wenn eine Situation, ein Geruch, ein Gefühl an jene längst vergangene Zeit erinnert, ohne jedoch ganze Geschichten zu erzählen.

Ich hab mich in deinen Zeilen wohlgefühlt.

Baki
 

HerbertH

Mitglied
Danke Baki

vielleicht hat man zu schnell den eindruck, dass erinnerungen nur subjektiv sind...

intersubjektiv fasst das wohl besser

liebe grüße

herbert
 



 
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