Du mensch raubst mir die guten worte - Sonett

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Walther

Mitglied
Du mensch raubst mir die guten worte


Gott sprach: du mensch raubst mir die guten worte
du bist der teufel wohl in menschs gestalt
du sengst & brennst & opferst dich gewalt
es gibt durch dich nur noch die höllen orte

Wo tonnen fallen aus den fahlen himmeln
& ratten sich auf leeren straßen treffen
um menschens kindern pfeifend nach zu äffen
die in den keller höhlen räudig schimmeln

In schwarzen fliegen blasen wund starr taumeln
ihr wasser aus verschmierten lachen saufen -
am dach first schlaffe graue fahnen baumeln

Die eisen stäbe greifen aus ruinen
nach mond & sternen schatten wesen laufen
den brot laib an sich tragend durch die minen
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn
so menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen
 

Walther

Mitglied
lb Mondnein,

danke für freundlichen eintrag. diese wirkung wollte ich auslösen: der teufel in menschengestalt ...

lieber gruß W.
 
Hallo Walther,
auch dies ein Text über den "Jammer" des Krieges mit einer besonderen Spitze: Gott macht den Menschen dafür alleinverantwortlich. Die Gefahr bei einem solchen Thema ist, dass man sich sprachlich lustvoll im Entsetzlichen suhlt und es durch die Sonettform und treffende Ausdrücke dann ästhetisch überhöht (hat es das verdient?). Begegnen lässt sich dem durch einen gedanklichen Twist in der Mitte. Hier böte sich für mich an, dass der von Gott angegriffene Mensch sich verteidigt oder sogar den Spieß umdreht, denn er ist einschließlich seiner "teuflischen" Seiten schließlich Gottes Werk!
Sprachlich habe ich ein Problem mit "und opferst dich gewalt" - da würde ich "und opferst der gewalt" bevorzugen.
"nachäffen" würde ich nicht mit dem Dativ, sondern dem Akkusativ gebrauchen.
Die Getrenntschreibung von Doppelsubstantiven betont den Bausteincharakter der Sprache, hemmt aber den Lesefluss.
Gruß E.L.
 

Walther

Mitglied
Moin Eike,

das bearbeiten dieses themas verlangt eine immer weitergehende verdichtung und verfremdung. diesem prozeß gebe ich mit meinen versuchen nach, die manchen leser auf den geist zu geben scheinen. so what - das thema ist es allemal wert, den versuch zu unternehmen, die geeignete form zu finden. wer das als profilierung auslegt oder als ablenkung betrachtet, dem kann man wenig entgegensetzen außer dem hinweis, daß jeder mensch ein solch säkulares ereignis, das sich mittlerweile zu einem weltkriefg auszuweiten droht, anders verarbeitet.

aber toleranz und respekt ist eine münze, die in unserer zeit nicht mehr häufig geprägt wird.

nun zu deinen überlegungen: in der tat gibt es zu dieser form von lyrik eine poetologie, die im geplanten gedichtband mit dem titel "Hinter dem wort" enthalten sein wird. ich leiste mir aktuell drei poetologien, die unterschiedliche stile meiner texte beschreiben. die trennung der zusammengesetzten wörter ist ein element aus dieser poetologie.

die formulierung "opferst dich (der) gewalt" ist durch eine verkürzung entstanden, die die von dir erarbeitete ambivalenz abbildet. so sieht der nachdenkliche leser - du bist einer davon - beides. dein vorschlag für s2v3 ist überlegenswert; beides geht, ist also geschmacksache. ich habe das noch nicht zu ende abgewogen, sehe aber durchaus deinen einwand.

lieber gruß W.
 

Walther

Mitglied
Hi Marie-Luise,

danke für deine überlegung. ich denke hingegen, daß der herrgott den menschen so gemacht hat, wie er ist; er hat, wenn wir der bibel vertrauen, bereits einmal die sintflut geschickt. die gründe dafür waren kaum anders als diese hier.

seit dem zweiten bund liegt der ball bei uns im spielfeld.

lieber gruß W.
 



 
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