Du und ich [Beschädigt]

petrasmiles

Mitglied
Lieber Hundsstern,

eine interessante Wahl, die Zeit zu benennen - ich würde nur 'Turner-Wolken' schreiben - oder zusammen.

Was mir an der zweiten Strophe missfällt, ist das ''ne' - oder das 'hätt' es können sein' - von der Poetik her fällt die zweite Strophe einfach ab zur ersten - und auf einmal reimt es sich (Nacht/gemacht) ohne Not quasi. Dass dies einen Plumps von der Möglichkeit zur Realität abbilden soll, kann ich mir noch vorstellen, aber ginge das nicht anders?

Liebe Grüße
Petra

P.S. Willkommen auf der Leselupe :)
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Bei der Auseinanderschreibung von "Turner Wolken" gefällt mir, dass man es als einen zusammenhängenden Vergleich lesen kann "Monate wie Turnerwolken am Horizont" oder als zwei Satzfragmente: "Monate wie Turner. Wolken am Horizont.". Im zweiten Fall wäre das Turner tatsächlich nicht der Maler sondern ein Dreh-Momentum, in dem die Dinge zum schlechteren "törnen".
Was die zweite Strophe angeht, bin ich bei Petra. Das ist ein sprachlich-poetischer Absturz, der zwar inhaltlich folgerichtig erscheint, aber meines Erachtens das Gedicht so stark "fixiert", dass dem Leser kein alternativer Raum mehr übrig gelassen wird, in den er eigene Erfahrungen, Hoffnungen oder Zweifel hineinprojizieren könnte, um dann in eine offene Wechselwirkung zu treten.
Wobei, das ist noch etwas unklar von mir formuliert: Mein Problem lässt sich vielleicht so umschreiben, dass in der letzten Strophe dem Leser quasi der Rücken zugekehrt wird, indem der Text völlig im als selbstverschuldet erlebten Elend versinkt. Das Ende der Kommunikation mit der besungenen geliebten Person ist so zugleich auch auf eine gewisse Weise das Ende der Kommunikation mit dem Leser, weil die eindeutige Benennung der Eiszeit dem Leser nur noch eine sehr beschränkte Auswahl an Reaktionsmustern zur Wahl stellt.
LG!
S.

... und ebenso ein frohes Willkommen von mir!
 

fee_reloaded

Mitglied
Ich mag es genau so, wie es ist!
Der Bruch in Strophe 2 spiegelt den Inhalt doch exakt.
Es hat das alles eben nicht gegeben...und der leicht flappsige Tonfall der letzten Verse zeichnet den unreflektierte Versuch LyrIchs, mit dem selbst verbauten Leben bzw. dem selbst verursachten Scheitern der Beziehung irgendwie zurecht zu kommen (so nach dem Motto "wenn ich einfach lässig tu, dann ist es wohl in Wirklichkeit halb so wild"). Finde ich sehr stimmig - Form folgt Inhalt sozusagen.

Ich hätte es nur ein klein wenig anders gesetzt:

Leben, zwei Stück, warm umschlungen
Dekaden am Pazifikstrand
Jahre wie Mohnfelder im Abendlicht
Monate wie Turner Wolken am Horizont
Wochen wie ein Sommerregen
Tage, wie Dalien prall und schön.
Worte der Liebe, geflüstert in der Nacht.

Das alles hätt' es können sein.
Ich hab ' ne Eiszeit draus gemacht.
Sehr gerne gelesen! Und willkommen!!!

Liebe Grüße,
fee
 

trivial

Mitglied
Turner-Wolken sagte mir nichts, ich dachte erst, vielleicht sowas wie Cumulus oder Federwolken. Nach kurzer Internetsuche wird wohl der Maler gemeint sein. Da muss ich aber als Laie anmerken, dass es bei ihm scheinbar so unterschiedliche Arten der Wolken gibt, dass es mir schwerfällt, Turner-Wolken als eigenes Bild zu antizipieren. Der Rest der ersten Strophe, die Bewegung vom Großen ins Kleine, bleibt immer auf der gleichen Bedeutungsebene stehen: Vergänglichkeit in Schönheit, leicht melancholisch gefärbt; anstatt Tiefenschärfe bleibt eine Art selbstreferenzielles Fraktal, eine unendliche Wiederholung des Gleichen.

Könnte natürlich ein beabsichtigter Effekt sein, aber dann wäre doch die beschädigte zweite Strophe die Erlösung, der Ausbruch aus der Monotonie, und nicht die Sehnsucht zu ihr.

Der Titel, vor allem das Beschädigt, machte mich neugierig auf etwas, was ich im Text leider nicht finden konnte.

Liebe Grüße
Rufus

P.S.: Als bekennender Botanikbanause: Werden Dahlien nicht mit „h“ geschrieben?
 

Frodomir

Mitglied
Hallo Hundsstern,

dein Gedicht hat einige Gefühle bei mir ausgelöst - und die Bandbreite ging von: "Schön" über "krass" bis "das regt mich auf!"

Schön finde ich vor allem die Zeitabfolge von lang zu kurz. Es funktioniert ähnlich einer Anapher, aber mit immer neuen und sich reduzierenden Zeitangaben. Dekaden, Jahre, Monate usw. Die Anspielung auf William Turner dagegen klingt einerseits interessant, konterkariert aber in meinen Augen etwas den Gesamteindruck der ersten Strophe, denn zumindest ich empfinde zahlreiche Bilder Turners und vor allem seine Licht- und Wolkenstimmungen eher als etwas bedrohlich und überwältigend, während aber alle anderen bildhaften Vergleiche in Strophe 1 auf die reine Idylle hindeuten. Da war meine Reaktion also: "Krass!"

Die Aufregung kam dann in Strophe 2. Ein derartiger Stilbruch, dazu die Inversion in Vers 8, da ging es mir wie einigen meiner Vorredner. Bei wiederholtem Lesen schließe ich mich aber fee-reloaded an und finde nun sogar, dass diese Strophe in ihrer Mischung aus Resignation, Trotz und auch Frechheit etwas sehr Lebendiges hat und dadurch sehr authentisch wirkt.

Insgesamt habe ich mich gern mit deinem Gedicht beschäftigt.

Viele Grüße
Frodomir
 



 
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