Duchamp-Heiku

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rogathe

Mitglied
Da stimmt nichts:
Es ist weder Haiku noch Senryu.
Zersplittertes ist nicht mehr in der Lage, Stufen hinabzusteigen.

rogathe
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Vor allem kann die abstrakte Jetztzeit nicht Stufen hinuntersteigen.
Sie ist eine (abstrakte) Metapher.
Haiku geben konkrete Bilder.
(Zwar wird davon immer mehr abgewichen, aber Du schreibst ja, dass die Jetztzeit die Stufen hinabsteigt. Insofern ist es selbstbezüglich.)
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
und weltenbrechend ist sie auch noch, die Jetztzeit.

vielleicht: Welten erbrechend?
 
A

aligaga

Gast
Wenn man nach dem Maler guhgelt, stößt man auf ein "Haiku-Buch der Offenbarungen", den Blog eines Amis namens Terry S. Kattleman, der (wohl dauer-stoned, so scheint's) unter dem Rubrum verschiedener Zeitgeister im 17-Silben-Takt allen möglichen Blödsinn verzapft. Der Typ hält das gewiss für Weisheiten; ali scheinen seine Traktate aber eher manisch.

Ist das besagte "Heiku" etwa eins davon?

Heiter

aligaga
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich denke eher, es ist von Diana.
Zu dem Bild passt es gut.
Dazu passt auch die Verfremdung "Heiku", die es ironisiert - indem es das Werk aus dem klassischen Heiku in die formzersplitternde Postmoderne führt, dabei aber die Struktur beibehält.

Ich schrieb:
"Vor allem kann die abstrakte Jetztzeit nicht Stufen hinuntersteigen."
In dem Bild kann sie es tatsächlich.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Das berühmte Bild von Duchamp (es entstand vor seinen "ready-mades") ist vom Stil her kubistisch; insofern es eine aufgefächerte Bewegung wiedergibt, würde ich es eher noch als "futuristisch" einordnen, denn bei den italienischen Futuristen war die Darstellung der Dynamik das Leitthema.

"Postmodern" würde ich es nicht nennen, dafür ist es zu alt, nicht einmal modern, obwohl vielen Zeitgenossen und Lupen alles als "modern" gilt, was nach -
- ich finde die richtige Zeitschwelle nicht, ich wollte erst "was nachromantisch ist" schreiben, aber da fiel mir ein, daß die Surrealismen von Novalis, Blake, später dann der französische Symbolismus, Baudelaire und Rimbaud, gerade den populistischen Antimodernisten hier im Forum viel zu modern sind.

Die Japonismus-Welle - z.B. bei Van Gogh - ist auch schon arg lange her. Das macht es auch nicht postmodern. Immerhin gab es diese Welle noch zu Duchamps kubistischen (futuristischen) Zeiten. Aber das Bild ist nicht japonistisch, weder in Duchamps Absicht noch in zufälliger stilistischer oder thematischer Nähe.

Aber im Grunde genommen wären stilhistorische Einordnungen ziemlich egal, wenn der Titel des "Heikus" nicht auf den praedadaistischen Duchamp zielen würde.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Bild vielleicht nicht, aber der Heiku?

Danke für den historischen Überblick. Sehr interessant.
 

Diana Toman

Mitglied
Hallo Mondnein,
Historismus in der Kunstgeschichte, eben Kunstwerke in zeitlich aufeinanderfolgende Stile einzuordnen, ist ein fragliches Unternehmen. Im 'Duchamp-Heiku' habe ich auf W. Benjamins Begriffs von 'Jetztzeit' [siehe Über den Begriff der Geschichte, These XVIII] und besonders auf Hans Beltings 'Das Ende der Kunstgeschichte' angespielt. Das Kunstwerk als Ausnahmezustand, der sich aus jeglicher narrative und lineare Geschichtserzählung löst, der sich nicht "bei der Hure ´Es war einmal´ im Bordell des Historismus" [Benjamin, These XVI] einfügt, aber einen Stillstand erzwingt, eine Jetztzeit, das anzuspielen und dabei den Heiku als Moment des paradoxen Stillstandes zu nutzen habe ich versucht.

Nicht jeder Versuch gelingt!

Gruß,
Diana
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Diana,
eine kleine Frage:
Soll Dein "Heiku" dasselbe sein wie ein "Haiku" oder ist es eine eigene Form, die Du entworfen hast?

Insgesamt ist das konkrete Gedicht vielschichtiger, als es sich ohne Hintergrund auf den ersten Blick erschließt.
 

Diana Toman

Mitglied
Ha(e)iku

Hallo Bernd,
ja, das Heiku ist als vorläufiges Haiku gedacht -- entschuldige, dass ich das nicht artikuliert habe.
Ich dachte mir, wenn mir eines dieser Formen gelingt, es erst dann beim echten Namen zu nennen.

[[Es ist jetzt sicher, das Wahlergebnis, wir New Yorker sind sprachlos!]]

Zu tieft enttäucht,
Diana
 



 
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