Durch das Haus

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Gothanna

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Ich schließe meine Augen. In meinem Nacken sitzt diese fiese Zecke von eingeklemmtem Nerv. Wieder wächst mir alles über meinen immer enger werdenden Kopf. Regen schlägt gegen die Scheibe. Dies hier ist mein altes Zimmer. Wie habe ich ihn früher geliebt, den harburger Regen. Er brachte mir die Kraft, die Nächte durchzuschreiben. Jetzt bin ich nur noch müde.

Ich verlasse meinen Körper und schicke meinen Geist ins Nachbarzimmer. Das hat früher meinem Bruder gehört. Mein Geisterkopf ist frei von Schmerz. Er beugt sich über das Gitterbettchen. Geisterlippen lächeln unzerbissen.

Dort liegt Julian. Er sieht so riesig aus! Der kleine Clown in seinem Arm hingegen ist geschrumpft.

Drüben seufzt mein Körper. Ich liebe dich, kleiner Quälgeist! Ich sollte schlafen, so wie du, doch ich schicke meinen Geist die Treppe hinunter.

Mutters Küche sieht fast so katastrophal aus wie unsere.

Meine Eltern sitzen vorm Fernseher. Lieblos. Spinnweben zwischen ihnen. Spinnweben im ganzen Haus.

Ich spuke in den Keller. Die Heizung hat mir früher eine Heidenangst eingejagt.

Das Schlafzimmer meiner Eltern. Kalt. Mein alter Schrank. Mutters eigener ist vollgestopft mit Omas alten Sachen.

Im Durchgang der Eisschrank - im wahrsten Sinne des Wortes.

Draußen Papas eigenwilliger Garten. Hier verharre ich im Regen. Hierher bin ich geflohen, doch meine Sorgen folgen mir.

Mitten in der Nacht weckt mich das Babyfon. Es regnet noch immer. Ich liege auf dem Boden. Umgeben von Gekritzel. Jetzt tut mir erst recht alles weh, doch ich stehe auf und versuche, eine gute Mutter zu sein.
 

anbas

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Herzlichen Glückwunsch zum ersten Platz!

Ein wirklich schönes 'traumhaftes' Stimmungsbild.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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