Durch die Schleuse gehen

Omar Chajjam

Mitglied
Durch die Schleuse gehen

Das Eisentor duckt sich
Unter Mauerbergen
Darüber Stacheldraht
Der aus dem Mörtel wächst.

Die Stempel öffnen
kühle Augenblicke
Die gegossnen Eisenbügel

Ein Gang im Neonlicht
Und Weinen kleiner Kinder
Die müden Frauenblicke
Hinter schwarzen Schleiern.

Die Schlüssel klirren
Augenbrauen prüfen
Zeigen auf den Gang

Ein Raum und eine Tür
Da Tisch und Stühle
Und auf dem Tisch
Ein Wort wie eine Rose

Bruder.
 

urte

Mitglied
Gut!

Omar, Dein Gedicht hat mich sehr beeindruckt - in sehr knappen bedrückenden Worten beschwörst Du eine "verschlossene" Welt. Der "Zugang" ist erst nicht ganz leicht, aber dann hat man sehr daran zu schlucken.
Das ist gut, was immer der Mensch mit seinem einen Punkt hat sagen wollen.
Viele Grüße, Urte
 

urte

Mitglied
Ja

Ja, der Besuch beim "Bruder" dort. So hatte ich es auch verstanden, aber eben erst nach einigem Grübeln, weil es so "hermetisch" ist. Das scheint mir aber die besondere Raffinesse daran zu sein: "Schleuse" schien in der ersten Strophe ja noch im üblichen Sinne (Schiffs-Schleuse) verstehbar zu sein, sogar mit dem Stacheldraht, jedenfalls für mich, bis ich nach einigem Stutzen (Stempel? usw.) schließlich die Bedeutungen im Kopf neu zu sortieren anfing. Und das ist gut - nur braucht es ein wenig Anstrengung (wie öfter bei Deinen Werken, was für mich ein Qualitätsmerkmal und nicht als Kritik gemeint ist).
Viele Grüße, Urte
 



 
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