Durchlaucht auf den Spuren von Sherlock Holmes

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Klaus K.

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Durchlaucht auf den Spuren von Sherlock Holmes

Der ungebetene Besuch trat ein. Herr von Feldstein. Unter normalen Umständen hätte ich ihn wohl kaum jetzt in mein Schlösschen kommen lassen, soviel sei nur gesagt. Einfach so, ohne Anmeldung? Aber die Umstände sprachen ja für ihn.
Von diesem Exemplar der Gattung "Mann" gab es viele in jeder größeren Fußgängerzone. Und die sahen alle ähnlich aus, der modische Vollbart sorgte dabei für eine gewisse Uniformität. Man sah halt wenig vom Gesicht. Und bestimmt auch weniger von eventuell verräterischer Mimik bei einer Konversation. Vielleicht war das ja gewollt? Egal, er musste mir nicht gefallen, und er hatte offensichtlich im Moment die besseren Karten. Es ging ja schießlich um meinen Besitz!

Auf die stereotype Begrüßungszeremonie kann ich hier verzichten, ich ließ ihn aus der Reserve kommen und mir den Grund seines unangemeldeten Besuches dann auch sofort berichten. Es war eine Wiederholung dessen, was mir mein künftiger Schwiegersohn bereits erzählt hatte. Und er hatte alle Unterlagen und Nachweise als Beweis vorliegen, aber noch nicht mitgebracht, denn es handele sich ja erst einmal um eine Sondierung seinerseits, verbunden mit der Information über den bereits offiziell festgestellten Sachstand.
Und dann ließ er die Katze aus dem Sack. Die Alternative zu einem langwierigen und für mich aussichtslosen Prozess sei eine finanzielle Einigung.
Vier Millionen, für seine notarielle Verzichtserklärung, und alles sei dann erledigt. Für immer.

Bedenkzeit? Kein Problem. Eine Woche? Kein Problem. Er verabschiedete sich, Charles brachte ihn hinaus.

"Was hält Er davon, Charles?"
"Ein Windei, Durchlaucht. Irgendetwas ist faul. Das Angebot ist zu unseriös, vom Überbringer der Botschaft mal ganz abgesehen."
"Was schlägt Er vor? Ich glaube, profunde Recherche ist angesagt. Diesen von Feldstein will ich seziert wissen, versteht Er das?"
"Man sollte ihn durchleuchten. Wenn Durchlaucht mir freie Hand lässt, werde ich ihm auf den Zahn fühlen. Und wenn ich dazu den Herrn Schwiegersohn hinzuziehen dürfte, dann wäre dies sehr hilfreich."
"Aber meine Kleine und meine Frau bleiben dabei außen vor!"
"Selbstredend, Duchlaucht! Kein Wort an die Damen, das ist selbstverständlich. Vor allem, da ja ein Erfolg nicht sicher ist."
"Starte Er durch! Der Auftrag ist also klar, Er hat die gewünschte freie Hand! Und mein Schwiegersohn wird erst eingebunden, wenn wir Fakten haben! Also, wie geht es jetzt los?"
"Ich werde Herrn von Feldstein einen Besuch abstatten, Durchlaucht. Seine Adresse haben wir. Der Vorwand wird sein, Kopien seiner Unterlagen zu erhalten. Akteneinsicht sozusagen. Und dazu brauchen wir dann seine Vorgeschichte. Und das bedeutet, dass wir unsere Recherche eventuell an einen professionellen Detektiv auslagern müssen. Es wird daher unter Umständen kostspielig, Durchlaucht. Und wie gesagt, ohne jede Erfolgsgarantie!"
"Machen, einfach machen! Darauf kommt es bei dieser Summe auch nicht mehr an! Filetiere Er ihn!"
"Sehr wohl, Durchlaucht! Wird Durchlaucht einige Tage ohne meine Anwesenheit zurechtkommen?"
"Eine grauenhafte Vorstellung! Aber, was sein muss, muss sein. Und schicke Er mir nur nicht wieder einen von den Reinigungskräften als Ersatz für Ihn! Den Trottel hätte ich am liebsten erschossen! Nichts da, ich werde die Zeit bis zur Rückkehr meiner Frau nachmittags überstehen. Und jetzt hebe Er sich hinweg, und komme Er mit Erfolg zurück!"

Ich greife den weiteren Ereignissen jetzt vor und ordne zum leichteren Verständnis die Berichterstattung wie folgt:

Bericht der Detektei, betreffend eine vor Ort vorgenommene Recherche in Nicaragua.

"Herr von Feldstein traf am 24. des vegangenen Monats zusammen mit Herrn Werner B. dort ein. Beide stiegen im Hotel "Aquila" in Managua ab, getrennte Zimmer. Sie hatten einen Leihwagen gemietet und unternahmen entsprechende Touren in der Umgebung. Zwei Tage später meldete sich Herr B. bei der Polizei. Die beiden Männer hatten eine Wanderung gemacht und Herr von Feldstein sei plötzlich zusammengebrochen. Reanimationsversuche seitens Herrn B. blieben erfolglos, keine äußeren Verletzungen, eine natürliche Todesursache wie Herzversagen etc. wurde entsprechend ärztlich attestiert.
Herr B. veranlasste daraufhin eine Beisetzung in Form einer Einäscherung mit anonymer Urnenbestattung, an der er persönlich als einziger Trauergast teilnahm. Sämtliche angefallenen Kosten wurden von ihm übernommen und jeweils sofort bezahlt. Laut Aussage einiger Zeugen aus der Pathologie, des Hotels und der Polizei wollte Herr B. sich dann um alle weiteren Formalitäten wie auch der Information der deutschen Botschaft selber kümmern. Dies wurde von keiner der beteiligten Stellen in Zweifel gezogen und auch nicht weiterverfolgt. Herr B. verließ Nicaragua dann am nächsten Tag und flog zurück nach Deutschland."

Hinweis der Detektei:
Die Gepflogenheiten in einem mittelamerikanischen Land sind mit Deutschland vom Grundsatz her nicht vergleichbar. Weiterhin sind Zuwendungen an beteiligte Personen in Form von US-Dollar grundsätzlich als Beschleunigung und Vereinfachung jeglicher nur denkbarer Vorgänge bekannt.

Und hier dazu dann der Bericht von Charles:

Mein Besuch bei Herrn von Feldstein war angemeldet, er wirkte hocherfreut und hatte einen vollständigen Satz aller relevanten Kopien parat. Ich ging diese sukzessive mit ihm durch und er vermittelte einen selbtsicheren Eindruck. Die Wohnung war sehr aufgeräumt, auf einer Anrichte stand ein Portraitfoto.
"Sind Sie das?" fragte ich ihn beiläufig.
"Ja, allerdings in jüngeren Jahren!"
"Da haben Sie ja eine Narbe am Kinn!"
"Ein Unfall mit dem Fahrrad. Das ist schon länger her!"
"Durch den Bart sieht man nichts, das ist fast schade. Sonst hätte man eher eine ehemalige schlagende Verbindung einer Burschenschaft annehmen können! Die Stelle am Kinn passt gut dazu! Sagen Sie, hätten Sie vielleicht ein Glas Wasser für mich?"
"Selbstverständlich! Oder auch gleich einen Kaffee dazu?"
"Sehr gerne!"
Er fühlte sich sicher und verschwand in der Küche. Ich machte schnell ein Foto vom Portait, sah eine Brieftasche am Ende des Tisches, ein Griff von mir genügte. Ein Personalausweis, relativ neu, unter den "unveränderlichen Kennzeichen" dort fand sich sofort "Narbe am Kinn". Ein weiteres Foto von mir folgte. Er sprach aus der Küche zu mir.
"Es dauert noch einen Moment! Milch und Zucker?"
"Kein Problem! Ja, beides bitte!"
Ich nahm dann einen der Zigarettenstummel aus dem übervollen Aschenbecher, denn er war offensichtlich starker Raucher. Ein Papiertaschentuch, den Filter damit nicht berührend, verschwand in einer kleinen Schachtel und diese dann in meiner Jackentasche. Dann sah ich im Bücherregal neben mir einige Briefumschläge, eingeklemmt zwischen mehrere Bücher. Ins Auge stach dabei ein erkennbar älterer Brief, handschriftlich adressiert an ein Blumengeschräft und zugeklebt, also nie abgeschickt und ohne Briefmarke. Absender war Magnus von Feldstein. Er wanderte sofort in meine mitgebrachte Mappe, also nur versehentlich, ganz in Gedanken.

"So, bitte, Ihr Kaffee, dazu hier Milch und Zucker und ein Glas Mineralwasser!"
"Vielen Dank! So, lassen Sie uns alles noch einmal kurz sortieren.Ich glaube, wir haben dann auch alles. Ich werde die Kopien - ich nehme sie jetzt natürlich mit - Herrn von Wackenhorst übergeben. Sie hören dann von ihm!"

Charles' Part war damit erfolgreich erledigt. Mein Schwiegersohn in spe Karli hatte jetzt genug Material für seine Freunde beim Betrugsdezernat und konnte seine gesamten Verbindungen spielen lassen. Das ging dann ruckzuck, wie in Nicaragua, aber ganz ohne Dollars.
Der Identitätsdiebstahl konnte schnell nachgewiesen werden, die DNA-Vergleiche der Zigarette und des Briefumschlages zeigten eindeutig, dass Werner B. in die Rolle seines Freundes geschlüpft war, nachdem dieser verstorben war.
Eine Videoaufnahme von dessen kontoführender Bank kam dazu, als er versucht hatte, diverse Transaktionen durchzuführen. Daneben gab es die Vergleiche der Unterschriften, basierend auf dem mitgenommenen Brief. Letztendlich sehr beweiskräftig war auch die Narbe am Kinn, denn er hatte genau dort eben keine unter seinem Bart. Magnus von Feldstein hatte vor seinem Ableben auch keinerlei eigene Aktivitäten hinsichtlich eines möglichen Erbanspruchs initiiert. Aber er hatte seinem Freund Werner B. von dieser Möglichkeit einmal nebenbei berichtet, wie dieser später ebenfalls gestand.



Fall gelöst. Der erwirkte Anspruch war zwar formal berechtigt, aber nun gab es keinen Anspruchsteller mehr. Nie mehr.
Das Triumvirat hatte zugeschlagen!
Männer halt. Verschwiegen, zuverlässig, die grauen Zellen immer in Aktion.


"Papi, Dorothee! Karli und ich werden heiraten!"
"Wer konnte das ahnen? Unglaublich! Muss das sein?"
"Hubertus! Bitte! Großartig, ich freue mich für euch!" Das war meine Frau.
"Aber Papi, du wussest es doch schon! Karli hat doch um meine Hand bei dir angehalten!"
"War doch nur ein Scherz! Bravo! Gratuliere! Wann ist es so weit?"
"In vier Wochen! Und dann, jetzt dazu meine Frage: Ihr wolltet doch eure Hochzeitsreise auch noch machen, es wird ja langsam Zeit! Können wir das nicht gemeinsam planen? Das wäre doch toll!"
"Warum nicht? Das ist eine phantastische Idee, Claudia! Habt ihr denn schon eine Vorstellung, wohin?"
"Alles, nur keine Kreuzfahrt! Alles nur Gleichgesinnte! Tausende davon!" warf ich ein.
"Wir dachten mal an etwas Ausgefallenes. Mittelamerika, Costa Rica oder so....." kam jetzt vom Herrn Schwiegersohn.
"Nicaragua soll noch toller sein, habe ich gelesen! Da kann man unglaublich viel auf eigene Faust entdecken, und es ist völlig sicher. Da passiert inzwischen nichts mehr!" So meine Tochter.
"Interessant, das wäre vielleicht mal etwas anderes! Was hältst du davon, mein Schatz?" Meine Frau. Wenn sie wüsste...Nicaragua!
Wie hieß noch gleich diese Detektei? Haben die vielleicht eine realistische Broschüre von diesem Land?
Sackzement, warum trifft es immer mich?
"Alternativ dachten wir auch an den Kongo, also mit einem Einbaum den Fluss hinauf, sozusagen auf den Spuren von Joseph Conrad, also direkt ins Herz der Finsternis..." Mein Schwiegersohn.
Das fing ja gut an. Ihro Durchlaucht im Einbaum. Mit Tropenhelm und so einem kleinen Moskitonetz vor der Nase. 38 Grad im Schatten, Luftfeuchtigkeit 110 Prozent durchgängig. Da vergammelt sogar ein Cognac in der Flasche. Apropos.....
"Charles! Meine Medizin!"
"Subito, Durchlaucht!"
 
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Hagen

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Hallo Klaus,
wieder mal eine fulminante Geschichte.
Allerdings scheint mir die Beweiskette etwas dünn! Man müsste diesem Knilch die Möglichkeit geben sich des Bartes zu entledigen!
Die 'schlagende Verbindung' hatten wir ja schon, Hochwohlgeboren oder sein Butler könnte den Knilch, sofern er satisfaktionsfähig ist, zum 'Pauken' herausfordern und ihm den einen oder anderen Schmiss verabreichen, zu dessen Verarztung der Bart abgenommen wird ...

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns, mit Deiner Chefin, in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter, guten Willens, moralisch einwandfrei, weiterhin positiv motiviert und stets heiteren Gemütes!
Sei stets von reiner Seele, trage immer FFP2 Atemschutzmasken, Lüge niemals oder erzähle dreckige Witze!
Herzlichst
Yours Hagen
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An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.
Charly Chaplin​
 



 
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