Durchlaucht - aus dem Stegreif!
Wir waren allein, mein geschätzter Sekretär und ich. Unsere Frauen waren zusammen mit meiner Tochter Claudia ins Kino gegangen. Ein Liebesfilm. Mein Schwiegersohn Karli war nicht da, er war auf einer sogenannten Dienstreise. In Malawi, genauer gesagt in Lilongwe, der dortigen Hauptstadt. Da saß er jetzt bestimmt, einen großen Cocktail in der Hand, zusammen mit einigen unserer mitgereisten Minister. Karli - der Herr Referent - war nämlich jetzt "Controller" und überwachte damit auch die Übergabe der Schecks. Entwicklungshilfe, was sonst. Und auf diesen durfte halt kein Schlawiner später eine Null an falscher Stelle dazumalen, also vor dem Komma, auch nicht versehentlich. In Afrika gibt es ja mehr als fünfzig Länder, sein Ministerium hatte also immer gut zu tun.
Die Verwendung der Gelder blieb seit Jahrzehnten eher ungeprüft, man wollte ja Freunde bleiben. Regierungsalltag eben.
Die Cocktails nach dem Festakt der Übergabe hießen dann auch "Malawi Firecracker", "Germany Is Good" und "African Revenge". Drinks unter Freunden. Ingredienzien unbekannt. Einfach trinken, nicht zögern, nicht zaudern!
Zaudern? Und schon kam mir wie so oft eine geniale Idee...!
Ich weihte Charles sofort ein und er traf die nötigen Vorbereitungen. Schnell war eine Art kleine Bühne aufgebaut, ein paar Stühle weg, ein paar Lampen dazu, und da saßen wir dann. Also ich auf einem Sessel, denn schließlich war ich ja die Hauptperson! Geprobt wurde nicht, dafür war keine Zeit mehr.
Und wahrhaftig, schon traten sie ein! Augenweide Eins, Zwei und Drei, mit glänzenden Augen, zurück vom Kinobesuch. Verwundert blieben sie stehen, sahen erst die künstliche Bühne und dann uns, einander gegenüber sitzend. Meine Frau ergriff als erste das Wort.
"Was macht ihr denn da?"
Ich sagte, an Charles gewandt: "Wer störet unsere Unterhaltung?"
"Die drei Damen sind zurück, Durchlaucht!"
"Hach, ich weiß nicht...es gibt derer so viele, man möchte gar zaudern, könnte man die Zeit noch einmal zurückdrehen!"
"Fürwahr Durchlaucht! Wer zu früh in die Falle tappt, dem spielt das Schicksal lebenslang nur Streiche! Da ist ein Zaudern angesagt!"
Unsere drei Damen schnappten teils hörbar nach Luft, starrten dann aber immer noch wie gebannt auf das Bild, das sich ihnen bot.
"Nun zum vorgeschlagenen Geschäft, das man Durchlaucht angeboten hat! Fünfzehn Flaschen Champagner aus einem angeblich gerade erst entdeckten Gewölbe in Reims. Absolute Raritäten. Zum Sonderpreis, sagt der Franzose! Er meint, die Gattin wird begeistert sein!"
"Hach, ich weiß nicht! Für das Geld gibt es mindestens dreißig Flaschen alten Cognac! Ich weiß es nicht, so etwas muss wohlüberlegt sein. Auch hier ist Nachdenken vonnöten, etwas zögern und zaudern kann nicht schaden..."
In diesem Moment kam meine Dorothee jetzt auf unsere Bühne!
"Was soll das? Was geht hier vor? Was führt ihr hier auf?"
"Wenn eine Glühbirne aus der Fassung gedreht wird, geht ein einziges Licht aus. Wenn eine Frau die Fassung verliert, gehen alle Lichter aus! Hebe dich also hinweg, verführerische Schlange! Ich muss schwerwiegende Dinge entscheiden, da ist zögern und zaudern angesagt!"
Sie trat einen Schritt zurück und sagte dann, sich zu ihren Begleiterinnen umdrehend:
"Also...bitte helft mir! Was ist hier los?"
Die Angesprochenen kamen nach vorne.
"Charles! Hast du getrunken?"
"Papi, geht es dir gut? Was ist passiert?"
"Ruhe! Oder hinweg mit euch! Ich habe wichtige Entscheidungen zu treffen, ja oder nein! Zaudern heißt überlegen, merkt euch das! Eine hohe Kunst, die nicht jedem gegeben ist! Also, was haben wir noch, spreche Er!"
"Da wären noch diese Aktien, Durchlaucht. Angeblich eine lohnende Investition, in dieses neue Unternehmen. Das nennt sich EXCOC, es geht wohl um die Förderung natürlicher, die Intelligenz entwickelnde Pflanzenextrakte. Die Aktie hat angeblich unglaubliches Potential, man sollte sofort einsteigen. Der Broker bezeichnet sie als einen Geheimtipp, Durchlaucht."
"Das tun diese Burschen immer! Natürliche Intelligenz? Davon haben wir doch genug, oder? Und EXCOC - heißt das nicht Ex Coconut, hä?"
"Es müsste aber ganz schnell investiert werden, meinte er. Der gleiche Hinweis kam übrigens auch von dem Franzosen".
"Hach, ich weiß nicht...Der Champagner liegt mir mehr in der Nase...es sind schwere Entscheidungen, Charles!"
Ich deutete Charles an, sich jetzt zu erheben und stand gleichfalls auf.
"Na, habt ihr was gemerkt?" fragte ich unsere drei Damen, die mehr verwundert als verschüchtert vor uns standen.
Keine Antwort.
"Jean-Baptiste Poquelin! Wenn ich mich vorstellen darf...?" sagte ich dann.
"Molière! Sein wahrer Name ist eher unbekannt, die Herkunft seines Künstlernamens nicht eindeutig geklärt !" kam jetzt von Sabine.
"Exakt!" sagte ich sofort. "Der eingebildete Kranke, der Geizige, der Menschenfeind, Tartuffe...und so weiter! Er hält der damaligen Elite damit meistens einen Spiegel vor, aber meisterlich kaschiert!"
"Aber das, was ihr hier gemacht habt, das Stück gibt es doch gar nicht!" meinte jetzt meine Tochter.
"Genau! Das war ja auch nur der erste Akt, sozusagen. Charles und ich hatten nichts geprobt vorher! Eine Live-Aufführung, mit euch Dreien! Spontan, aus dem Stegreif, und ihr seid mit dabei, mit euren Reaktionen! Charles hat alles aufgenommen, mit zwei verborgenen Kameras vor und hinter unserer kleinen Bühne. Das Stück heißt übrigens "Der Zauderer", und wir präsentieren es dann jetzt zuerst einmal in den einschlägigen Medien! Ich werde vielleicht doch noch berühmt, Dorothee!"
"Das würde ich nicht machen, Papi!"
"Hä? Warum nicht, aus dem Stegreif, live - was will man mehr?"
"Aktuelle Informationen, mein Göttergatte! Karli hat sich vorhin aus Malawi gemeldet, Hubertus!" kam von meiner Frau.
"Das geht? Ich dachte, die trommeln noch da unten? Dass der Schall so weit reicht, man glaubt es kaum..!"
"Also bitte! Hubertus! Oder Jean-Baptiste! Hör' einfach zu!"
"Du hast vielleicht etwas zu lange gezaudert, Papi! Der Schuss geht nach hinten los!"
"Wieso?"
"Na, diese Aktien! Diese EXCOC! Karli hat gesagt, die Regierung dort hat die gesamte überreichte Entwicklungshilfe sofort darin investiert. Alles!"
"Na und?"
"Die Aktien wurden doch gerade erst emittiert - und vor ein paar Stunden wurde bereits verkündet, dass sich der Kurs schon vervierfacht hat...!"
Wir waren allein, mein geschätzter Sekretär und ich. Unsere Frauen waren zusammen mit meiner Tochter Claudia ins Kino gegangen. Ein Liebesfilm. Mein Schwiegersohn Karli war nicht da, er war auf einer sogenannten Dienstreise. In Malawi, genauer gesagt in Lilongwe, der dortigen Hauptstadt. Da saß er jetzt bestimmt, einen großen Cocktail in der Hand, zusammen mit einigen unserer mitgereisten Minister. Karli - der Herr Referent - war nämlich jetzt "Controller" und überwachte damit auch die Übergabe der Schecks. Entwicklungshilfe, was sonst. Und auf diesen durfte halt kein Schlawiner später eine Null an falscher Stelle dazumalen, also vor dem Komma, auch nicht versehentlich. In Afrika gibt es ja mehr als fünfzig Länder, sein Ministerium hatte also immer gut zu tun.
Die Verwendung der Gelder blieb seit Jahrzehnten eher ungeprüft, man wollte ja Freunde bleiben. Regierungsalltag eben.
Die Cocktails nach dem Festakt der Übergabe hießen dann auch "Malawi Firecracker", "Germany Is Good" und "African Revenge". Drinks unter Freunden. Ingredienzien unbekannt. Einfach trinken, nicht zögern, nicht zaudern!
Zaudern? Und schon kam mir wie so oft eine geniale Idee...!
Ich weihte Charles sofort ein und er traf die nötigen Vorbereitungen. Schnell war eine Art kleine Bühne aufgebaut, ein paar Stühle weg, ein paar Lampen dazu, und da saßen wir dann. Also ich auf einem Sessel, denn schließlich war ich ja die Hauptperson! Geprobt wurde nicht, dafür war keine Zeit mehr.
Und wahrhaftig, schon traten sie ein! Augenweide Eins, Zwei und Drei, mit glänzenden Augen, zurück vom Kinobesuch. Verwundert blieben sie stehen, sahen erst die künstliche Bühne und dann uns, einander gegenüber sitzend. Meine Frau ergriff als erste das Wort.
"Was macht ihr denn da?"
Ich sagte, an Charles gewandt: "Wer störet unsere Unterhaltung?"
"Die drei Damen sind zurück, Durchlaucht!"
"Hach, ich weiß nicht...es gibt derer so viele, man möchte gar zaudern, könnte man die Zeit noch einmal zurückdrehen!"
"Fürwahr Durchlaucht! Wer zu früh in die Falle tappt, dem spielt das Schicksal lebenslang nur Streiche! Da ist ein Zaudern angesagt!"
Unsere drei Damen schnappten teils hörbar nach Luft, starrten dann aber immer noch wie gebannt auf das Bild, das sich ihnen bot.
"Nun zum vorgeschlagenen Geschäft, das man Durchlaucht angeboten hat! Fünfzehn Flaschen Champagner aus einem angeblich gerade erst entdeckten Gewölbe in Reims. Absolute Raritäten. Zum Sonderpreis, sagt der Franzose! Er meint, die Gattin wird begeistert sein!"
"Hach, ich weiß nicht! Für das Geld gibt es mindestens dreißig Flaschen alten Cognac! Ich weiß es nicht, so etwas muss wohlüberlegt sein. Auch hier ist Nachdenken vonnöten, etwas zögern und zaudern kann nicht schaden..."
In diesem Moment kam meine Dorothee jetzt auf unsere Bühne!
"Was soll das? Was geht hier vor? Was führt ihr hier auf?"
"Wenn eine Glühbirne aus der Fassung gedreht wird, geht ein einziges Licht aus. Wenn eine Frau die Fassung verliert, gehen alle Lichter aus! Hebe dich also hinweg, verführerische Schlange! Ich muss schwerwiegende Dinge entscheiden, da ist zögern und zaudern angesagt!"
Sie trat einen Schritt zurück und sagte dann, sich zu ihren Begleiterinnen umdrehend:
"Also...bitte helft mir! Was ist hier los?"
Die Angesprochenen kamen nach vorne.
"Charles! Hast du getrunken?"
"Papi, geht es dir gut? Was ist passiert?"
"Ruhe! Oder hinweg mit euch! Ich habe wichtige Entscheidungen zu treffen, ja oder nein! Zaudern heißt überlegen, merkt euch das! Eine hohe Kunst, die nicht jedem gegeben ist! Also, was haben wir noch, spreche Er!"
"Da wären noch diese Aktien, Durchlaucht. Angeblich eine lohnende Investition, in dieses neue Unternehmen. Das nennt sich EXCOC, es geht wohl um die Förderung natürlicher, die Intelligenz entwickelnde Pflanzenextrakte. Die Aktie hat angeblich unglaubliches Potential, man sollte sofort einsteigen. Der Broker bezeichnet sie als einen Geheimtipp, Durchlaucht."
"Das tun diese Burschen immer! Natürliche Intelligenz? Davon haben wir doch genug, oder? Und EXCOC - heißt das nicht Ex Coconut, hä?"
"Es müsste aber ganz schnell investiert werden, meinte er. Der gleiche Hinweis kam übrigens auch von dem Franzosen".
"Hach, ich weiß nicht...Der Champagner liegt mir mehr in der Nase...es sind schwere Entscheidungen, Charles!"
Ich deutete Charles an, sich jetzt zu erheben und stand gleichfalls auf.
"Na, habt ihr was gemerkt?" fragte ich unsere drei Damen, die mehr verwundert als verschüchtert vor uns standen.
Keine Antwort.
"Jean-Baptiste Poquelin! Wenn ich mich vorstellen darf...?" sagte ich dann.
"Molière! Sein wahrer Name ist eher unbekannt, die Herkunft seines Künstlernamens nicht eindeutig geklärt !" kam jetzt von Sabine.
"Exakt!" sagte ich sofort. "Der eingebildete Kranke, der Geizige, der Menschenfeind, Tartuffe...und so weiter! Er hält der damaligen Elite damit meistens einen Spiegel vor, aber meisterlich kaschiert!"
"Aber das, was ihr hier gemacht habt, das Stück gibt es doch gar nicht!" meinte jetzt meine Tochter.
"Genau! Das war ja auch nur der erste Akt, sozusagen. Charles und ich hatten nichts geprobt vorher! Eine Live-Aufführung, mit euch Dreien! Spontan, aus dem Stegreif, und ihr seid mit dabei, mit euren Reaktionen! Charles hat alles aufgenommen, mit zwei verborgenen Kameras vor und hinter unserer kleinen Bühne. Das Stück heißt übrigens "Der Zauderer", und wir präsentieren es dann jetzt zuerst einmal in den einschlägigen Medien! Ich werde vielleicht doch noch berühmt, Dorothee!"
"Das würde ich nicht machen, Papi!"
"Hä? Warum nicht, aus dem Stegreif, live - was will man mehr?"
"Aktuelle Informationen, mein Göttergatte! Karli hat sich vorhin aus Malawi gemeldet, Hubertus!" kam von meiner Frau.
"Das geht? Ich dachte, die trommeln noch da unten? Dass der Schall so weit reicht, man glaubt es kaum..!"
"Also bitte! Hubertus! Oder Jean-Baptiste! Hör' einfach zu!"
"Du hast vielleicht etwas zu lange gezaudert, Papi! Der Schuss geht nach hinten los!"
"Wieso?"
"Na, diese Aktien! Diese EXCOC! Karli hat gesagt, die Regierung dort hat die gesamte überreichte Entwicklungshilfe sofort darin investiert. Alles!"
"Na und?"
"Die Aktien wurden doch gerade erst emittiert - und vor ein paar Stunden wurde bereits verkündet, dass sich der Kurs schon vervierfacht hat...!"
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