Durchlaucht schnappt nach Luft

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Klaus K.

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Durchlaucht schnappt nach Luft

Sackzement, alles überstanden! Meine Hochzeit mit Dorothee war ein voller Erfolg, sie sah bezaubernd aus in ihrem weißen Kleid, die ganze Rasselbande war da, meine Tochter, mein Butler Charles, dieser Referent aus dem Ministerium. Meine Frau hatte ja leider keinerlei Verwandschaft, besser gesagt zum Glück. Zwei Kolleginnen aus ihrer Klinik waren dafür gekommen, aber das ging irgendwie an mir vorbei.
Ein kleiner Kreis also, ganz nach meinem Geschmack.
Charles hatte die Regie übernommen, ebenfalls wie immer ganz nach meinen Vorstellungen. Unser Teilzeit-Personal war entsprechend von ihm instruiert worden. Die Köchin, der Gärtner, die beiden Reinigungskräfte, alle mit Anhang. "Härter arbeiten, schneller arbeiten, mehr arbeiten!" lautete seine Direktive. Hach, mir ging das Herz auf, bei solchen glasklaren Ansagen! Das ist ein Butler! Sie haben keinen Butler? Tz, tz.
Die derart Angesprochenen hatten im Vorfeld entsprechend gewirkt und durften jetzt an einem Nebentisch an der Feier teilnehmen, einige Kinder von ihnen waren auch dabei. Eine kleine Kapelle rundete dann mit "Swing" die ganze Chose perfekt ab, Musik und ein Tänzchen gehörten eben dazu. Genial!
Das möge genügen, weitere Details sind nicht erforderlich.

So, es ist inzwischen wieder Ruhe eingekehrt, Ich sitze auf meinem kleinen Thron, alle sind weg, nur Charles und ich, wie gehabt. Meine Frau? Arbeitswütig, ohne sie läuft ihre kleine Privatklinik angeblich nicht, aber sie macht das gerne, sie braucht das einfach, sagt sie. Ist mir recht. So habe ich mir eine vernünftige Ehe immer vorgestellt. Unabhängig davon bin ich verrückt nach ihr und kann es kaum erwarten, bis sie endlich nachmittags nach Hause kommt. Sie ist ja Psychologin, und liest mir dann jeden Wunsch von den Augen ab. Jeden, aber mehr verrate ich nicht. Ich bin bei ihr in besten Händen. Meine Frau! Meine Traumfrau!

"Durchlaucht, der junge Mann aus dem Ministerium fragt telefonisch an, ob er Durchlaucht unter vier Augen sprechen könne?"
Der Freund meiner Tochter, dieser Referent?
Was will er? Er hätte mich doch auf der Hochzeit bereits direkt fragen können? Erstaunlich gut getanzt hat er, mein Töchterchen war ganz begeistert. Und das bei seiner Figur. Er war mir zu dick, ich hatte das schon erwähnt.
"Mache Er einen Termin mit ihm aus! Unter vier Augen? Weiß er denn nicht, dass Er immer mit dabei ist? Das sind bereits vier Augen! "
"Offensichtlich nicht, Durchlaucht. Was soll ich ihm jetzt sagen?"
"Nicht erwähnen, einfach nicht erwähnen! Er soll halt kommen, dann kann er sich gleich mal an die Gepflogenheiten hier gewöhnen!"

Er kam bereits am frühen Nachmittag, zum Glück hatte ich mein Entspannungsschläfchen bereits hinter mir, Charles war da sehr darauf bedacht. Na ja, und meine beiden Frauen - meine Frau und meine Tochter - auch. Nur kein Stress, so ist es recht!

"Also, Herr Referent, was gibt es, worum geht es?"
"Bitte sagen Sie doch einfach Karli zu mir, Durchlaucht!"
"Nun denn, wenn Er es wünscht! Aber es bleibt beim "Sie", wir wollen es ja nicht übertreiben! Verstanden?"
"Jawohl, Durchlaucht. Also, ich habe zwei Anliegen. Nur eines davon ist sehr angenehm, das andere...."
"Rede Er nicht drumherum! Wir sind hier nicht beim Fernsehen! Da reden diese sogenannten Journalisten auch über die Kostenexplosion hier bei uns im Land, stundenlanges gegenseitiges Geschwätz, Gebrabbel über irgendwelche Maßnahmen, die man dagegen ergreifen könnte, aber ich weiß danach zum Beispiel immer noch nicht, was eigentlich in unseren Nachbarländern Sache ist! Was ist da los, was machen die eigentlich? Kein Wort erfährt man, ich würde über die Hälfte dieser "Medienschaffenden" sofort entlassen, wegen Unfähigkeit!
Was will der Zuschauer eigentlich wissen? Egal, jetzt ist Er dran! Also?"
"Durchlaucht, ich bitte um die Hand Ihrer Tochter!"
"Hä? Charles!"
"Durchlaucht wünschen?"
"Den Cognac! Subito, mir wird schon ganz schwindelig!"
"Sehr wohl Durchlaucht, ist schon unterwegs!"
"Und bringe Er den Fächer! Luft! Schnell!"

"Es ist meine Medizin, damit Er das versteht, Karli!"
"Selbstverständlich, Durchlaucht!"
"Die beiden Frauen in diesem Haus sind da sehr penibel, sie wollen laufend die Dosis - meine Dosis - reduzieren!"
"Völlig unverständlich, Durchlaucht! Es hilft doch so gut!"
"Sehr vernünftig, diese Einstellung! Sehr vernünftig! Ha, Charles, mein Retter!"
"Doppelt, Durchlaucht."
"Hervorragend, vorausschauend wie immer! Was ist mit Ihm, Karli? Möchte Er auch einen? Er wird ihn brauchen!"
"Nein, danke sehr. Aber wie soll ich das verstehen bitte?"
"Die Hand meiner Tochter? Mein Claudilein! Weiß sie von seinem Begehren, seinem Besuch hier?"
"Nein, Durchlaucht."
"Glaubt Er denn eigentlich, dass sie Ihn heiraten will?"
"Ich hätte nie gewagt, Durchlaucht sonst zu fragen!"
"Nun, und was ist das zweite Anliegen? Lasse Er uns darüber jetzt erst einmal sprechen, bevor Er meine Antwort erhält! Unangenehm, so deutete Er das ja bereits an. Höre Er, das zwickt mich.....ich verliere meine Tochter an einen anderen Mann, das muss erst einmal sacken, verstehe Er mich richtig!"
"Selbstverständlich, Durchlaucht. Also, ganz kurz und prägnant berichtet, ein Freund und Kollege von mir arbeitet in einer anderen Behörde, die sich mit der Regulierung von Erbschaftsangelegenheiten befasst.
Er hat Claudia auch einmal kennengelernt, und damit auch ihren Nachnamen. Und jetzt berichtet er mir, dass sich ein Anspruchsteller auf einen großen Teil Ihres Grundbesitzes gemeldet hat. Er hat intensivste Ahnenforschung betrieben, und sozusagen die Vergangenheit aufgerollt."
"Wie bitte?"
"Dieser Mann ist der letzte und einzige Nachfahre einer weiteren Adelsfamilie, die zu Zeiten Napoleons nur noch aus zwei ganz jungen unverheirateten Brüdern bestand. Beide wurden zum Militärdienst eingezogen, dann kam Waterloo. Der eine starb dort, der andere war nur leicht verwundet, überlebte also und heiratete dann danach weit entfernt. Er kam nie mehr hierhin zurück, gründete eine Familie und daraus existiert in der Folge bis heute jetzt allerdings auch nur noch diese einzige Person. Und dieser Mann stellt nun fest, dass sich Ihre Familie - es handelte sich zur Zeit Napoleons damals nur um einen einzigen Vertreter, der hier lebte - das gesamte Areal, also alle Ländereien, übereignen ließ. In den Wirren der Zeit nach der französischen Besatzung war das irgendwie arrangiert worden, um es mal so auszudrücken. Diese andere Adelsfamilie gab es ja offiziell nicht mehr."
"Der Name?"
"Von Feldstein, soweit ich mich richtig erinnere!"
"Nie gehört! Und jetzt will man meine Latifundien zurück? Die Übertragung vor über zweihundert Jahren war nicht rechtens?"
"Mit Sicherheit nicht, Durchlaucht. Es tut mir leid."
"Charles!"
"Durchlaucht wünschen?"
"Welche Frage! Die Medizin, meine Medizin!"
"Subito, Durchlaucht!"

"So, und dieser Kerl wühlt jetzt in der Vergangenheit herum? Was bedeutet das konkret?"
"Mindestens zwei Drittel Ihres Besitzes, also des Landbesitzes, sind unrechtmäßig erworben worden, Durchlaucht."
"Was kann man tun?"
"Man muss die Familie, Ihre Familie schützen! Dazu bedarf es Verbindungen, juristischem Fingerspitzengefühl, entsprechender hochrangiger Kontakte vielleicht. Soviel ist bereits jetzt laut der Aussage meines Kollegen klar: Der Mann hat recherchiert - und er hat sich bereits festgebissen. Ein schwieriger Fall!"
"Das genügt! Die Hand meiner Tochter sei ihm gewährt! Unsere Familie muss zusammenhalten, er ist darin herzlich willkommen! Nenne Er mich künftig nur noch Hubertus! Alles klar, Karli - Schwiegersohn in spe?"
"Danke, Durchlaucht....äh, Hubertus!"
"Ich muss das erst einmal verarbeiten. Kein Wort davon zu Claudia, ist das klar? Wir müssen das alleine lösen!"
"Alles klar, Schwiegervater! Ich halte dich auf dem laufenden, und ich danke dir nochmals! Für deine und meine Claudia, sie wird sich riesig freuen! Wir melden uns dann nochmal heute abend!"

Er ging, frohen Mutes und beschwingt. Ich hingegen saß, ja ich saß in der Falle.
"Charles, was sagt Er dazu?"
"Eine Katastrophe, Durchlaucht! Nicht für Eure Tochter, im Gegenteil! Die zweite Nachricht - es handelt sich dabei um Euren Vorfahren, der "Blaues Blut" verfasst hat! Der von Napoleons Bruder Jerome, diesem König Lustig, ausgenommen wurde wie eine Weihnachtsgans!"
"Genau! Sackzement, was war da los damals? Und was ist das nun schon wieder, es hat geläutet? Schaue Er nach, wer das jetzt ist!"

"Durchlaucht, ein unangemeldeter Besuch. Der Herr wartet im Foyer. Hier bitte, Durchlaucht!"
Der kleine Silberteller, eine Visitenkarte darauf. Ich nahm sie und las: "Magnus von Feldstein". Nur der Name, sonst nichts.
Diese Luft, diese vermaledeite dünne Luft heute hier! Mein Töchterchen weg, an diesen Kugelblitz von Schwiegersohn in spe. Und dann diese Wühlmaus der Familiengeschichte jetzt direkt danach! Tief durchatmen, Hubertus Moritz von Wackenhorst! Ganz tief jetzt!
"Öffne Er die Fenster, Charles. Und dann sofort herein mit ihm!"
 
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Matula

Mitglied
Also ich würde dem Kugelblitz nicht meine Tochter zur Frau geben, aber Du wirst hoffentlich wissen, was Du tust.

Schöne Grüße,
Matula

PS. Im 4. Absatz müsste es heißen: " ...Ehe immer vorgestellt."
 

Klaus K.

Mitglied
Servus Matula,

vielen Dank, in doppelter Hinsicht! Aber wir beide wissen ja, die unmöglichsten Kerle haben oft die tollsten Frauen - und vice versa!
Mit einem Gruß nach Austria, Klaus
 

Hagen

Mitglied
Hallo Klaus,
wieder mal sind Durchlaucht eine fulminante Geschichte aus der Feder, Pardon, in die Tastatur geflossen!
Allerdings vermisse ich bei Ihro Durchlaucht Bediensteten, bestehend aus der Köchin, der Gärtner, die beiden Reinigungskräfte, den unverzichtbaren 'Silberdiener'! Ebenso sollten die beiden Kellner (Weißweinkellner und Rotweinkellner) unabdingbar zur Verfügung stehen!

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... hoffentlich bleibt Durchlaucht schön fröhlich, gesund und munter, weiterhin positiv motiviert sowie negativ getestet, guten Willens und stets heiteren Gemütes!
Herzlichst
Yours Hagen
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Ich kenne kein Problem, welches man nicht durch Sex, Pizza, Drogen, Erpressung oder Cocktails in Verbindung mit tiefem Nachdenken beheben könnte!
 



 
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