Durchlaucht und der Nachwuchs

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Klaus K.

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Durchlaucht und der Nachwuchs

So, jetzt kam Leben in mein Schlößchen, im wahrsten Sinne des Wortes! Meine Tochter Claudia war da, und sie hatte ihren Sohn, also unseren Enkel, mitgebracht. Ihr Mann Karli, der Herr Referent, war auf einem Fortbildungsseminar seines Ministeriums, mit Übernachtung. Beamte, mehr musste man dazu nicht sagen. Wenn es denn etwas nützt? Und mein Butler Charles war zusammen mit seiner Sabine für ein paar Tage in Bayern zu einer Hochzeit eingeladen worden.

Aber meine Dorothee war schon da - sie hatte sich extra frei genommen, nachdem sich Claudia und der Kleine angekündigt hatten. Der Zwerg war inzwischen knapp ein Jahr alt, daher war für ihn so eine Art Hochsitz angeschafft worden, in dem er nun saß. In der Küche, bei den beiden Frauen. Max! Allein dieser Name hatte mir bereits gefallen, er passte gut zu Wackenhorst.
Ich war begeistert über unseren Nachwuchs, obwohl ich anfangs natürlich nicht so viel mit ihm anfangen konnte. Aber jetzt, jetzt wurde es immer besser! Er saß auf seinem Spezialstuhl und beobachtete seine Mutter und seine fesche Oma, die eine Batterie von Grünzeug, Karotten, Bananen und Äpfeln auf der Arbeitsplatte der Küche bearbeitet hatten. Vollbeschäftigung, zwei Frauen und dazu der Mixer, der unter diesen Umständen nur stöhnen konnte, ach, wenn er doch lieber sprechen könnte! So kreischte und mahlte es nur laut und vernehmlich, also seitens des Mixers.
Ich streckte meinen Kopf durch den Türspalt. Der Kleine sah mich und lachte. Nicht laut, aber deutlich erkennbar. Dann streckte er seinen Arm aus und deutete mit dem Zeigefinger auf mich.
Ich war begeistert! Ja, zumindest für ihn kam Freude auf, wenn er mich sah!
"Hubertus! Unser Enkel muss jetzt etwas essen! Du sollstet ihn nicht ablenken und ziehst dich am besten noch einen Moment zurück, bis er fertig ist! Danach kommt er dann zu dir!"
Der verdammte Mixer war jetzt aus, sein Inhalt kam in einen Topf auf dem Herd und wurde sofort erwärmt. Claudia prüfte die Temperatur laufend mit dem Finger, Dorothee hielt eine Art Fläschchen bereit. Max beobachtete alles ganz interessiert.
Das Fläschchen wurde jetzt befüllt, mit einem Löffel. Meine Frau prüfte dann die Temperatur nochmal mit einem "Wangentest" - man lernt sogar als Mann ja immer noch dazu - und dann...
"So, mein kleiner Schatz! Schau mal, was die Mama und die Oma für ein tolles Fläschchen für dich haben! Hmm, das schmeckt dir bestimmt! Ganz frisch gemacht - und so gesund!"
Das Behältnis war aus Kunststoff und erinnerte mich an eine Schnabeltasse. Dorothee hielt ihm die Öffnung an den Mund, und tatsächlich, er probierte! Beide Frauen waren hocherfreut, und jetzt wurde ihm die Flasche übergeben, die sogar einen Henkel hatte.
"Und jetzt macht Max die Fingerchen hier um den Griff, und dann kann unser großer Junge den leckeren Brei ganz alleine essen! Ja, so ist es richtig!"
Max nahm jetzt die Flasche, schaute sie kurz an und schleuderte sie dann mit einem kräftigen Schwung auf den Boden!
Sensationell! Diese Dynamik in der Bewegung, diese Kraft aus dem Schultergelenk, diese glasklare Entschlossenheit!
Ein echter Wackenhorst! Und die beiden Damen bückten sich jetzt gleichzeitig nach dem verstoßenen Objekt auf dem Boden, stießen dabei aber mit den Köpfen zusammen. Autsch, das tat weh! Ja Max, so ist das! Das elende Personal, man kann es nicht unbeaufsichtigt lassen, sonst gibt es meistens Katastrophen!
Die beiden richteten sich wieder auf. "Puh! Das war heftig! Geht's wieder bei dir, Dorothee? Wie sehe ich aus? Gibt das 'ne Beule?"
"Geht schon wieder...alles in Ordung, Claudia! Aber unser Schatz hat die Nahrung verweigert!"
"Vielleicht solltet ihr es mal mit einem Filetsteak bei ihm versuchen...?" fragte ich bescheiden.
"Papi!" von der Einen.
"Raus!" von der Anderen.

Ich trollte mich ins Wohnzimmer. Zwei Frauen und ein Kleinkind!
Aber profunde Beratung eines Experten war nicht erwünscht.
Ich setzte mich an den Tisch, nicht ohne vorher mein eigenes Fläschchen Seelentröster vorsichtig neben das Sofa zu stellen, dazu den Cognacschwenker mit dünnem Glas auf den Tisch. Einen Zigarillo dazu? In der Seitentasche lag er parat, ich musste mich entspannen.
Geräusche aus der Küche, aber irgendwie klangen die friedlich. Und dann kam meine Frau, Max auf dem Arm.
"So, mein Schatz, jetzt haben wir brav gegessen! Und jetzt freut sich dein Opa auf dich! Hubertus, du bist dran!"
Sie reichte mir den Kleinen in seinem Strampelanzug, er hatte noch ein Lätzchen um, mit einer Micky-Maus drauf.
Ich nahm ihr den Junior ab und setzte ihn neben mich auf das Sofa. Er strahlte mich an. Ja, so gefiel mir das!
"Er muss noch sein Bäuerchen machen! Achte mal darauf!" meinte meine Frau.
"Kein Problem! Er ist bei mir in den besten Händen!"
"Hoffentlich!" Sie ging zurück in die Küche.

So, zwei Männer allein. Sehr gut! Her mit dem Zigarillo! Halt, erst einmal einen Cognac, nach all der Aufregung. Und jetzt "Feuer frei"! Max beobachtete mich genau. Die ersten Rauchwölkchen wurden ausgepustet, natürlich von ihm weg. Dann machte ich einen dicken Kringel und ließ ihn vor ihm durch die Luft fliegen.
Dann eine Handbewegung mit der linken Hand von mir, und - wusch - weg war der Kringel! Der Nachwuchs war höchst interessiert, also folgte sofort die Wiederholung. Und dann ein weiterer Kringel, jetzt ganz nahe an ihm vorbei! Und wahrlich, er streckte sein Ärmchen aus und traf das flüchtige Kunstwerk, löste es in zarte Schwaden auf! Hervorragend! Wackenhorst pur!
Ich hob meinen Enkel an und stellte ihn jetzt zwischen das Sofa und die Tischkante, denn alleine stehen konnte er bereits ganz gut, und so war er noch näher dran für einen weiteren Kringel.
Ich pustete also entsprechend, und mir gelang ein Prachtexemplar. Max reagierte, sein Ärmchen streifte aber dabei meinen Cognacschwenker, der fiel um, der Inhalt ergoss sich auf die Tischplatte, lief in seine Richtung und wurde dann von seinem Lätzchen aufgefangen. Schwupp! Das ging alles blitzschnell, zum Glück war das Glas dabei nicht zerbrochen! Sackzement, meine Frau! Den Zigarillo sofort aus und in den Aschenbecher, der einen Deckel hatte. Gerade noch geschafft!
"Na, da steht ja unser kleiner Mann! Was riecht denn hier so? Hubertus...? Hast du etwa geraucht?"
"Äh..., nur kurz, ich habe ihm etwas gezeigt, mit Rauchkringeln, das hat ihm gefallen! Dabei hat er mein Glas umgestoßen, es ist aber nichts weiter passiert..."
"Das darf doch nicht wahr sein! Du hast geraucht! Der Junge muss das doch nicht jetzt schon aushalten! So viel Unvernunft, das gibt es doch gar nicht! Und was ist das denn? Da riecht doch noch etwas anderes! Komm' mal her mein Schatz!"
So hob den Kleinen jetzt hoch und registrierte dabei sofort das feuchte Lätzchen.
"Klatschnass! Cognac! Bist du von allen guten Geistern verlassen? Hubertus, Max ist nicht einmal ein Jahr alt! Jetzt muß er auch noch die Alkoholdünste einatmen und ertragen! Er bekommt sicher gleich einen Schwips, vielleicht eine Alkoholvergiftung! Dir kann man aber auch gar nichts anvertrauen, am wenigsten unseren Enkel! Kein Wort davon zu Claudia, ist das klar?" Sie nahm dem Kleinen jetzt sein Lätzchen ab, knüllte es zusammen und warf es mir zu. "Bloß weg damit!"
Mit Max auf dem Arm ging sie zurück in die Küche.
"Na, haben wir auch schön unser Bäuerchen gemacht, mein kleiner Engel? Und war der Opa lieb? Ach so, er hat nur Quatsch gemacht! Ja, das wissen wir...!" hörte ich noch.

Kurz darauf kam meine Tochter mit ihm aus der Küche.
"So, Mäxchen, sag' dem Opa gute Nacht! Mach' mal Winke-Winke, jetzt geht's ins Bettchen!"
Mein Enkel ignorierte beide Aufforderungen, lachte mich aber an, als er mich sah! Mir genügte das, Männer unter sich sind halt eine verschworene Gemeinschaft, da reichte ein kurzer Blickkontakt, auf Formalitäten konnte man verzichten. Claudia verschwand jetzt mit ihm auf der Treppe nach oben in Richtung des Gästezimmers.
Ich ging in die Küche. Meine Dorothee räumte noch irgendetwas weg, bemerkte mich aber sofort.
"Na, noch mal Glück gehabt, oder?" meinte sie.
"Ich wollte nur fragen, gibt es vielleicht noch etwas zu essen?"
"Aber ja! Wir hätten hier noch eine leckere Karottencremesuppe, sämig und äußerst gehaltvoll, ganz frisch zubereitet. Danach dann einen Bananenquark mit einem Hauch von frischem Apfelmus, wäre das dem Herrn recht? Das Filetsteak ist leider aus, die Reste davon wurden aber in der Suppe verarbeitet!"
"Äh, ich hatte mehr an etwas Deftiges gedacht, einen "Strammen Max" vielleicht..."
"Der Kleine hat dich also inspiriert, so so...! Strammer Max! Mal sehen, aber verdient hast du das nicht!"
Bevor ich antworten konnte, kam Claudia soeben in die Küche zurück.
"Das gibt es nicht! So etwas habe ich bisher noch nie erlebt! Stellt euch vor, Max ist sofort eingeschlafen! Hingelegt, und weg war er! Das gab's noch nie, bisher musste ich ihm immer etwas leise vorsingen oder etwas erzählen, mindestens eine Viertelstunde lang! Und jetzt, zack, schon war er im Reich der Träume! Sofort! Es ist aber alles in Ordnung, als Mutter weiß und merkt man das! Hat das was mit dir zu tun, Papi? Was hast du mit ihm gemacht?"
Bevor ich antworten konnte, meinte meine Frau: "Claudia, du weißt doch, dein Vater ist genial - aber auch, dass er seine Geheimnisse nicht preisgibt! Möchtest du ein oder zwei Spiegeleier auf dem frischen Bauernbrot mit rohem Schinken, mein Kinder-Einschlafhelfer?"

Na also! Geht doch! Ich sag's doch immer, und immer wieder: Wackenhorst fragen - Wohlbehagen!
 

Matula

Mitglied
Ich habe schon befürchtet, dass Du nach Deiner Einhundertsten die Tastatur über dem Knie zerbrichst. Wie schön, dass der Graf wieder da ist ! Und mit Nachwuchs ! Ich wette, dass der "Spezialstuhl" einen Baldachin mit Wappen hat.

Herzliche Grüße,
Matula
 

Klaus K.

Mitglied
Matula,

Dank, auch für die Idee mit dem Baldachin und dem Wappen! Ich werde die Figur trotz sinkender Zugriffszahlen noch weiter strapazieren, "Durchlaucht" macht mir einfach diebischen Spaß! Böse Zungen behaupten, er sei nur eine Projektion meiner eigenen Person. Weit gefehlt! Ich bin viel schlimmer!
Mit Gruß, Klaus
 



 
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