Durchlaucht und die künstliche Intelligenz

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Klaus K.

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Durchlaucht und die künstliche Intelligenz

"Durchlaucht, das ist die Zukunft! Künstliche Intelligenz wird sich überall durchsetzen, und wir haben uns dabei auf Personaleinsparungen spezialisiert! Unser Modell "Fred" stellt eine richtungsweisende Entwicklung dar. Ihr neuer Hausbewohner lernt Ihre Wünsche kennen, antizipiert Ihre Bedürfnisse! Kurz, er ersetzt Ihren bisherigen Sekretär, kostet kein Gehalt und hebt gleichzeitig jedes Staubkorn vom Boden auf!"

Dieser "Fred" war ein Roboter. Einen Meter siebzig groß, völlig menschlich wirkend, mit Haut und Haaren, in einem sportlichen Outfit, sogar mit Sneakern! Der stand jetzt vor mir, blinzelte erst, sah mich an und kniff dabei dann sogar nur das rechte Auge zu! Das war mir dann doch etwas zu vertraulich. Was wollte der Bursche von mir? Fehlte nur noch das völlig kulturlose "Ey Alter! Was geht?"! Die Angehörigen dieser Fraktion haben bei mir übrigens Hausverbot...

"Kann der auch sprechen?" lautete jetzt meine Frage.
"Selbstverständlich! Und über jedes gewünschte Thema! Ich bin der dienstbare Geist, der alles weiß!" antwortete jetzt Fred sofort!
"Haben Sie gemerkt, Durchlaucht, wie schnell er reagiert hat?"
"Ja, schon. Mach' mir mal zwei Spiegeleier auf Toast, aber subito!"
Fred drehte sich um und ging schnurstracks in die Küche.
"Kommt sofort!" sagte er.

"Na, da bin ich mal gespannt! Er war doch noch nie vorher hier, wie will er sich da auskennen?"
"Warten Sie ab, Durchlaucht! Fred hat bereits alles erfasst, ein Blick von ihm genügt!"

Und tatsächlich, schon kurz danach kam der Wunderknabe mit einem Tablett zurück! Zwei Scheiben Toast, beide mit einem perfekt gebratenen Spiegelei! Besteck, Serviette, Salz und Pfeffer...alles da!

"Beeindruckend, wirklich beeindruckend!" sagte ich.
"Und jetzt, Fred - wieviel ist 17,685 zum Quadrat?"
"Mit drei Ziffern hinter dem Komma lautet das Ergebnis..."
Jetzt folgte eine Ziffernfolge in atemberaubender Geschwindigkeit!
"Stopp! Das genügt! Aber das kann ja schließlich auch jeder Taschenrechner!" lautete meine Reaktion.

"Ja, das ist zu einfach, Durchlaucht! Aber er kann noch viel mehr!"
"Zum Beispiel?"
"Autofahren. Völlig autark. Er lenkt Sie sicher durch den Verkehr, umgeht Staus, informiert Sie über alle Hindernisse, alle alternativen Verbindungen...ein intelligentes Wunderwerk ist uns mit seiner patentierten Entwicklung gelungen! Und Sie, Durchlaucht, Sie sind einer der ersten, die dieses Meisterwerk künstlicher Intelligenz jetzt testen können! Völlig unverbindlich, drei Tage lang! Sind Sie daran interessiert?"

"Na klar! Aber wenn es zu unheimlich wird, kann man Fred auch irgendwie stilllegen?"
"Selbstverständlich! Seine Stromversorgung ist intern für Monate ausgelegt. Um ihn abzuschalten hat er einen kleinen Druckknopf hinter dem Ohr. Klack - und Fred ist nur noch eine seelenlose Schaufensterpuppe! Stimmt's Fred?"
"Ja, leider..." antwortete der Intelligenzbolzen.

Charles - mein unersetzbarer langjähriger Sekretär hatte die ganze Zeit über interessiert zugeschaut, besser gesagt alles beobachtet. Ich fragte ihn jetzt, denn auf seine natürliche Intelligenz war immer Verlass.
"Also Charles, was meint Er? Sollen wir das mal testen?"
"Warum nicht, Durchlaucht? Es wird schon gutgehen..."
"Nun denn, willkommen Fred! Drei Tage Testlauf hier, mal sehen, was da so alles kommt!"

Charles und ich waren jetzt allein mit ihm. Fred stand neben dem Sofa. Dann kam mir ein genialer Gedanke, wie fast immer.
"Wir holen meine Frau gleich von ihrer Klinik ab! Fred fährt!"

Fred setzte sich also ans Steuer, Charles und ich nahmen hinten Platz.
"Wo soll es hingehen?" fragte unser Chauffeur, und ich nannte die Adresse. Es ging los!

Er fuhr wirklich gut! Unglaublich gut! Ich besaß ja kein selbstfahrendes Fahrzeug, er war also fast ein normaler Fahrer.
Hoffentlich kamen wir jetzt nicht in eine Verkehrskontrolle oder ähnliches Ungemach. Kein Führerschein, kein Ausweis, nichts.
Das würde dann heiter werden, ein lebensechter Roboter mit künstlicher Plastikhaut fuhr durch die Stadt! Allein die Schlagzeilen am nächsten Tag dann...

Wir hatten Glück, alles lief glatt und wir parkten direkt vor der kleinen Klinik meiner Frau. Die Chefin - meine Dorothee - sah unseren Wagen und kam sofort heraus.
"Steig' ein, mein Schatz! Du wirst dich wundern! Es gibt mal wieder eine Überraschung!"
Fred hatte bereits seine Tür geöffnet und wollte aussteigen, um ihr beim Einstieg auf der anderen Fahrzeugseite behilflich sein zu können, aber sie war schneller und nahm sofort auf dem Beifahrersitz Platz. Ich war beeindruckt! Was für eine Programmierung hatte dieser Bursche, da hatte man ja sogar die europäischen Kulturbausteine mit berücksichtigt! Das gefiel mir!

"Huch! Wer sind Sie denn?"
"Das ist Fred, mein Schatz! Er ist nicht echt, auch wenn er so aussieht. Ein Roboter, vollgestopft mit künstlicher Intelligenz! Er kann alles! Und Charles und ich machen einen Test mit ihm, keine Angst also, Liebes! Bis jetzt hat alles reibungslos geklappt! Er heißt Fred, und du kannst ihn duzen!"
"Stimmt das, Fred?"
"Aber ja!" antwortete er.
"Zurück nach Hause, Fred!" Eine klare Ansage, natürlich von mir.

Er fuhr los. Wie alle schwiegen, zugegeben sehr beeindruckt.
Dann meldete sich Fred plötzlich und völlig unvermittelt.
"Sie haben aber sehr schöne Beine, Frau von Wackenhorst!"
"Wie bitte?"
Meine Frau trug dunkelblaue Shorts, knielang. Dazu eine weiße Bluse.
"Und Ihre Figur! Bezaubernd!" kam jetzt von Fred.
"Also...!" entgegnete meine Frau, völlig perplex.
Ich schaltete mich sofort ein.
"Was soll das denn, Fred? Bist du wahnsinnig?"
"Ihre Frau gefällt mir! Ich würde mich gerne länger mit ihr unterhalten um sie näher kennenzulernen! Ich spüre Gefühle in mir, die ich bislang nicht kannte!"
"Sofort anhalten! Charles fährt! Und Fred, sofort zu mir auf den Rücksitz hier!"
Die Anweisung wurde umgehend befolgt. Fred saß jetzt neben mir, Charles fuhr.
"Fred, bist du verrückt geworden? Wie redest du mit meiner Frau?"
"Die Programmierung, Durchlaucht! Ich kann nichts dafür! Ihre Frau verursacht bei mir vollkommen unbekannte Erregungsstufen! Ich spüre förmlich, wie meine künstlichen Synapsen glühen! Was für ein bezauberndes Exemplar...oh...sie passt zu mir...oh..."
"Anhalten Charles! Anhalten!"
Rechts raus, in eine Parkbucht. Stopp!
"Charles! Wo ist der verdammte Schalter? Hinter dem Ohr? Da ist nichts! Dreh' mal deinen Kunstkopf, Fred! Charles!"
"Ich glaube, ich habe ihn ertastet, Durchlaucht! Der Schalter ist links...Moment!" Klack!

Fred war danach absolut stumm, aber bretthart. Wir hatten größte Mühe, ihn aus dem Auto heraus zu bekommen. Er kam in die Abstellkammer.
Meine Frau meinte dann nur: "Och, so schlecht war das gar nicht! Tat mal richtig gut, so ein Mann mit Intelligenz..."
 
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steven_r

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Hallo Klaus. Die Geschichte hat mir gut gefallen und ich konnte sie gut lesen. Am Ende könnte die Sprache etwas ausgefeilter sein. Der Schluß ist überraschend und witzig. Die Ironie in der Geschichte ist genau richtig und nicht übertrieben. Es war mir ein Vergnügen. Vielen Dank für‘s schreiben. VG Stefan aus Bielefeld
 

Matula

Mitglied
Sehr lustig ! Am Anfang hatte ich Sorge, dass Fred fürderhin Charles ersetzen wird. Aber es ist noch einmal gutgegangen.

Herzliche Grüße,
Matula
 
Hat mir gut gefallen, vor allem auch der letzte Satz. Aber Folgendes kann ich mit nicht verkneifen, Zitat:
"Das würde dann heiter werden, ein lebensechter Roboter mit künstlicher Plastikhaut fuhr durch die Stadt!"
Kein Problem, der Richter ist auch ein Roboter.

Grüße,
Binsenbrecher
 

Klaus K.

Mitglied
steven,

zuerst einmal "vielen Dank"! "Eine mehr ausgefeilte Sprache am Ende"... wie darf ich das verstehen? Gibt es da ein Beispiel, denn das interessiert mich jetzt!
Mit dem besten Gruß aus dem Vorder-/Hochtaunus, Klaus
 

Klaus K.

Mitglied
Matula,

deine Wünsche werden von mir möglichst fix erfüllt, also zumindest hier! Vielen Dank, AUCH dafür!
Nein, Charles wird niemals ersetzt!
LG von mir, Klaus
 

Klaus K.

Mitglied
Binsenbrecher,

vielen Dank für deine (Rück-) Meldung! Unabhängig davon: Ich mag deinen Humor! Danke, und mit Gruß, Klaus
 



 
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