Durchlaucht und die subtile Macht der Frauen

Klaus K.

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Durchlaucht und die subtile Macht der Frauen

So, die Sache mit dem fehlenden Dreieck bei meinem Test hatte ich dann noch ausräumen können. Man muss ja nicht immer vorher alles zeichnen, was man so zu bieten hat. Test bestanden.

Meine Frau war danach zum Friseur gefahren, ich war allein und erspähte jetzt durch einen offenstehenden Spalt in der Küchentür Charles, meinen Butler. Eigentlich ist er ja mehr der Verwalter für alles, aber das ist jetzt nicht wichtig. Das war Charles, eindeutig, der aus seiner Wohnung oben heruntergekommen war. Aber da war noch jemand! Ich hörte die Stimme, und die kannte ich auch. Frau Berkoff, unsere sensationell gute Seele, die morgens und mittags für unser leibliches Wohl sorgte. Ein wirklich ausgesprochen hübsches weibliches Wesen, Mitte vierzig, verwitwet und kinderlos, und eine Hauswirtschafterin und Kochexpertin par excellence!

Ich saß auf dem Sofa, die Zeitung mit den Börsennachrichten vor mir. Und ich gestehe, ich konnte nichts dafür, aber jetzt hörte ich nolens-volens alles mit! Alles!

"Sabine, ich habe dir auch etwas mitgebracht!"
"Charles, danke! Was ist es denn?"
"Mach es auf, denn ich bin ebenfalls gespannt, ob ich deinen Geschmack getroffen habe!"

Geraschel von Papier. Dann Stille.
"Charles! Das gibts doch nicht! Bist du verrückt!?"
"Gefällt er dir? Probier ihn mal an!"
"Der passt genau! Am Ringfinger rechts! Was für ein Zufall!"

Bei Charles gibt es keine Zufälle. Er lotet vorher alles aus. Wie er das mit der richtigen Größe des Ringes hinbekommen hatte, das bleibt allerdings sein Geheimnis.

"Gefällt er dir?"
"Bist du verrückt? Ist das etwa ein Diamant?"
"Na ja, ein kleinerer halt...."
"Da steht auf dem beiliegenden Zettel was! Moment!"
"Lies halt ..."
"Für Sabine von Charles!"
"Mehr fiel mir im Augenblick nicht ein ..."
"Oh, Charles! Danke!"

Geräusche jetzt, die ich selber nur zu gut kannte. Es hat etwas mit Arme-um-den-Hals, und mit dann darauf leicht schmatzenden Tönen zu tun. Zweimal, um genau zu sein. Irgendwie links und rechts vielleicht. Frauenpower eben. Klingt so. Na ja, nicht immer, ab und zu halt.

"Charles, was ist? Ist dir nicht gut?"
"Ich muss mich mal kurz setzen, Sabinchen!"
"Sabinchen? So bin ich seit 30 Jahren nicht mehr genannt worden! Wie lieb! Möchtest du ein Glas Wasser, Charles? Geht es jetzt wieder?"
"Ich hab Angst!"
"Wovor? Wovor hast du denn Angst - du doch nicht!"
"Ich muss dir was sagen, davor habe ich Angst!"
"Sag es einfach! Es muss raus aus dir! Dann ist die Angst weg!"
"Morgen vielleicht....vielleicht wäre das dann einfacher...."

Seine Stimme war jetzt erkennbar leiser geworden. So hatte ich ihn noch nie erlebt, in knapp zehn gemeinsamen Jahren nicht! Ich sah ihn nicht, aber er wirkte jetzt wie ein Häufchen Elend auf mich.
Was war nur mit ihm los? Sollte ich mich einschalten, einen Arzt rufen? Nein! Frau Berkoff machte einen sehr souveränen, gefassten Eindruck. Sie war eine Frau, die diese Situation wesentlich besser beurteilen konnte. Und jetzt war sie fast am Ziel und fasste raffiniert-argumentativ nach. Sie ahnte alles bereits vorher, aber der Beweis fehlte noch. Das Opfer hatte sozusagen keine Chance mehr, denn:

"Charles, sag es jetzt! Das Gift muss raus, raus aus dir!"
"Gift? Das ist gut, das ist wirklich gut! Sabine, ich liebe dich!"

Totenstille. Mir wurde die gesamte Situation jetzt doch äußerst peinlich.
Ein belauschender Spion im Wohnzimmer, das musste nicht sein!
Das gehörte sich nicht, schnell weg!
Ich stand ganz leise auf und wollte mich gerade in Richtung unseres Arbeitszimmers davonschleichen, ganz leise, und für irgendetwas mussten die verdammten Perserteppiche ja gut sein, als......als ich plötzlich einen Knall aus der Küche hörte! Peng!
Da war etwas umgefallen!
"Ich dich doch auch! Oh, mein Charles! Hast du dir wehgetan, mein Allerliebster! Oh, du machst mich so glücklich ....."

Stöhnen jetzt, von ihm. Ich musste sofort eingreifen!
Ab in die Küche, da konnte ja sonst was passiert sein!
Ich öffnete die Tür.
Frau Berkoff stand über ihn gebeugt, denn er war mit seinem Stuhl umgefallen, offensichtlich eine Folge eines spontanen Stoßes, als sie ihn umarmen wollte, denn ihre rechte Hand befand sich noch hinter seinem Hals und er hielt ihre linke Hand fest, auf dem Rücken liegend wie ein Maikäfer!
"Kann ich helfen? Ist etwas passiert?"
"Es geht schon Durchlaucht, vielen Dank! Ich....äh, ja ich bin ausgerutscht, mehr nicht....Frau Berkoff ist so freundlich und hilft mir auf..."
"Sie haben sich aber nichts gebrochen, oder? Frau Berkoff, was meinen Sie? Ist er ok? Oder sollen die Rettungssanitäter sicherheitshalber nicht doch lieber kommen?"

Sie hatte sich von ihm gelöst und stand jetzt vor mir, allerdings mit hochrotem Kopf. Die Situation war ihr sichtlich peinlich.
"Es scheint so...es sieht nicht so aus...ich weiß nicht...."
Sie war völlig durcheinander, so hatte ich sie noch nie erlebt.
Charles rappelte sich auf und sprang jetzt sofort ein.

"Durchlaucht! Ich bitte, das Durcheinander zu entschuldigen!
Darf ich Durchlaucht die Verlobung mit dieser Dame meines Herzens bekanntgeben? Ich hatte sie sozusagen damit überfallen, und mein Sabinchen hat mir zu verstehen gegeben, dass sie damit einverstanden ist. Dadurch geriet nicht nur dieser Küchenstuhl in Wallung!"
"Verlobung? Herzlichen Glückwunsch, an Sie beide! Das muss gefeiert werden! Jetzt sofort, großartige Momente erfordern entsprechenden Respekt, und zwar unverzüglich! Und Sie setzten sich bitte sofort ins Wohnzimmer!
Ich hole den Champagner, ich hole die Gläser! Sie machen nichts! Sie sind die Hauptpersonen hier! Oh, Frau Berkoff, wie mich das für Sie beide freut! Hören Sie, da kommt soeben meine Frau zurück! Moment bitte....!"
Ich ging zum Eingang, wo jetzt meine Dorothee eingetreten war, zurück vom Friseur.
"Ha, die kleine Maus! Zurück im heimischen Haus! Gut schaut sie aus, zwei Zentimeter kürzer die Haare nur, kaum ist sie wieder da, schon ertönt mein Liebesschwur!"
"Hubertus! Hast du getrunken? Was ist los?"
Ich griff zu! Der rechte Arm um ihre Hüfte, mein linker Arm dann hinter ihre beiden Kniekehlen, schwupps, schon hatte ich sie!
Ich hob sie an, das war leicht, 58 Kilo bezaubernde Weiblichkeit fest im Griff, ein echtes Wackenhorst Paradestück, dieser Kunstgriff!
Wackenhorst kann auch Kür, nicht nur Pflicht!

"Hubertus! Was ist los? Was soll das?"
"Einen kleinen Moment nur bitte....bleib ganz ruhig, Liebes!"
Kein Protest, keine Gegenwehr diesmal, welch Wunder! Eine neue Strategie? Versteh einer die Frauen!
Ich trug sie die paar Schritte ins Wohnzimmer, der Perserteppich musste noch einmal ran, er nahte, Schritte dämpfend, für schwebenden Gang sorgend, einladend, betreten zu werden.
Aber die Frischverlobten sahen mich bereits, hatten mich mit meiner reizenden Fracht schon erspäht. Meine Frau in meinen Armen verhielt sich unverändert völlig ruhig, sicher versuchte sie bereits, irgendein Proseminar aus ihrem Studium zu rekapitulieren, in welchem es um das richtige Verhalten mit völlig durchgedrehten Männern ging.....egal!
"Dorothee, mein Schatz, stell dir vor, Charles und Frau Berkoff haben sich gerade eben verlobt! Wir feiern das jetzt! Und so, mein hochverehrter Charles, so werden auch Sie dann mal ihre Braut über die Schwelle tragen!" Charles drehte mir auf dem kleineren Sofa sitzend den Rücken zu und wendete sich soeben um.

Der verdammte Perserteppich hatte irgendetwas gegen mich, seine elende Kante, ich stolperte, konnte mein bezauberndes kleines Paket gerade noch sicher auf das Sofa bugsieren, bevor ich der Länge nach....Es ging alles so schnell!

Bodenkontakt, Wackenhorst! Wackenhorst an Ground Control, viel Schmerz! Zwei Frauen, eine Beule von der Ecke des Wohnzimmertisches, ein altes Erbstück aus dem familiären Nachlass. Ich lauschte erneut den Worten, die ich jetzt vernahm, allerdings im Gegensatz zu vorhin jetzt leicht benommen.
"Ihr Mann meint es einfach zu gut! Gut, dass nichts Gravierendes passiert ist! Ich hole das Verbandszeug! Charles lag vorhin auch bereits am Boden in der Küche! Ich glaube, die Männer fallen bei uns inzwischen einfach zu leicht um.....!"
 



 
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