Durchlaucht wird promoviert

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Klaus K.

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Durchlaucht wird promoviert

Ha, endlich! Meine tiefsinnigen Beiträge haben dazu geführt, dass die Universität in B. aus U. mir jetzt die Doktorwürde verleihen will!
Wohlverdient, denn ich erfülle ja alle Voraussetzungen dafür.
Das Schreiben vom Dekan erreichte mich vorgestern, was für ein Tag! "Honoris Causa", ehrenhalber, weitere Informationen dazu dann in den nächsten Tagen! Wurde auch Zeit, was meinen Sie? Und ich muss dafür nicht einmal irgendeinen Unsinn zusammenschreiben, denn darum handelt es sich ja meistens.
Promoviert wird nach persönlicher Beziehungsebene zum jeweiligen Lehrstuhlinhaber, das ist bekannt. Der größte Müll geht dann anstandslos durch, die begleitenden "Tutoren" haben meistens nichts zu melden, wenn der Herr oder die Frau Professor sein oder ihr "Placet" bereits gegeben haben. Ja, das große Latinum ist dafür "conditio sine qua non", war es zumindest immer. Heutzutage ist selbst das aber bei den Betroffenen unbekannt, da wird deshalb auch liebend gerne darauf verzichtet. Das diesbezügliche Defizit schlägt bei den meisten der Titelträger aber dann schnell durch, wenn man sie mal persönlich kennenlernt. Es trennt sozusagen die Spreu vom Weizen.

Mein Gott, was ist das oft für eine dünne Decke! Eine Dissertation über das verwendete Tafelporzellan einer Kreuzfahrtgesellschaft aus den dreißiger Jahren, das ist doch auch ein Thema, welches für die Allgemeinheit spannend ist, nicht wahr? Dass das Heftchen dann insgesamt von nur fünf Personen überhaupt jemals gelesen wurde, wohl nie mehr gelesen werden wird, das steht auf einem anderen Blatt. Oder man nehme meinen Schwager von der medizinischen Fakultät in H. Vier Studenten, ein gemeinsames Thema. Mein Schwager war wenigstens ehrlich. "Ich bin derjenige in unserer Gruppe, der die Sache tippt. Das war's."
Von wegen, "These", Begründung und so weiter. Er ist selbstverständlich Arzt geworden. Am Universitätsklinikum in H.

Lehrstuhlinhaber sind ganz erpicht darauf, möglichst viele Doktoranden und Doktorandinnen durchzubringen. Da herrscht untereinander ein Wettbewerb, wer produziert die meisten Kandidaten?
Und daraus resultiert dann die inflationäre Tendenz der Titel bei den so Beglückten, wobei aber ganz offenbar bei der Verleihung vergessen wurde darauf hinzuweisen: "Es handelt sich nicht um einen Namensbestandteil. Der Titel ist nur ein akademischer Grad." Das allerdings sollte bereits auch ohne "Latinum" begriffen werden, denn wenn der Herr "Dr. Müller" ablebt, dann bleibt für die Hinterliebenen nur der Name "Müller" übrig. Es gibt noch weitere juristische Begründungen, aber diese eine hier genügt schon. Nein, der "Dr." ist kein Bestandteil des Namens, war es auch nie. Es gibt also auch keine Veranlassung und schon gar kein "Recht", so entsprechend angesprochen zu werden. Porzellan auf Kreuzfahrtschiffen? Oder Käferlein aus Südamerika, die nachts auch rückwärts fliegen können? Doktortitel für jeden Bedarf, oft ist es allein der Nachweis, dass der Schreiberling einer Dissertation ein paar Seiten halbwegs fehlerfrei zusammmenstellen konnte. Und von wegen "Rigorosum", also die Veranstaltung, bei der man seine zusammengehämmerte "These" dann verteidigen musste. "These"? "Verteidigen"? Etwas völlig Neues, etwas, was die Welt und Nachwelt wertschätzen konnte? Fünf Leser gab es, maximal?

Was es alles gibt, das gibt es normalerweise nur in Absurdistan.

Auf besonderen Antrag konnte der "Titel" dann auch in den Personalausweis eingetragen werden. Das ist Arbeitsbeschaffung, das ist Existenzberechtigung für die ausstellende Behörde, sonst nichts. De Jure ist es eben kein Bestandteil des Namens, das ist dort natürlich auch bekannt, ein Eintrag ist ein Verwaltungs-Relikt aus längst vergangener Zeit. Das Tor zur absoluten Eitelkeit, damit man bei der nächsten Polizeikontrolle auch "richtig" angesprochen wird. Das Grinsen der mit dem Eintrag befassten Verwaltungsleute muss man einfach mal live erlebt haben!

Tja, bei mir ist das natürlich etwas anderes! "Ehrenhalber", ja, das passt! Endlich werden und wurden meine Fähigkeiten erkannt! Und eine Doktorarbeit braucht es dafür nicht, man hat ja bereits genug von mir lesen dürfen, im Gegensatz zu den Helden und Heldinnen, von denen man noch niemals etwas lesenswertes vor die Augen bekam und zum Glück für die Verfasser wahrscheinlich auch nie jemals etwas erfahren würde. Und dies bestimmt nicht aus mangelndem Verständnis, denn "akademisch wertvoll" und "akademisch gegebenenfalls noch vertretbar", das sind zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte. "Völlig nutzlos" trifft es meistens eher, speziell wenn es sich nicht um reine Naturwissenschaften oder Mathematik handelt. "Rite" ist dabei in der Benotung auch Latein und bedeutet "gerade so genügend".
Die niedrigste Bewertung übrigens. Im Prinzip also "für die Tonne". Aber meistens kommen die Prüflinge mit einem "cum laude" in einer der drei Varianten davon als Note aus dem Verfahren heraus. Der Lehrkörper will sich ja auch keine Blöße geben, welche Pfeifen er oder sie da durchgeschleust hat.


Die Titel-Inflation ist eine einzige Lachnummer. Jeder Zahnklempner rennt damit herum. Wieviel Zahnärzte gibt es aktuell in Deutschland? Man gehe jetzt einmal nur die letzten 30 Jahre zurück. Wieviel Zahnärzte gab es denn dann hier bislang? Quasi analog dazu dann die Anzahl der "Doktorarbeiten". Für 32 Zähne?
Bei der Addition wird man schwindelig. Jetzt ganz Europa dazu, dann USA usw. Für 32 Zähne! Millionen Erkenntnisse also, nur allein in 30 Jahren. Für 32 Zähne! Merkt man eigentlich nichts?

"Ihro Durchlaucht, die Post!"
Mein Butler Charles.
"Her damit, beeile Er sich!"
So, ein großer Umschlag, wieder edles Papier. Von der Universität! Zack, schnell aufreißen am Falz, ob das schon meine Urkunde war?
Hä, was war das denn? Was stand da?

"Nach Zahlungseingang von 54.300 Euro auf das untenstehende Konto freuen wir uns, Sie in die Liste unserer Förderer aufnehmen zu können. Ihre Ehrendoktorwürde mit der Urkunde unserer Universität wird Ihnen dann umgehend zugestellt. Selbstverständlich kann auf Wunsch die Verleihung auch vor Ort hier bei uns erfolgen."
 
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Klaus K.

Mitglied
Servus Matula,

und vielen Dank! Ja, man muss die Mosaiksteinchen nur leicht anheben, dann sieht man, was aus dem Land der "Dichter und Denker" geworden ist.
Mit Gruß, auch an mein verehrtes "Felix Austria", aus der Nähe von Frankfurt am Main, Klaus
 

Hagen

Mitglied
Hallo Klaus,
genauso sieht's aus!
Das bezieht sch nicht nur
auf Literartur,
sondern auch auf Druckkostenzuschussverlage.
Gerne gelesen und mir den Tag gerettet.

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter, weiterhin positiv motiviert sowie negativ getestet, guten Willens, moralisch einwandfrei und stets heiteren Gemütes!
Herzlichst
Yours Hagen
 



 
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