Ebenen eines Traums I

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Max Neumann

Mitglied
vor jahrhunderten stahlen götter den vögeln flügel
ein erdentag dauert genau 86,400.002 sekunden
kinder bevölkern den verstand dieser verse
verspielt und gefühllos zählen sie den tag ab

tage kommen und gehen, sie schweben durch unsere leben
ich schrieb über die ebenen eines traumes und träumte von sex
die ruinen alter gedichte sind silber, blau und rot
reste der gedanken eines tages, codiert und begreifbar

es ist nicht weise, während des einatmens auszuatmen
es ist nicht weise, auf gleichgültige zu vertrauen
es ist seltsam, das wort "weise" für "klug" zu verwenden
menschen dunkler hautfarbe können sich ausgeschlossen fühlen

das deutsche wort "weiß" kommt dem "weise" sehr nahe
erkläre mir den ursprung dieses worts, ich verlange es
bevor die flüsse mich schlucken; ich verlange antworten
gedichte kommen und gehen, hinterlasse eine spur – einen wandel

narren fluten die straßen, um einen fünfuhr-tee zu trinken
stolz sprechen sie von alten helden, den weißbärtigen eroberern
diese atzen wollten eh nie "fremde" akzeptieren; sie murksten die ab
sie brachten die unbekannten einfach um, sie erstachen meine träume

sie töteten vorfahren, weil sie ans töten gewohnt waren
sie erfanden worte ohne zu sprechen und grinsten dabei
macht ist ein unsichtbares instrument, aus hierarchien gemacht
macht ist, was wir sehen und übersehen, ursprung von kriegen

kriege sind der ursprung von verzweiflung; das ist nichts neues
kriege können jedoch unsichtbar und still geschehen, einzig im kopf
was ist ein krieg, benötigt er bomben, gewehre und soldaten?
täglich geschehen kriege, innerhalb von 86,400.002 sekunden

die länge eines tages wird in nummern gemessen; die sind erfindungen
nummern sind menschengemacht, tiere orientieren sich an sternen
menschen feiern den mond und schreiben gedichte über ihn
wir werden bestehen, solange wir weiterschreiben und uns wertschätzen


 
G

Gelöschtes Mitglied 21492

Gast
Also wenn du um die Herkunft eines Wortes wissen willst, kannst du einfach nach dessen Etymologie gucken. :))
Für mich liest sich das Gedicht politisch, ist nicht unbedingt, was ich mir noch mal durchlesen würde. Dennoch, bin immer wieder überrascht wie stark frequentiert hier geschrieben wird. Und wie viel Neues getestet. Schon spannend.
Die einzige Sache, die etwas schade ist für jeden, der sich ein bisschen mit Musik auseinandersetzt, ist der Hans Zimmer Einschub. Naja, Gruß!
 

Max Neumann

Mitglied
Danke für deinen Kommentar; das DWDS und andere etymologische Quellen kenne ich natürlich, das lyrische Ich hingegen nicht; und demzufolge verlangt es eine Antwort; was die politische Komponente anbelangt, sie ist intendiert, ich bin kein Fan von bspw. LIebesgedichten, für mich zählt, durch Lyrik eine Veränderung zu bewirken, gleichsam metaphorisch zu schreiben und somit verschiedene Layers, eine Vielschichtigkeit innerhalb eines Gedichtes zu erzeugen.

Deine Ehrlichkeit ist entwaffnend, das ist interessant, die englischsprachigen Seiten (vorwiegend Allpoetry) auf denen ich in Englisch veröffentliche und Preise dafür gewonnen habe, sind gut besucht von Kritikern, die versuchen, in einem Gedicht mehrere Ebenen zu entdecken und in ihrer Kritik entsprechend Gefallendes und Kritikwürdiges herauszuarbeiten.

Was den Musikgeschmack anbelangt: Nun, der unterscheidet sich fundamental von Hörer zu Hörer, dazu muss man weder Musikwissenschaftler sein noch sich damit "auseinandersetzen", sondern einzig und allein hörende Ohren haben.

Liebe Grüße
Mikey a.k.a. Tissop
 
G

Gelöschtes Mitglied 21492

Gast
Ah, verstehe. Ja, ich mag Zweckkunst nicht, da verliert sie ihren Selbstzweck.

Das ist witzig, man hat im 19JH noch zum höflichen Lügen "Englisch sprechen" gesagt. :D
Nicht dass das unbedingt zutrifft, musste ich nur dran denken. "Mehrere Ebenen entdecken" klingt für mich nach Euphemismus dafür, jemand beugsames nicht durch ein hartes Urteil zu verschrecken. Auch seltsam, sofort die Gelegenheit zu nutzen, um von Preisen zu berichten. Da sind wir aber denke ich alle gefährdet, das Herumeiteln.

Ich finde, dass man sich generell dazu verpflichtet fühlen sollte, einer Kunst, wie der Musik, auch zurückzugeben, wenn man diese schon mindestens wöchentlich "konsumiert". Ich habe da so ein seltsames Gewissen, das es nicht leiden kann, nur zu betrachten/ zu hören/ zu lesen.
Hans Zimmer ist unter Komponisten immer eine Beleidigung, so etwas wie der Mc Donald's der Musik. Aber gut, ich sehe ein, dass das nicht zur allgemeinen Perspektive werden kann, es schmerzt nur immer wieder zu lesen. Aha, siehst du, jetzt habe ich auch noch etwas herumgeeitelt. In einem, nichts für ungut, ich wollte das nur nicht unbeantwortet lassen. Vielleicht weil ich heute ein bisschen zu viel Zeit habe. :)
Gruß!
 

Max Neumann

Mitglied
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit des Protektionismus und vor allem eines gefährlich-populistischen Nationalismus, der mitunter die Basis für den Wahlerfolg der Nationalsozialisten lieferte. Gott sei dank ist diese Zeit vorbei. Wünschst du dir sie zurück?

Dass im Mai 2020 ein solch begabter und toller Komponist wie Hans Zimmer, der im Übrigen jüdisch ist, als "Mc Donalds der Musik" tituliert und abgewertet wird, offenbart mir, an dieser Stelle unsere Unterhaltung zu beenden.

Vielleicht nur noch eins: Hans Zimmer ist dermaßen erfolgreich, ich glaube, er hätte genügend Selbstbewusstsein, über eine solche Bezeichnung gütig zu lächeln; denn sie spricht nicht für ihn, sondern für jene, die sie äußern.
 
G

Gelöschtes Mitglied 21492

Gast
Mh, nein, ich wüsste nicht, wo ich das angedeutet hätte?
Was soll denn diese unangebrachte Phillisterei?

Nja, du kannst dich ja mal etwas mit Musiktheorie beschäftigen und dann diesen Kommentar von dir dort noch mal lesen. Mir liegt nicht daran, hier persönlich zu werden. :)
Gruß!
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Max Neumann

Mitglied
Wenn du nicht persönlich werden möchtest, dann tarne deinen Angriff nicht hinter einem Fremdwort: Philisterei heißt "Spießbürgertum" bzw. "Kleinbürgertum", aber ich finde, dass es eher kleinbürgerlich ist, den Talentierten als "Mc Donald's der Musik" zu bezeichnen; es ist nicht bloß kleinbürgerlich, sondern schlimmer; es impliziert den Anspruch auf eine so genannte "Hochkultur" aufgrund seines selektiven Charakters.

Interessant finde ich auch, dass du zuerst deine Annahme als Tatsache darstellst: "Nja, du kannst dich ja mal etwas mit Musiktheorie beschäftigen ".

Du kennst mich doch gar nicht und weißt auch nicht, ob ich studiert habe oder nicht, ob ich musikwissenschaftliche Schriften las oder nicht...

Wenn mich in der Uni eines beeindruckt hat, dann das: Dass Wissenschaft -- gleich welches Fachgebiet -- Fragen stellen möge, anstatt unentwegt Thesen aufzustellen.

Stichwort Germanistik: "Was ist Literatur?"

Mir graust es, wenn du meine Dozentin gewesen wärst -- vermutlich hättest du nicht gefragt, sondern gesagt: "Literatur ist", genau wie du einen Anspruch darauf erhebst, was (gute) Musik sei und was nicht.

So kommen wir nicht weiter; sorry to say ;-)
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Tissop,

die ersten beiden Strophen für sich wären ein beeindruckendes Gedicht.
Danach kommt mir zu oft der erhobene Zeigefinger. Es ist immer das Problem an politischen Gedichten, dass man zu moralisch wird und dann natürlich automatisch die eigene Moral voranstellt.

Zu Hans Zimmer:
Man kann sich wirklich über ihn streiten. Aber dieses Lied ist aus dem Film "Der schmale Grat" und dieser Film erreicht durch die Musik von Hans Zimmer eine fast schon erschreckende Intensität.

Liebe Grüße
Manfred
 

Max Neumann

Mitglied
Lieber Manfred,

ja, das stimmt schon; aber manchmal, so ergeht es mir zumindest, muss man sich entscheiden für das eine oder das andere. Wobei ich gestehen muss, dass ich nun, nachdem du vom "erhobenen Zeigefinger" schreibst, die Wörter "Es ist nicht weise" in den ersten beiden Zeilen der dritten Strophe ändern werde. Das wird bald folgen.

Ansonsten werde ich zunächst abwarten, was noch so an Kritik kommt.

Vielen Dank für die Erfrischung meines Blicks auf den Text :)

Liebe Grüße
Mikey a.k.a. Tissop
 



 
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