echosee

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ENachtigall

Mitglied
echosee


abrupt zerreißt das mollige gewöll
der traum der schrei der eistaucher
am see der echo heißt

steht am wässrigen saum ein baum
trägt keinen ast kein blatt keine krone
auf seinem haupt nur ein nest

turbanesk dieses hüten
wissen dass nichts das selbstverständlich
scheint bleibt nicht die anmut des wassers

nicht die wiederkehr des lichtes am morgen
nicht der berg der berg der berg
auf den es fällt falls es fällt

einst fraßen die flammen das hölzerne
fleisch von den hageren hängen
heute tragen sie dein gesicht gestern

die versteinerten züge
bringen nichts und niemanden mehr
fort von diesem ort den feuerkraut umflort

schweigend trinken am nachmittag
die elchkuh ihr kalb
die jungen adler recken die weißen köpfe

aus dem nest stimmgewaltiges zetern
nach mutter futter fliegen lernen
bald sind sie über den berg



© elke nachtigall 2010


eistaucherschrei
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Elke,

trotz des Titels könnte vielleicht

nicht der berg [blue]das[/blue] berg der berg
eine interessante Variation sein.

In Z2 verwirrt mich "der traum". Nach der ersten Zeile hätte ich "den traum" oder "des traums" erwartet.

Schöne Bilder!

lG

Herbert
 

ENachtigall

Mitglied
Danke, Herbert,

geniale Idee, mit dem "das berg", die ich sehr gerne sofort umsetzte.
In Z2: da ist die Aufzählung gewollt, gerade wegen des zerrupft wirkenden Klanggefüges. Vielen Dank für Deinen Kommentar und liebe Grüße,

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
echosee


abrupt zerreißt das mollige gewöll
der traum der schrei der eistaucher
am see der echo heißt

steht am wässrigen saum ein baum
trägt keinen ast kein blatt keine krone
auf seinem haupt nur ein nest

turbanesk dieses hüten
wissen dass nichts das selbstverständlich
scheint bleibt nicht die anmut des wassers

nicht die wiederkehr des lichtes am morgen
nicht der berg das berg der berg
auf den es fällt falls es fällt

einst fraßen die flammen das hölzerne
fleisch von den hageren hängen
heute tragen sie dein gesicht gestern

die versteinerten züge
bringen nichts und niemanden mehr
fort von diesem ort den feuerkraut umflort

schweigend trinken am nachmittag
die elchkuh ihr kalb
die jungen adler recken die weißen köpfe

aus dem nest stimmgewaltiges zetern
nach mutter futter fliegen lernen
bald sind sie über den berg



© elke nachtigall 2010


eistaucherschrei
 

revilo

Mitglied
Ein sperriger, nicht gerade anschmiegsamer Text, der durch einen interessanten Satzbau auffällt...........die Sprache verweigert sich hier fast, scheint zu fliehen und zu trotzen..........was nicht so recht passen will, ist die Zeile mit der Elchkuh...........schwirrt ein wenig im Orbit herum und findet keinen Landeplatz....auf jeden Fall einer der außergewöhnlichtsten Texte, die ich seit langem in der LL las.........LG von revilo
 

Nachtigall

Mitglied
Mir gefällt dieser Text weil er ungewöhnlich in Bildern und Sprache ist. Er drückt für mich etwas ganz Besonderes aus, etwas beeindruckend Schönes und Ganzes.

Liebe Grüße
Alma Marie
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo revilo,

schön, dass Du dieses Gedicht besuchst und Dich von der Sperrigkeit nicht abhalten lässt, es zu kommentieren!
was nicht so recht passen will, ist die Zeile mit der Elchkuh...........schwirrt ein wenig im Orbit herum und findet keinen Landeplatz
Der Elchkuh hat hier die Rolle einer zugegebenermaßen rein vorstellungstechnisch eher schwergewichtigen Statistin. Und das noch im doppelten Terminus (Elch&Kuh). Wäre Elchin besser? Nein, im Ernst: sie ist absolut bodenständig und versucht an der Stelle das Gedicht wieder zu erden. Die Normalität des Ortes ist geprägt von den dort heimischen Tieren, Geräuschen, dem Licht, der Stille. Die Bergpassage ist ein "fiktiver Abweg" aus der sonst eher naturalistischen Grundstimmung.
So erkenne ich es im Nachhinein. Ob es für den Leser so funktioniert, ist eine ganz andere Sache. Deshalb finde ich Deinen Hinweis so wertvoll. Zunächst möchte es aber so lassen.
Die Sprache ist vielleicht deshalb so wie sie ist, weil sie nach einer längeren Schweigepause sich neu organisiert. So hat sie die Chance, neue Wege zu gehen und nicht immer wieder in den eingefahrenen Spuren zu laufen, die wir einmal gelegt haben.

Herzliche Sonntagsgrüße,

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe Alma Maria,

hab Dank für Deinen Zuspruch! Ich habe wirklich lange daran "gebrütet"; es zunächst als Prosaminiatur verfasst und dann doch "umgedichtet". Noch fühle ich mich ein wenig ergebnisblind, weil ich erst wieder Abstand nehmen muss. Um so mehr zehre ich von Deinen anerkennenden Worten.

Einen geruhsamen Sonntag auch Dir,

Elke
 

revilo

Mitglied
Elchkuh

Ohne die Sache überinterpretieren zu wollen, scheint mir die Elchkuh nicht nur wie Du meintest Statistin, sondern ruhender Pohl des Gedichtes zu sein.So sehe ich es zumindest durch meine zweiten Augen. Manchmal wissen wir erst hinterher, was und vielleicht auch warum wir etwas geschrieben haben. Ich empfinde Deinen Text als mutig. Du weichst - wie neulich auch Karl Feldkamp- von der oder vielleicht auch Deiner bisherigen Linie ab und versuchst, ( Deine)Lyrik neu zu interpretieren..........genau das ist doch das Schöne an Sprache. Wir werden ihr immer untertan sein...........LG revilo
 
I

Ivor Joseph

Gast
Hallo Elke,
sehr schönes Gedicht. Mühsam suche ich etwas zu kritisieren.
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>> der echo heißt
Das finde ich sehr störend, diese platte Wiederholung der Überschrift.


>> turbanesk
Passt nicht zur schlichten Ruhe, ist eher etwas für den Karneval.

>> wissen dass nichts das selbstverständlich
>> scheint bleibt
>> ...
Es sind zwei verschiedene Geisteszustäne ein Naturbild aufzunehmen
und zu philosophieren. Ich empfinde das hier als etwas kontraproduktiv,
die Augenblicksstimmung störend. Tiere hinterfragen (wissen) das nicht,
empfinden das Nahen der Veränderung nur instinktiv. Es sind die Worte "wissen, selbstverständlich". Natürlich weiss ich auch um das andere "wissen".


[ 4]Für mich fände ich es besser (auf die schnelle)
[ 4]etwas Ähnliches zu sagen wie:

[ 4]dieses hüten
[ 4]fühlen dass nichts bleibt
[ 4]nicht die anmut des wassers

[ 4]die wiederkehr des lichtes am morgen
[ 4]der berg das berg der berg
[ 4]auf den es fällt falls es fällt


Durch das Weglassen einiger "nicht" betrifft es ambivalenterweise
die Verneinung als auch den Vorgang, der noch stattfindet.

--------------------------------------------------------------------------------

Liebe Grüße, Ivor
 

ENachtigall

Mitglied
sehr schönes Gedicht. Mühsam suche ich etwas zu kritisieren
Lieber Ivor,

da bin ich aber froh, dass Du diese Mühe nicht gescheut hast! Ich finde nämlich alle Deine Einwände hieb- und stichfest. Du verstehst mit guten Argumenten zu überzeugen und nun fühle ich mich herausgefordert, nachzulegen. Es wird mich etwas Zeit kosten. Das schüttele ich nicht eben aus dem Ärmel. Du hast einen guten Leseblick für Schwachpunkte, Ivor. Danke für Deine Hilfe.

Grüße von Elke
 

ENachtigall

Mitglied
echosee


abrupt zerreißt das mollige gewöll
der traum der schrei der eistaucher
fliegt immer seiner schar ein stück voraus

am see erwacht das ufer
der baum der äste nicht verträgt
und blätter nicht mehr duldet

und doch krönt ihn ein nest
es heißt es sei ein hort
der ort des hütens

dahin das licht am morgen wiederkehrt
wenn im schatten der berge
in anmut sich das wasser schmiegt

spricht das driften der stämme
gedanken los
vom antlitz des sees

flammen fraßen einst das hölzerne
fleisch von den hageren hängen
wo heute feuerkraut regiert

trägt der berg dein gesicht gestern
monumental
die versteinerten züge

schweigend trinken am nachmittag
die elchkuh und ihr kalb
die jungen adler recken weiß die köpfe

aus dem nest dringt stimmgewaltig
zetern nach mutter futter fliegen lernen
bald sind sie über den berg


© elke nachtigall 2010


eistaucherschrei
 

ENachtigall

Mitglied
Hier nun eine überarbeitete Form, die doch wieder sehr anders geworden ist. Sei´s drum. So ist das beim Gestalten; nimmst du hier was weg, muss da was hin, passt das nicht mehr. Hauptsache am Ende steht ein Etwas, inmitten des Gefühls von Stimmigkeit. Für mich hat es das jetzt, mehr denn zuvor.

Herzlichen Dank an alle Leser, Kommentierer, Bewerter für euer Interesse, die Geduld, die Hilfen.

Sorry, Herbert, der Berg hat sich gesundgeschrumpft :). Deine Idde bleibt aber so gut, wie sie gemeint war - und nachlesbar. Wie schön!

Liebe Grüße, Elke
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Elke,

unabhängig von meinem Vorschlag :)
fehlt mir in der neuen Version einiges von der Sprödigkeit der ersten Version, die für mich ein "Alleinstellungsmerkmal" im positiven Sinne darstellt.

Das ist mir oft bei umfangreicheren Änderungen an eigenen Gedichten so gegangen, dass dadurch ein Gedicht mit völlig neuem Gesicht entstand, was nicht notwendigerweise besser war als das ursprüngliche.

Liebe Grüße

Herbert
 
I

Ivor Joseph

Gast
Hallo Elke,

leider fand ich die vorherige Version beträchtlich besser (passiert
mir oft), da war nicht mehr viel zu verbessern. Gerade was ich vordem
bemängelt habe, hast du jetzt eigentlich noch verstärkt.

Das dritte Gedicht (die neue Version) bekam einen anderen Geist. Das
unpersönliche, naturhafte und kraftvolle, ist einer gewissen
Spekulation gewichen; der Text hat so von seiner ursprünglichen Kraft
und an Rhythmus verloren.

Ich würde auf jeden Fall Version Nr. 2 wählen. Mich haben nur ganz
wenig die Worte gestört:

Strophe 1: "heißt"
Strophe 3: "turbanesk, selbstverständlich, scheint"

Liebe Grüße, Ivor
 

ENachtigall

Mitglied
echosee


abrupt zerreißt das mollige gewöll
der traum der schrei der eistaucher
am see verjagt die nacht

steht am wässrigen saum ein baum
trägt keinen ast kein blatt keine krone
auf seinem haupt nur ein nest

nur ein hüten ein bangen
ein leises jetzt ein was verbleibt
vielleicht die anmut des wassers

die wiederkehr des lichtes am morgen
der berg das berg der berg
auf den es fällt falls es fällt

einst fraßen die flammen das hölzerne
fleisch von den hageren hängen
heute tragen sie dein gesicht gestern

die versteinerten züge
bringen nichts und niemanden mehr
fort von diesem ort den feuerkraut umflort

schweigend trinken am nachmittag
die elchkuh ihr kalb
die jungen adler recken die weißen köpfe

aus dem nest stimmgewaltiges zetern
nach mutter futter fliegen lernen
bald sind sie über den berg



© elke nachtigall 2010
eistaucherschrei
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Herbert, hallo Ivor,

danke, dass ihr euch noch einmal zu Wort gemeldet habt. Eure Stellungnahmen zur Umgestaltung waren hilf- und aufschlussreich für mich. Ich denke, ich kann nun einfach Variante an Variante so stehenlassen; habe aber gerne der final veränderten schrofferen und bevorzugten den Vorrang gelassen.

Schön, dass ihr geholfen habt, liebe Grüße,

Elke
 



 
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