Guten Morgen, Ralf,
einige Leser haben Deine Text schon kommentiert. Bevor ich mich der Hauptspeise widme, erlaube einige Gedanken zu den Kommentaren der anderen Leser.
Dem Wolfgang hat Dein Text gut gefallen. Ich hoffe, er hat den Balken „perfekt“ gezogen. Was will man mehr. Allerdings bleibt bei mir immer bei derartigen Kommentaren ein Beigeschmack. Da der Leser nur ein Gefühl wiedergegeben hat, fehlt eine handwerkliche Einordnung. Habe ich nur den Geschmack eines Lesers unter vielen getroffen, oder habe ich den Geschmack eines Fachmanns getroffen? Ist mein Text bei diesem gut, beim nächsten schlecht? Deshalb ist mir ein pauschales Lob zwar auch angenehm, aber bringt mich nicht weiter.
Flammarion wünscht sich das Substantiv von „schnarchen“. Wenn diese Hürde genommen ist, dann ist auch in seinen Augen ein perfekter Balken gerechtfertigt. Unabhängig davon, dass ich mich wiederholen müsste, könnte man sich auch das Verb zurück wünschen. Das ist leider nicht nur in der deutschen Sprache so. Wenn ein Satz nicht vollständig ist, dann überlässt der Autor dem Leser diese Arbeit. Dieser unvollständige Satz hätte z.B. so ergänzt werden können:
1.) Dann beobachtete ich ihn bei dem Schnarchen.
2.) Dann sah ich ihn schnarchen.
Man sieht also, ein Wunsch kann in Erfüllung gehen, aber es muss nicht immer nur eine Variante sein.
Der liebe Gernot (herzlichen Gruß an Dich außer der Reihe) schlussfolgert aus Deinem Text, dass er in der Nachkriegszeit angesiedelt ist. Die „Bild“ gibt es seit dem 24.6.1952. Der Protagonist ist achtzehn Jahre. Wenn der Text aus dem Jahr 2009 ist, handelt die Geschichte 1991. Nachkriegszeit im ursprünglichen Sinn ist eher unwahrscheinlich. Deiner Schlussfolgerung, dass ein „Bildleser“ automatisch nicht am Hungertuch nagen muss, kann ich nicht folgen. Es könnte eine Zeitung sein, die er regelmäßig aus dem Abfall gefischt hat.
Aber das ist Ansichtssache. Auch Ansichtssache ist die Frage, ob ein Adjektiv und wenn ja, welches, in einem Text etwas verloren hat! Mich stört der Traum aus einem anderen Grund. Wenn jemand schläft und träumt, kann, aber muss er nicht unruhig sein. Wenn jemand schläft und unruhig ist, wird er sicherlich träumen. Deshalb würde ich auf das zweite Adjektiv verzichten.
Der bluefin siedelt den Text auch in den Nachkriegsjahren an. Mich beschleicht langsam ein Gefühl, dass ich wichtige Daten übersehen habe. Wieso passt ein „Metronom“ nicht ins Bild? Ein Metronom gibt es seit 1815. Ob es ins Bild passt, hängt von der Sprache des Erzählers und von der Sprache des Lesers ab. Aus dem Text geht nicht hervor, dass es Inventar des Raumes war, sondern es wird als Metapher vom Erzähler verwendet. Der Hinweis, wo das „Schaufeln“ stattfindet, ist nützlich!
Kommen wir nun zu meinem Kommentar!
Titel: „Eckbank“ – In dem folgenden Text wird eine Eckbank eine Rolle spielen, keine bestimmte, irgendeine. Wenn das stimmt, dann hat der Titel nur informiert und vorbereitet. Weitere Funktionen, die ein Titel ausführen kann, wurden vom Autor dann nicht genutzt. Ich lasse mich überraschen.
1. Satz) – Es wird ein Raum eingeführt, der zwölf Quadratmeter groß ist. Kein kleiner und kein großer Raum, drei mal vier Meter sind ausreichend für viele Zwecke. Ich bin gespannt, was alles in diesem Raum passieren wird.
2. Satz) – In diesem Raum stehen drei Möbel. Esstisch und Eckbank lassen auf eine Küche schließen, das Etagenbett eher an ein Schlafzimmer, wenn es das nicht gibt, dann ist es ein Raum einer armen Familie.
3. Satz) – Ein Metronom ist ein Gerät, wo etwas hin und her geht. Da es als Metapher verwendet wurde, spielte sich die Kindheit zwischen Bett, Esstisch und Eckbank ab. War das Kind nie außerhalb des Raumes? Eingesperrt in der Küche?
4. Satz) – (Zwei Kommata zu viel?) Es wird der Vater eingeführt. Er arbeitet, kommt z.B. pünktlich um 16.00 Uhr nach Hause, das Essen, was pünktlich um 12.00 Uhr bereitet wurde, ist kalt und muss deshalb aufgewärmt werden. Da er schaufelt, scheint er ein „grober“ Klotz zu sein. Da er schlaftrunken ist, scheint er entweder viel zu arbeiten oder wenig zu schlafen. Da er beiläufig den Kopf des Kindes tätschelt, scheint er entweder wenig Gefühle für sein Kind zu haben oder sie zu unterdrücken. Da er nach der Schule nur fragt, aber z.B. keine Hausaufgaben mit dem Kind macht, scheint er diese Aufgabe der Mutter zu überlassen. Da er die Bild ließt, scheint sein Intellekt in das Klischee eines „Arbeiters“ zu passen. Da er dann irgendwann sich zur Ruhe bettet, wenn auch nur auf den Armen, scheint er keine Lust zu haben, ins Bett zu gehen.
5. Satz) – Da ich auch schon oft auf einer Eckbank gelegen habe, kann ich mir das gut vorstellen, es bereitet keine Schwierigkeiten, es sei denn, diese Eckbank war ungewöhnlich kurz.
6. Satz) – Die Eckbank scheint wirklich nur zwei Plätze zu haben. Möglich wären drei oder vier oder noch mehr. Bei zwei Plätzen ist es wirklich eine Kunst!
7. Satz) – Nichtbenötigte Ausstattung fällt zu Boden oder gibt den Blick auf wichtige Details frei. Warum ist es wichtig für die Geschichte, dass der Vater im Schlaft träumt? Egal, was die Menschen machen und in welcher Zeit sie leben, träumen ist eine Eigenschaft, die nicht ungewöhnlich ist. Warum spielt das Träumen bei diesem Vater eine besondere Rolle? Ich warte auf die nächsten Zeilen, vielleicht geben sie das Geheimnis preis.
8. Satz) – Besonders bei Männern soll das Schnarchen nicht ungewöhnlich sein. Warum wird davon berichtet? Ich warte auf die nächsten Zeilen.
9. Satz) – Die Mutter wird eingeführt. Ihre Funktion besteht darin, das Kind zur Ruhe zu mahnen. Das habe ich auch schon erlebt, dass man in Gegenwart eines schlafenden Menschen ruhig sein soll, wenn man ihn nicht aufwecken will. Was will der Erzähler damit aussagen? Hat das Kind unter dieser Mahnung sehr gelitten? Ich warte auf die nächsten Zeilen.
10. Satz) + 11. Satz) -Jetzt kommt es! Donnerwetter! Das Metronom hat es zwar schon angedeutet, aber jetzt ist es Gewissheit. Dieser Ablauf fand jeden Tag der Arbeitswoche statt. Wann wurde der Sonnabend als Arbeitstag abgeschafft? Wann wird bei Schichtsystem gearbeitet? Egal, Achtzehn Jahre lang war das Kind in der Küche eingesperrt und der Vater konnte nur auf der Eckbank schlafen und die Mutter trat nur als Mahnung in Erscheinung. Was für ein Schicksal, wenn auch für mich nicht nachvollziehbar!
12.) Satz – Die Eckbank wurde für das Kind zum Symbol für das Schweigen. Hat das
Kind trotzdem noch das Reden gelernt oder blieb es für immer stumm? Heißt es nun
„schweigen“ oder „Schweigen“?
Zusammenfassung:
Lieber Ralf, keine schlechte Geschichte. Allerdings darf man einige Details nicht so ernst nehmen. Was ist das Kind, ein Mädchen oder ein Junge?
Grüße Dich herzlich, Bernhard