ein augenblick

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ein augenblick


vorbei
und wieder nur vorbei
ach dass der blitz der wirklichkeit – vorbei

dass er
nur wiederkehre – ach
der himmel der die zeit zerreiszt im nu

dein blick
die kurze ewigkeit
da bricht der donner über mich herein

mein herz
zerspringt im wirbelschlag
und überschwemmt mit röte mein gesicht

mein gott
verbergen muss ich mich
bevor du mich bemerkst und alles weiszt
 

Scal

Mitglied
Augenblicksblitze der Lichtung
und sogleich der Donner rollt

Dichtung
weiß um Lichtvernichtung

Deine Zeilen scheinen einem inspirativen Moment entsprungen zu sein.

Gruß
Scal
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, Scal,

das Lyri ist offensichtlich verliebt. So stellte es der Autor dar.

grusz, hansz
 

Mimi

Mitglied
das Lyri ist offensichtlich verliebt. So stellte es der Autor dar.

Ja, Hansz, das ist eindeutig auch mein Leseeindruck ...

" dass er
nur wiederkehre – ach "


Ich lese es als eine Art "Verweile doch, du bist so schön" und frage mich: Was ist überhaupt ein "Augenblick"?
Okay, objektiv oder nüchtern (oder unpoetisch) betrachtet, ist ein Augenblick eine sehr, sehr kurze Zeitspanne, zwischen zwei Wimpernschlägen, die ungefähr 5 bis 6 Sekunden beträgt.

Natürlich ist das hier in Deinem Gedicht weniger objektiv zu betrachten, so scheint doch dem verliebten LyrIch die Zeit ein einziges Rätsel zu sein und ist dabei gleichzeitig so grundlegend elementar.

Das Schöne ist doch, jeder Augenblick ist immer wieder anders, unvergleichlich und manchmal unvergesslich ...

Ich habe mich beim Lesen gerne von dieser knisternden, elektrisch aufgeladenen Verliebtsein-Stimmung des LyrIchs mitreißen lassen.

Gruß
Mimi
 

petrasmiles

Mitglied
Aber es hat etwas 'Viktorianisches' - oder sehr Junges - wenn der Gegenstand der Liebe es nicht merken darf.
Sehr schön in Worte gesetzt, was sich hinter einem Erröten verbergen kann ...

LG Petra
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Das Schöne ist doch, jeder Augenblick ist immer wieder anders, unvergleichlich und manchmal unvergesslich ...
Ja, Mimi,

so ist es wohl mit dem immer neuen Zeitmoment.
Wenn aber der Himmel die Zeit "zerreißt", blickt ein ewiges Auge hindurch. Das ist dann der Aspekt der Ewigkeit, der die absolut "fertige" Vorhersehung eines allwissenden Geistes überschreitet. Was in der christlichen Mystik "der Sohn" heißt, der immer neu geboren wird, unverhersehbar.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Aber es hat etwas 'Viktorianisches' - oder sehr Junges - wenn der Gegenstand der Liebe es nicht merken darf.
Paßt, Petrasmiles,

und darüber hinaus kann das lyrische Ich dieser metrisch gleichförmigen Strophen auch sonst ein Erwachsener (Lehrer, Pfarrer, Arzt, Vorgesetzter) sein, der seine Tabus einhalten muß. Tabus sind wichtig, notwendig und inzwischen auch hochmodern.

Seit der Tilgung des "Avenida"-Gedichts von Gomringer von einer Hochschulwand in Berlin (das ist die ostanatolische Stadt, in dem man, wie Dimpfelmoser bezeugt, nach der Hochzeitsnacht das blutige Entjungferungs-Laken öffentlich aushängt) ist das bloße Hintereinerfrauherschauen übergriffig. Und das schamlose Indieaugenschauen seitens eines Mannes ist auch verpönt.

grusz, hansz
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Mondnein,

ich stimme Dir zu, dass Tabus diese 'alten Zöpfe' oder jugendliche Scham flankieren können.
Aber ich würde doch lieber die Kirche im Dorf lassen und Aufgeregtheiten des Feuilletons nicht zu den Tabus zählen. (Worüber ich mich vielleicht irgendwann eines Besseren belehren lassen muss ... die Zeiten werden immer illiberaler). Mein Mann ist auch heilfroh, dass er mich (schon) hat, ansonsten würde er freiwillig dem Weibe abschwören ...
Du hast recht, dass Tabus wichtig sind, aber sie sollten keinen Moden unterworfen sein. Oder irre ich da?

Liebe Grüße
Petra
 

Scal

Mitglied
Petrasmiles: "ansonsten würde er freiwillig ..."
Scalsmiles :)

Das lyrische Ich könnte auch ein Mystiker oder eine Mystikerin sein (Blitz der Wirklichkeit - himmlischer Bräutigam), jedenfalls zeigen gerade die verschiedenen möglichen Bezugsvarianten, dass es ein, ja, "überhistorisches", ein kostbares Gedicht ist.
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Scal,

anderes als 'überhistorisch' würde ich von Mondnein auch nicht erwarten.
Ich bin noch dabei, die möglichen Bezugsvarianten zu sammeln, wie eigentlich immer bei ihm.
Es als 'kostbar' zu bezeichnen, dafür fehlt mir die Expertise und ich käme mir vermessen vor.
Und darum darf ich schlicht meinen Gefallen zum Maßstab nehmen - und lerne dabei.

Also, eigentlich sind wir uns ja einig :)
LG Petra
 



 
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