Ein Augenblick

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Stavanger

Mitglied
Hallo!
Ja, das gefällt mir auch richtig gut!
Ein irischer Lieblingsdichter (Pat Ingoldsby) hat mal die Frage aufgeworfen, wie lang ein Moment sein kann.
In einer Wissenschaftssendung hörte ich kurz darauf die Antwort:
3 Sekunden!
Das ist das Höchste, was ein Moment dauern kann. Erstaunlich.
Schönen Gruß:
Uwe
 

mondnein

Mitglied
Drei Sekunden, lieber Uwe,

wird schon dadurch unterboten, daß 12 Silbenlängen in der Zählung "einundzwanzig, zweiundzwanzig..." jedem gut im Metrum liegen, und das hängt auch mit dem Herzschlag zusammen, der im Durchschnitt eine Sekunde "lang" ist.

In den Proto-Sâmkha-Systemen der indischen Philosopie, d.h. in den theoretischen Reflexionen des 12. Buches des Mahâbhârata und im ersten Buch der Manusmrti, findet sich eine Zeiteinteilung, die die Sekunde auf die Weise unseres "einundzwanzig, zweiundzwanzig ..." unterschreitet, siehe:

grusz, hansz
 

wiesner

Mitglied
Das ist ganz feine Lyrik! Metrisch sehr originell, sprachlich von schlichter Schönheit!

'Mein Gott' ... liest man das doppeldeutig, wegen nachfolgender Ansprache ('Du')?

Gruß
Béla
 

petrasmiles

Mitglied
Mich hat das Empfinden an Anne Elliot erinnert, die ich kürzlich las. Da wurde in Worte gefasst, was eigentlich immer noch geschieht, nur 'spricht' man nicht mehr darüber.
Sehr schön in Worte gefasst!

Liebe Grüße
Petra
 

sufnus

Mitglied
Hey Hansz,

das ist wirklich eine sehr gelungene Bannung des Augenblicks! :) Wem schreibt man nochmal diese schöne Wortneuschöpfung zur Eindeutschung des "Moments" zu? v. Zesen? Oder Campe? Jedenfalls eindeutig eine der sehr gelungenen Sprachprägungen. :)

Die ersten drei Strophen scheinen von einem Gewitter mit Blitz und Donner zu handeln. Die vierte Strophe bleibt etwas unbestimmter im überleitenden Bereich, wobei "Wirbelschlag" und "überschwemmt" durchaus noch Unwetter-Anklänge bieten. Die letzte Strophe wirkt dann sehr biblisch. Das Thema, das Sünder sich vor Gott zu verstecken versuchen, kommt da (in der Bibel), glaube ich mehrfach vor.

Wenn man jetzt die meteorologischen Phänomene der ersten Strophen mit den Bibelschwingungen der letzten Strophe kreuzt, kann man zum Bild der Wolke kommen, die mehrfach in der Bibel auftaucht, wenn sich die Gegenwart Gottes zeigt, ohne dass er aber, wie im Märchen, als alter Mann mit Bart direkt "greifbar" würde. Häufig ist von der "Stimme aus der Wolke" die Rede. So ganz bekomme ich es noch nicht mit dem Titel, also mit dem Augenblick, zusammen (obwohl Wolken ja im Allgemeinen auch ein Symbol für alles Flüchtige, schwer greifbare, rasch "verfliegende" sind).
Vermutlich würde ich, wenn ich jetzt interpretatorisch "durchziehe", übers Ziel hinausschießen.
Also lehne ich mich lieber zurück und genieße. :)

LG!
S.
 

mondnein

Mitglied
Die ersten drei Strophen scheinen von einem Gewitter mit Blitz und Donner zu handeln.
Ich denke, Sufnus,

das lyrische Ich dieses ein-drei-fünf-hebigen fünffachen Dreizeilers wollte einen Liebesbrief schreiben, vergleichbar dem hier folgenden über die aufeinander ruhenden Lippen. Ist wohl der gleiche Autor, vermutlich in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts. Wie sehen mit lächelnder Distanz auf den armen Dichter zurück. Nicht jeder erträgt solch einen Wahnsinnsschub in sprachlicher Gestalt, Dichtung ... wahrscheinlich schämt sich der Dichter für seinen unvermittelbaren Wahnsinn, deshalb will er nicht bemerkt werden. Die meisten Verliebtheitsanfälle bleiben geheim, weil die geliebte Person sonstwie gebunden ist oder einfach nicht "zurückliebt" oder aus sonst einem Grund "nicht paßt". Es bleibt dem Verliebten nur die Resignation, oder die Dichtung, oder beides.

Von außen erscheint der Verliebte als einer, dessen Realitätssinn gestört ist; sich selbst erlebt er als denjenigen, der die Wirklichkeit erlebt wie sonst keines der Wesen um ihn her. Wie der Wahnsinnige eben, der alle anderen für verrückt hält. Die Wirklichkeit, der Blick der Geliebten, fährt wie ein Blitz in seine Zeitwahrnehmung,

grusz, hansz
 
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