Meine Eltern speisen im "Heaven"
Meine Eltern speisen im "Heaven"
Das Sonnenlicht spiegelte sich gleißend hell auf dem Eisen des Eiffelturms. Oben war es ruhig und es regte sich nicht der Hauch eines Lüftchens. Doch unten...
Es tummelten sich die Menschen laut plappernd in Schwärmen. Autos zischten von Ort zu Ort und überall herrschte ein
reges Treiben. In diesem unruhigen Chaos aus Alltag und Lärm erschien jedoch eine Lücke. Die Menschenmenge gab sie frei. Es war ein Junge, der nicht an dem alltäglichen Tumult teilnahm. Er schien etwa dreizehn, vierzehn Jahre alt zu sein. Er trat in alten, zerlumpten Kleidern auf. Für sein relativ junges Alter sah er sehr erwachsen aus. Seine Gesichtszüge waren hart und erns. Nach einiger Zeit schien er sein Ziel gefunden zu haben. Er hockte sich auf den nackten Boden. Dann holte er eine kleine, hölzerne Schale aus seiner Tasche und legte sie vor sich hin. Zuletzt nahm er seine geliebte Mundharmonika und setzte ein kleines trauriges Liedchen auf die Lippen. Nach zwei Minuten befand sich immer noch kein Geld in seinem Schüsselchen. Der Junge spielte trotzdem hartnäckig weiter. Aber auch nach einer Stunde zeigte die Schale nur eine gähnende Leere. Wie fast jeden Tag. Die Leute liefen nur an dem armen Bub vorbei. Da wagte zum ersten Mal heute einer den Schritt nach vorne. Es war ein Kind. Ungefähr fünf Jahre jünger als der Junge war er und trotzdem fürchtete er den groß gewachsenen Jugendlichen nicht. Er lief auf den Bettelknaben zu und sprach ihn, während seines Stückes an: "Wie heißt du?" Der andere ließ seine Mundorgel sinken und nuschelte leise: "Das hat keine Bedeutung."
"Ich heiße Jean."
"Schön."
Andere Jungen wären in dem Moment gelangweilt weggelaufen, er jedoch blieb. "Darf ich mal deine Mundorgel benutzen?"
"Meinetwegen."
"Danke." Er spielte ein paar schräge Töne. Es sah einfach zu komisch aus, der kleine Junge stand da und versuchte ein paar Geräushe aus dem Instrument zu quetschen. "Okay, ich glaube das reicht." Der Bettelknabe zeigte eine winzige Spur von Lächeln in seinen Mundwinkeln. Der andere gab die Mundharmonika zurück. "Mag sein, dass du besser mit diesem blöden Instrument zurechtkommst, aber ich kann etwas, was du nicht kannst."
"Auch ja, was denn?"
"Ich kann lachen."
Der Jugendliche verstummte sofort.
"Lachen."
Lachen.
Ja, ich kann lachen, du aber nicht. Ich habe dich noch nie lachen sehen.
Ich kann lachen, wenn ich will.
Na dann lass mal sehen!
Nicht jetzt. Bevor uns noch jemand sieht. Wir sind inder Öffentlickeit.
Na und. Den Erwachsenen ist das so was von egal. Wo wohnt íhr eigentlich?
Wo soll ich denn schon wohnen? Na, hier in Paris. Wen meinst du denn mit "wir"?
Bist du etwa ein Bettler? Mit "wir" meinte ich deine Eltern.
Meine Eltern...weg.
Wo sind die denn?
Der Junge wusste erst gar nicht so recht, was er antworten sollte. Der kleinere schaute ihn mit erwartungsvollen Augen an. Nach einer halben Minute gab er nervös bei:
Die sind im "Heaven".
Aha. Ist das ein neues Restaurant?
Äh, jaaaaah!, sagte er vorsichtig, meine Eltern gehen sehr oft aus und speisen teuer.
Mensch, dir geht´s ja gut.
Die beiden Jungen schauten sich gegenseitig eine Weile an, bis der jüngere sagte;
"Jetzt zeig mir doch mal dein Lachen!"
"Also gut, ich habe noch nie gelacht. Ich weiß auch nicht wie das funktionieren sollte oder was das ist."
"Ich werde es dir beibringen."
"Oh ja, sehr gerne. Wann fangen wir an?"
"Morgen. Wir treffen uns wieder hier. Jetzt muss ich erst nach Hause."
"In Ordnung."
"Ich wohne übrigens in der Cielstraße sieben."
Die Jungen verabschiedeten sich und der Jugendliche zeigte ein Lächeln auf seinem Gesicht. Der jüngere rannte nach Hause und sein tannengrüner Schal wehte nach hinten, dem älteren entgegen.
Meine Eltern speisen im "Heaven"
Das Sonnenlicht spiegelte sich gleißend hell auf dem Eisen des Eiffelturms. Oben war es ruhig und es regte sich nicht der Hauch eines Lüftchens. Doch unten...
Es tummelten sich die Menschen laut plappernd in Schwärmen. Autos zischten von Ort zu Ort und überall herrschte ein
reges Treiben. In diesem unruhigen Chaos aus Alltag und Lärm erschien jedoch eine Lücke. Die Menschenmenge gab sie frei. Es war ein Junge, der nicht an dem alltäglichen Tumult teilnahm. Er schien etwa dreizehn, vierzehn Jahre alt zu sein. Er trat in alten, zerlumpten Kleidern auf. Für sein relativ junges Alter sah er sehr erwachsen aus. Seine Gesichtszüge waren hart und erns. Nach einiger Zeit schien er sein Ziel gefunden zu haben. Er hockte sich auf den nackten Boden. Dann holte er eine kleine, hölzerne Schale aus seiner Tasche und legte sie vor sich hin. Zuletzt nahm er seine geliebte Mundharmonika und setzte ein kleines trauriges Liedchen auf die Lippen. Nach zwei Minuten befand sich immer noch kein Geld in seinem Schüsselchen. Der Junge spielte trotzdem hartnäckig weiter. Aber auch nach einer Stunde zeigte die Schale nur eine gähnende Leere. Wie fast jeden Tag. Die Leute liefen nur an dem armen Bub vorbei. Da wagte zum ersten Mal heute einer den Schritt nach vorne. Es war ein Kind. Ungefähr fünf Jahre jünger als der Junge war er und trotzdem fürchtete er den groß gewachsenen Jugendlichen nicht. Er lief auf den Bettelknaben zu und sprach ihn, während seines Stückes an: "Wie heißt du?" Der andere ließ seine Mundorgel sinken und nuschelte leise: "Das hat keine Bedeutung."
"Ich heiße Jean."
"Schön."
Andere Jungen wären in dem Moment gelangweilt weggelaufen, er jedoch blieb. "Darf ich mal deine Mundorgel benutzen?"
"Meinetwegen."
"Danke." Er spielte ein paar schräge Töne. Es sah einfach zu komisch aus, der kleine Junge stand da und versuchte ein paar Geräushe aus dem Instrument zu quetschen. "Okay, ich glaube das reicht." Der Bettelknabe zeigte eine winzige Spur von Lächeln in seinen Mundwinkeln. Der andere gab die Mundharmonika zurück. "Mag sein, dass du besser mit diesem blöden Instrument zurechtkommst, aber ich kann etwas, was du nicht kannst."
"Auch ja, was denn?"
"Ich kann lachen."
Der Jugendliche verstummte sofort.
"Lachen."
Lachen.
Ja, ich kann lachen, du aber nicht. Ich habe dich noch nie lachen sehen.
Ich kann lachen, wenn ich will.
Na dann lass mal sehen!
Nicht jetzt. Bevor uns noch jemand sieht. Wir sind inder Öffentlickeit.
Na und. Den Erwachsenen ist das so was von egal. Wo wohnt íhr eigentlich?
Wo soll ich denn schon wohnen? Na, hier in Paris. Wen meinst du denn mit "wir"?
Bist du etwa ein Bettler? Mit "wir" meinte ich deine Eltern.
Meine Eltern...weg.
Wo sind die denn?
Der Junge wusste erst gar nicht so recht, was er antworten sollte. Der kleinere schaute ihn mit erwartungsvollen Augen an. Nach einer halben Minute gab er nervös bei:
Die sind im "Heaven".
Aha. Ist das ein neues Restaurant?
Äh, jaaaaah!, sagte er vorsichtig, meine Eltern gehen sehr oft aus und speisen teuer.
Mensch, dir geht´s ja gut.
Die beiden Jungen schauten sich gegenseitig eine Weile an, bis der jüngere sagte;
"Jetzt zeig mir doch mal dein Lachen!"
"Also gut, ich habe noch nie gelacht. Ich weiß auch nicht wie das funktionieren sollte oder was das ist."
"Ich werde es dir beibringen."
"Oh ja, sehr gerne. Wann fangen wir an?"
"Morgen. Wir treffen uns wieder hier. Jetzt muss ich erst nach Hause."
"In Ordnung."
"Ich wohne übrigens in der Cielstraße sieben."
Die Jungen verabschiedeten sich und der Jugendliche zeigte ein Lächeln auf seinem Gesicht. Der jüngere rannte nach Hause und sein tannengrüner Schal wehte nach hinten, dem älteren entgegen.