Ein Dino aus dem Meer

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VeraL

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„Uhhh. Es soll aufhören zu schaukeln. Bitte mach, dass es aufhört zu schaukeln!“ Am Anfang hatte dem kleinen Plastik-Dinosaurier das leichte Auf und Ab gefallen. Aber dann war der Wind draußen immer stärker geworden und jetzt purzelte in diesem riesigen Blechding alles wild durcheinander. „Au, pass doch auf meinen Kopf auf,“ beschwerte er sich, als ihn in dicker T-Rex am Kopf traf.
„Sei lieber still, sonst beiße ich dich in den Hintern!“, gab der brummig zurück.
Mit einem T-Rex war nicht zu spaßen. Der kleine Dino wollte sich in Sicherheit bringen, aber da gab es einen lauten Knall. Der rote Container mit den Spielzeugsauriern rutschte von dem Schiff und dabei öffnete er sich. Der kleine Dino tauchte in die Wellen. Das Wasser war eiskalt, das gefiel ihm gar nicht. Außerdem war es dunkel und das Meer schubste ihn hin und her. Hier gibt es bestimmt keine Kinder, die mit mir spielen. Darauf hatte ich mich doch schon so gefreut, dachte er und wurde traurig.

Der kleine Dino dachte, er müsste für immer im Meer bleiben. Doch plötzlich wurde es immer heller und er spürte Sand unter sich. Dann zogen die Wellen sich zurück und er trocknete langsam. Ach, war das schön, die warme Sonne zu spüren. Da hörte er in der Ferne ein Geräusch. Es waren Kinder, die schrien und tobten. Vielleicht wollen sie mit mir spielen, dachte der Dino und sein Bauch kribbelte aufgeregt. Er spürte etwas nasses, klebriges an seinem Rücken. Igitt, was war das denn? Jemand schnüffelte an ihm herum.
„Hasso, aus! Komm sofort hierher. Du musst doch nicht jeden Müll beschnuppern, den der Sturm angespült hat.“
Der Mann klang ärgerlich und auch der Dino spürte Wut in sich aufsteigen. Er war kein Müll. Also wirklich. Er war ein tolles Spielzeug, das aus einem weit entfernten Land gekommen war. Er würde …. Da fiel sein Blick auf seine Beine und seinen Schwanz. Seine schöne rot-braune Farbe war ganz ausgeblichen. Auf dem Sand konnte er seinen Schatten erkennen. Eines seiner langen Hörner war in der Mitte abgebrochen. Der kleine Dino keuchte entsetzt und ließ den Kopf wieder sinken. Mit so einem hässlichen Dino würde bestimmt kein Kind spielen.

Der kleine Saurier wünschte sich, dass die Wellen zurück kamen und ihn wieder mit ins Meer nahmen. Er wollte nicht am Strand bleiben und sich als Müll beschimpfen lassen. Doch die Wellen kamen nicht. Stattdessen kam ein Junge. Der Junge hieß Linus und entdeckte den Dino sofort. „Ein Triceratops! Wie cool ist das denn?“ Er hob den Dino auf und betrachtete ihn von allen Seiten.
Der Saurier schämte sich etwas, aber der Junge grinste. „Du kannst meine Burg bewachen. Ich brauche noch einen starken Wächter. Einen Namen brauchst auch noch. Ich nenne dich Theo Triceratops. Mein Cousin heißt Theo. Der ist stark, er macht sogar Krafttraining in der Muckibude.“
Der Dino wusste nicht, was man als Burgbewacher genau machen musste, aber er war bestimmt genauso stark wie dieser Theo aus der Muckibude.

Linus ließ Theo wild durch die Luft fliegen und rannte über den Strand. Die Sandburg, die er gebaut hatte, sah wirklich toll aus. Sie hatte drei Türme, Muscheln auf dem Dach und sogar einen Wassergraben. Das Wasser darin versickerte allerdings gerade.
„Du setzt dich hier oben drauf und passt auf, dass keiner reinkommt oder unsere Burg kaputt macht, während ich neues Wasser hole. OK?“
Linus setzte Theo auf einen der Türme und verschwand mit seinem roten Eimer Richtung Wasser. Die Burg bewachen konnte ja nicht so schwer sein. Es war niemand in der Nähe, nur ein paar Möwen kreisten am Himmel und zwei große Menschen lagen auf einem Strandtuch und schienen zu schlafen. Theo bemühte sich so gefährlich auszusehen wie die T-Rex aus dem Container. Wenn jemand in die Burg wollte, würde er ihm in den Hintern beißen, jawohl!

Linus kam mit dem Wasser zurück und Theo war stolz, dass niemand die Burg erobert hatte. Linus fing an, den Graben tiefer zu machen und Theo saß auf seinem Turm und hielt nach Angreifern Ausschau. Nach einer Weile entdeckte er drei Menschen, die näher kamen und aufgeregt winken. Wollten sie etwa die Burg zerstören? Theo machte sich so groß er konnte und ließ sie nicht aus den Augen.
„Oh nein, das ist Ida. Die wohnt bei uns im Hotel und ist total nervig“, stöhnte Linus.
Ida kam entschlossen auf die Burg zu, während ihre Eltern bei den Eltern von Linus blieben. Theo gab sich Mühe, gefährlich aussehen, aber Ida war ziemlich groß und sie hatte eine furchteinflößende Zahnlücke. Zum Glück stellte Linus sich ihr in den Weg.
„Deine Burg ist ja schon ganz nett, aber sie könnte noch viel besser werden. Gib mir mal deine Schaufel“, befahl Ida ziemlich streng.
„Das ist meine Burg. Bau dir doch deine eigene.“ Linus dachte nicht daran, das nervige Mädchen mitspielen zu lassen.
Theo sah gespannt von einem zu anderen. Würde Ida sie jetzt angreifen? Überraschenderweise drehte Ida sich um, holte eine Schaufel aus der Strandtasche ihrer Eltern und fing an, selbst im Sand zu buddeln.
Sicherheitshalber beschloss Theo, sie im Auge zu behalten. Ihre Burg wuchs ziemlich schnell. Sie hatte zwar keinen Wassergraben, aber ihre Burg hatte sechs Türme und schien auch größer zu sein. Linus versuchte, seine Burg ebenfalls zu verstärken, aber der Sand rutschte an der Seite immer wieder ab. Und dann geschah es. Ida lief zu ihren Eltern und brachte ihren eigenen Bewacher mit. Es war ein strahlend weißes Pony mit einer bunten, glitzernden Mähne, die leicht im Wind flatterte. Auf der Stirn hatte es ein gedrehtes Horn. Es sah einfach perfekt aus.
„Ach du meine Güte, wo bist du denn gewesen? Du siehst ja ganz mitgenommen aus. Ich wundere mich, dass Kinder heute noch mit so alten Sachen spielen.“ Das Einhorn lächelte selbstgefällig.
Theo knurrte das Einhorn wütend an. Aber insgeheim spürte er einen Stich. Da konnte er mit seinen ausgeblichenen Schuppen nicht mithalten. Wie sollte er die Burg gegen so einen Gegner verteidigen?
Linus schien allerdings nicht beeindruckt. „Pfff, was kann denn ein Einhorn schon? Dinosaurier sind viel besser. Ida ist ein echtes Mädchen Mädchen.“
Theo wusste nicht, was ein Mädchen Mädchen war, aber er freute sich, dass Linus zu ihm hielt. Der schien allerdings zunehmend ärgerlicher zu werden. Gerade war wieder ein kleiner Turm zusammengebrochen. Wütend warf er die Schaufel in den Sand und starrte Idas Burg an. Er klaubte einen kleinen Stein auf und warf ihn gegen Idas Burg. Jetzt war ein Loch in einem der Türme.
„Ey, du spinnst doch. Ich hab dir gar nichts getan.“ Ida trat mit dem Fuß gegen Theos Burg, so dass die Seitenwand einstürzte.
Die beiden standen sich gegenüber und funkelten sich böse an. Theo machte sich kampfbereit. Falls das Einhorn angriff, würde er seinem neuen Freund helfen. Doch genau in diesem Moment rief Linus Papa: „Ida! Linus! Kommt her, Mama spendiert ein Eis.“

Die beiden liefen sofort zu den Erwachsenen. Theo entspannte sich. Er war eigentlich froh, dass er nicht kämpfen musste. Das Einhorn war umgekippt und schien zu schlafen. Theo gähnte. Er war auch ziemlich müde und die Sonne war so schön warm. Langsam fielen ihm ebenfalls die Augen zu.
Er wurde von einem Schrei geweckt. „Hilfe! Das Wasser kommt!“ Das war das Einhorn. Theo richtete sich auf und erschrak. Die Wellen waren viel näher gekommen. Idas Burg, die etwas näher am Wasser stand, war schon zum Teil eingestürzt und das Einhorn stand mit dem Füßen im Wasser. Was sollte Theo nur tun? Er fing an, laut zu rufen, aber niemand schien sie zu hören. Theo zitterte. Er wollte nicht wieder in dem kalten, dunklen Meer laden. Alles, nur das nicht. Da sah er eine große Welle kommen. Sie klatschte gegen Idas Burg und riss das Einhorn von den Füßen. Für einen Moment tauchte es unter. Dann spülte die nächste Welle es in Theos Richtung. Er reagierte blitzschnell und senkte seinen Kopf. „Halt dich an meinem Horn fest!“, rief er dem Einhorn zu. Das Einhorn war ganz schön schwer, aber Theo schaffte es, es hoch zu ziehen. Für einen Moment waren sie in Sicherheit. Doch wie lange noch? Die Wellen kamen immer näher.

Inzwischen waren Ida und Linus vom Strandpavillon zurück und sahen, was mit ihren Burgen passiert war. „Theo! Mein Dino!“, brüllte Linus. „Glitzerschweif!“, schrie Ida. Die beiden rannten los. Sie waren nicht schnell genug. Eine große Welle brandete gegen die Burg und riss den Turm mit Glitzerschweif und Theo um. Die beiden gingen sofort unter.
„Wo sind sie hin? Ich sehe sie nicht mehr!“
Linus und Ida platschten durch das Wasser und schauten suchend umher. Da entdeckte Ida den Schwanz von Theo und hob ihn hoch. Gleichzeitig bekam Linus die bunte Mähne von Glitzerschweif zu fassen und fischte es aus den Wellen.
Erleichtert ließen sie sich auf den trockenen, warmen Sand fallen. „Uff. Das war Rettung in letzter Sekunde. Das ist ja ein toller Triceratops.“ Bewundert betrachtete Ida den Dino, der vor Freude gleich ein Stück größer wurde.
Ungläubig fragte Linus: „Du kennst dich mit Dinos aus? Ich dachte immer, Mädchen spielen nur mit Ponys und Einhörnern.“
„Quatsch mit Soße. Ich hab eine ganze Sammlung zu Hause. Mein Brachiosaurus ist im Hotel. Willst du ihn später mal sehen?“
„Klar, aber erst brauchen wir eine neue Burg. Dieses Mal soll sie noch größer sein. Und weiter weg vom Wasser, damit sie bei der nächsten Flut nicht gleich wieder überspült wird.“
Während Ida und Linus mit dem Bau der neuen Sandburg begannen,schaute Theo zu Glitzerschweif hinüber. Das Einhorn war jetzt nicht mehr strahlend weiß, es hatte ein paar Schlammflecken abbekommen und wirkte gleich viel netter.
Es sagte: „Du bist echt ziemlich stark. Wir können die neue Burg ja zusammen bewachen.“
„Gute Idee. Wir sollten einen Wachplan machen, damit immer jemand wach ist und wir einen Angreifer oder das Wasser gleich bemerken.“
Den Rest des Tages verbrachten sie mit dem Bau der neuen Burg. Und als Theo abends von Linus ins Hotel getragen wurde, dachte er, wie schön es doch war, dass man an einem Tag gleich drei neue Freunde finden konnte.
 



 
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