Ein geregeltes Leben und was daraus werden kann

Jean-Claude

Mitglied
Der fünfte Schlüssel am Bund

Um Punkt siebzehn Uhr dreißig verriegelt Ludwig Gübler die Schreibtischschublade und verlässt, wie schon seit zwanzig Jahren, die Debitorenabteilung um genau siebzehn Uhr fünfunddreißig.
Bevor er aber das Geschäft verlässt, wirft er einen kritischen Blick in den Spiegel der Herrengarderobe. Er durchkämmt seine aalglatten, mit Brillantine behandelten Haare, bis der Seitenscheitel einwandfrei sitzt, schnürt den Mantelgürtel seines lehmfarbenen Regentrenchcoats ganz eng und fährt schließlich mit den Händen über seine transparente Gesichtshaut, um zu prüfen, ob da nicht kleine Stoppeln seine glatte Rasur vom Morgen ruinieren.

Mittwochs ist Einkaufen angesagt. Das ist ein eisernes Naturgesetz, von dem sich Ludwig nicht einmal durch dringende Aufträge des Abteilungsleiters abwenden lässt. Nach den täglichen Kontrollen seines Aussehens und seiner Kleidung, verlässt er endgültig das Geschäft und besteigt den Bus. Es ist genau siebzehnuhrfünfundvierzig.
Zum Glück ist sein angestammter Platz, hinter dem Busfahrer noch frei. Es ist der Ort im Bus, an welchem er sich nicht abgelenkt fühlt. Direkt hinter dem Busfahrer kann er sich am besten konzentrieren; Keine Fahrgäste würden ihn bei der Lektüre der Tageszeitung stören. Eine Viertelstunde Fahrt, bis zum kleinen Laden von Frau Kramer.
Um achtzehn Uhr betritt er Frau Kramers Laden. Es sieht so aus, als würde die gute Frau schon seit fünf Minuten hinter dem Ladentisch stehen und auf Ludwig warten.
„Guten Tag Herr Gübler. Ich habe ihre Einkaufstüte, genau wie sie es wünschen zusammengestellt.“
„Guten Tag! Was bin ich ihnen schuldig?“ Ludwig verliert keine Zeit mit nutzlosen Gesprächen, wie er das nennt. Er öffnet den Geldbeutel, mit dem genau abgezählten Betrag und dem Einkaufszettel für die nächste Woche, überreicht alles – Geld und Zettel – Frau Kramer, schnappt sich die Tüte und verlässt den Laden.
Frau Kramer ist nicht überrascht, denn schon seit zwanzig Jahren kennt sie ihn. Sie weiß genau, dass jeder Kunde anders ist. Manche plappern gerne und würden den ganzen Vormittag im Krämerladen verbringen und andere sind einsilbig wie Herr Gübler. In all den Jahren hat sie gelernt, auf die Wehwehchen ihrer Kundschaft einzugehen. Sie hört einfach den Geschichten zu, gibt aber niemals gute Ratschläge.
Ludwig biegt in die Blumenackerstrasse – wo sich seine bescheidene Dreizimmerwohnung befindet –, grübelt nach den Hausschlüsseln in der Aktentasche und übersieht dabei seinen Nachbarn, der kopfschüttelnd seiner Wege geht, weil Ludwig ihn erst gar nicht beachtet hat. Fas wie Frau Kramer kümmert er sich nicht um die Geschehnisse im Haus. Obwohl das Haus nur drei Mietparteien beherbergt, kennt Ludwig die Namen nur von den Briefkastenbeschriftungen. Klar, er hat die Namen gut studiert, könnte aber konkret keinen Namen mit Gesichtern verbinden. Er ist zu sehr mit sich und seinem Leben beschäftigt, als dass er sich auch noch mit den Problemen anderer befassen könnte. Er begegnet allen mit Respekt – abgesehen davon, dass er mal vergisst, jemanden zu grüßen -, aber dann hat sich’s.
Die Wohnung wird jeden Samstag feinsäuberlich gereinigt. In Teppichen, so sagt Ludwig, würden sich nichts als Staub, Schaben und Milben niederlassen. Alles Krankheitserreger, denen man besser aus dem Wege geht. Das war nicht immer so, denn vor einiger Zeit hatte Ludwig noch echte Orientteppiche, aus dem Iran, China, aus Baku, Dagestan und selbstverständlich anatolische Teppiche in seiner Wohnung; bis er - an einem Samstag - frohgemut mit dem Staubsauger über einen der Perser fuhr und im Sonnenstrahl, der sich in die Wohnung verirrte, eine große Wolke Staubpartikel aufwirbelte. Noch am gleichen Tag sammelte Ludwig alle Teppiche ein, und warf sie im Hinterhof in den Abfallcontainer. Er hätte die Teppiche auch nicht verschenkt, denn schließlich wollte er niemanden damit schaden.
Bevor er nun den Mantel auszieht entledigt er sich seiner Lederschuhe und schlüpft in die warmen Hauspantoffeln, damit er den gebohnerten Parkettboden nicht verunreinigt. Danach knipst er in der ganzen Wohnung das Licht ein. Bei diesem Rundgang, durch sein Reich, legt er die Hausschlüssel und die Tageszeitung auf den Clubtisch im Wohnzimmer, zieht sich um, räumt die Einkäufe gezielt und ordentlich an die dafür vorgesehenen Plätze und bereitet sich das Abendessen zu. Nicht nur jeder Schritt in der Wohnung ist berechnet, nein, jedes Gramm ist berechnet und stimmt genau mit den Vorgaben im dicken Kochbuch, das er von seiner Mutter vor nun zwanzig Jahren, zum dreißigsten Geburtstag erhielt. Notgedrungen! Ja, das Kochbuch ist ein altes Familienstück, das von einer Generation zur anderen weitergegeben wurde und da Ludwig der einzige Junge in der Güblerschen Sippschaft war, der noch für Nachfolger sorgen konnte, übergab ihm seine Mutter – zwar mit geteilten Gefühlen, aber der Tradition gehorchend – das gute alte Rezeptbuch. Die Güblers taten sehr viel, einfach brav gehorchend, auch wenn durch den Akt eindeutig ein Nachteil daraus entstand. Sie war überzeugt, dass hier bei ihrem Sohn, eine alte Tradition abbrechen würde und das Buch eines Tages auf irgendeinem Trödlermarkt seinen weiteren Weg gehen würde. Das letzte Drittel des Rezeptbuches bestand aus leeren Seiten, in welche jede Generation, auch Ludwigs Mutter, ihre neuen kulinarischen Errungenschaften eintrugen, so dass eine ziemlich große Sammlung an Rezepten über all die Jahre zusammenkam.
Ludwig hat so seine Lieblingsrezepte: Preiselbeerauflauf oder gratinierte Zwiebelsuppe aber auch ein Schweinskotelett mit Bier-Kümmel-Sauce schmecken ihm ganz gut. Nur einfach mussten die Kochanleitungen sein. Schnelle Zubereitung ist für Ludwig das Wichtigste. Er hat keine Zeit, oder will keine Zeit für aufwendige Rezepte verschwenden. Also, kein „Kalbsfilet mit Basilikumsößle und Tomatenspätzle“ wie es in einem von Mutters Rezepten stand; Zubereitungszeit, mindestens vierzig Minuten. Da hätte er Lorbeer, Nelken, Thymian, Knoblauch, Lauchstange, Möhren, Sellerie, Petersilienwurzel, Schalotten, Crème fraîche, badischen Riesling und natürlich Kalbsfilet kaufen müssen. Nie würde er eine solch exorbitante Sammlung an Gemüse, kalorienreichen Milchprodukten und Alkohol nach Hause schleppen wollen, nein, da blieb er ganz einfach bei einer Omelette mit Schnittlauch, so wie heute Abend. Trotz der Einfachheit ist zur Zubereitung für Omeletten schickliche Gewissenhaftigkeit angebracht. Nein, da darf man nicht einfach schlampen. Zum Essen gibt es dann ein Glas köstlichen Burgunder Spätlese trocken, der einzige Wein, den Ludwig an Vorrat in seinem Keller gelagert hat.
Nach dem Abendessen und Abwasch schaut Ludwig - wie jeden Abend - die Tagesschau. Pflichtgetreu, immer auf dem gleichen staatlichen Kanal. Also, er bildet sich ein, es sei seine Pflicht und schließlich bezahlt man dafür auch noch Steuern. Meist konzentriert er sich auf den Sprecher. Sprecherinnen, findet er, gehören nicht in die Tagesschau, da Politik etwas für Männer sei. Was sollen sich Frauen mit diesen schweren Themen auseinandersetzen, von denen sie sowieso nichts verstehen? Bei solchen Gedankensprüngen verliert er sich leicht in einem Gewirr von Unordnung in seinem Kopf, dass er dann nur noch den Fernsehapparat ausschalten kann und geschlagen ins Bett fällt. Damit es aber gar nicht dazu kommt, muss er sich besonders auf den Bericht konzentrieren.
Nachdem der Sprecher seine Themen präsentiert hat, und die Tagesschau von lästiger Werbung abgelöst wird, reflektiert Ludwig noch vor sich hin. Was heute auf dieser Welt alles geschieht! War es denn früher nicht doch besser? Man kann sich ja kaum mehr auf die Strasse wagen, ohne ausgeraubt oder attackiert zu werden. Früher hatte man einfach mehr Ehrfurcht vor den Menschen; da galt der einzelne noch etwas. Aber heute ist alles so kurzlebig und wertlos geworden. Trotzdem muss jeder Mensch selber an seinem Befinden arbeiten, heute mehr denn je; Und wenn er sich in seiner Haut nicht wohlfühlt, dann ist er eben selber schuld. Bei solchen Gedanken sitzt Ludwig angespannt auf dem Sofa vor dem Clubtisch und spielt mit irgendeinem Gegenstand, den er gerade auf dem Tischchen findet. Es befinden sich zwar nicht viele Gegenstände auf dem Tisch, aber irgendetwas gibt es immer. Sein Schlüsselbund. Seine Handinnenfläche ist wegen der angespannten Betrachtung schon ganz feuchtklebrig geworden, und jeder Schlüssel wurde schon einzeln durchgequetscht und begutachtet. Doch, plötzlich bemerkt er, dass ein Schlüssel nicht an seinen Schlüsselbund gehört, oder, dachte er das bloß? Das kann doch nicht sein! Da ist der Haus-, der Briefkasten-, der Fahrrad- und der Garderobenschlüssel vom Geschäft. Was ist denn der fünfte Schlüssel? Noch einmal geht er alle durch, aber er findet kein Schloss, dass zu dem fünften Schlüssel gehört. Ich muss mich einfach besser konzentrieren, denkt er. Wenn er sich intensiv konzentrieren will, hat er einen Trick. Er holt sich ein frisches Glas Sprudelwasser. Andere Leute stecken sich eine Zigarette oder etwas Süßes in den Mund, wenn sie sich konzentrieren wollen oder eine Aufgabe erledigen müssen, die besondere Aufmerksamkeit von ihnen abverlangt. Aber nicht Ludwig! Klares Wasser sorgt für klare Gedanken. Quellwasser sprudelt aus eigener Kraft zwischen den Steinen hervor, tritt mit immanenter Kraft ans Sonnenlicht; trotz dieser Wucht und natürlichen Mächten, bewahrt es Reinheit, Klarheit und seine Frische – solange der Mensch nicht Hand anlegt! Ludwig verfolgt, in auswegslosen Situationen, den Weg zum Ursprung des Wassers zurück. Die reinigende Kraft, die zarte Frische seines Duftes und die Weichheit von tausend pflegenden Händen haben nicht nur Kneipp beeindruckt, nein, auch Ludwig ist von der Kraft des Wassers überzeugt; wie es sich den Weg durch schier unbezwingbare Gesteinsbrocken bahnt; Zeit spielt überhaupt keine Rolle! Genau! Zeit spielt keine Rolle und ich werde den Weg des Schlüssels zurückverfolgen, bis ich genau weiß woher er kommt. Also, besorgt er sich welches.
Wo mag er bloß den Schlüssel her haben? Minuziös durchstöbert er alle Gegebenheiten, alle Erlebnisse der letzten Tage – es sind nicht sehr viele, denn Ludwig hat einen systematischen Alltag, einen geplanten Rhythmus. Trotz dieses unverrückbar übersichtlichen Einerleis, was sein Leben ist, findet er nichts, dass ihm die Existenz dieses verflixten Schlüssels an dem Bund rechtfertigen könnte.
Völlig aufgebracht und verzweifelt geht er um einundzwanzig Uhr fünfundvierzig zu Bett, denn das gehört auch zu seiner Regelmäßigkeit. Er ist überzeugt, dass der Mensch den gesündesten Schlaf immer zwei Stunden vor Mitternacht findet, das sei der segensreichste und heilkräftigste Schlaf; Irgendwie steht das im direkten Zusammenhang mit der Konstellation der Gestirne; hat er einmal in einem Buch gelesen. Aber heute ist das für ihn nicht der Fall. Hätte er bloß für einmal statt des Wassers ein Glas Himbeergeist getrunken, dann läge er jetzt durch den Alkohol betäubt im Bett und könnte schlafen.
Schon Mitternacht vorbei, und er hat noch kein Auge geschlossen. Ludwig wälzt sich von einer Seite auf die andere. Sein Herz pocht in der Brust, und seine Gedanken rasen durch das Hirn, als kommunizierten alle hundert Milliarden Nervenzellen gerade jetzt miteinander und sie wollten damit nicht aufhören. Bilder von Schlüsseln, von Schlössern, von verschlossenen Türen berieseln ihn in seiner nächtlichen Hilflosigkeit. Alles türmte sich vor seinen Augen auf. Die mächtigen Tore, die ihm jeden Einlass verweigerten, und alle schmalen Durchlässe scheinen sich gegen ihn verschworen zu haben. Seine dünnen Glieder, die knochigen Hände mit seinen spitzigen Fingern, sein ganzer asthenischer Körper ist von jeder Kraft beraubt. Mit aller Kraftanstrengung versucht sich Ludwig aus dem bösen Traum zu befreien, in den er schutzlos gefallen ist. Er ist angekettet. Tonnenschwere Last drückt ihn tief in die Matratze nieder. Doch plötzlich schnellt sein schweißgebadeter Oberkörper hoch, und aus seinem trockenen Mund entweicht ein panisches „Nein“. Ludwig schnappt nach Luft; jemand hat ihm die Kehle zugeschnürt, hat ihn gewürgt. Seine Glieder zittern. Er erhebt sich und will in der Küche ein Glas Wasser holen. Nein, bloß kein Wasser! Vier Uhr. Noch nie hatte er geträumt und noch nie kam es vor, dass er mitten in der Nacht erwachte. Meist schlief er traumlose Nächte durch, und meist erhob er sich erholt und frisch für den neuen Tag. Aber eines war jetzt sicher, er würde nicht mehr ins Bett gehen. Er durfte sich nicht mehr hinlegen. Nein, er würde ganz klar und deutlich den fünften Schlüssel an seinem Bund demaskieren können. Es brauchte nur ein bisschen Konzentration. Er wusste, dass hinter allem eine erklärbare, plausible Wahrheit steckt; seine Gedanken waren im Moment einfach getrübt und gelähmt, er musste einfach eine Viertelstunde warten, bis sein Gehirn wieder auf Rationalität schalten konnte. Aber wieso sollte er eine Lösung herbeisuchen? Ja, gibt es überhaupt eine? Es gibt, und es wird kein passendes Schloss geben, das ist doch klar. Ludwig weiß was er besitzt, kann immer alles zu ordnen und wieso sollte es plötzlich nicht mehr so sein! Es kann nur ein Versehen sein, oder irgend jemand hat ihm einen schlechten Scherz gespielt und den Schüssel an seine Bund gehängt. Vielleicht ist es ein Versehen und jemand vermisst jetzt den Schlüssel. Vielleicht kann der Besitzer jetzt auch nicht schlafen und sucht verbissen nach dem Schlüssel?
Dass Ludwig aber so vernunftwidrige Gedanken hegt, ist ihm unverständlich, denn Irrationalität hatte bislang keinen Raum in seinem Buchhalterleben. Sein Leben war eher eine Gleichung mit einer Unbekannten. Es war genau und berechenbar zu gleich. Ein physikalisches Gesetz. Und jetzt? Ein gewöhnlicher Schlüssel konnte es in einer Nacht aus seinen gewohnten Bahnen werfen. Das durfte einfach nicht sein. Ludwig war bereit zu kämpfen. Er würde einfach nicht mehr schlafen gehen und nachdenken.
Zwar ging Ludwig nicht mehr schlafen, aber er war alles andere als frisch und erholt, als er um fünfuhrdreißig seine Wohnung verließ. Gedankenversunken eilte er zur Bushaltestelle und war sich nicht mehr sicher, ob er seine Wohnungstür verriegelt hatte? Ich weiß es ganz einfach nicht mehr genau. Komisch, sonst gehört er doch nicht zu den Menschen, die immer noch einmal prüfen, ob die Tür wirklich verriegelt ist, nachdem sie den Schlüssel gedreht haben.
„Herr Gübler, wieso haben Sie die Rechnung von Klein & Söhne noch nicht abgebucht?“ Herr Dinkernagel, der Abteilungsleiter stand mit gehobenem Zeigefinger vor im und fuchtelte heftig mit einer Überweisungsbestätigung in der linken Hand. Jählings fuhr Ludwig aus seinen Grübeleien auf. Das war ihm doch noch nie passiert. Er hatte einfach vergessen, die bezahlte Rechnung auszubuchen. Ein solches Fehlverhalten, könnte ihm die Arbeitsstelle kosten. Das war unverzeihlich, nun wird die Firma seinetwegen eine Mahnung erhalten. Das wäre doch alles nicht so schlimm, wenn er nur wüsste, was mit dem fünften Schlüssel los war. Er wollte seine Arbeitskollegin fragen; man weiß ja nie, vielleicht gehört er ihr.
„Na, klar! Das ist doch... ja, natürlich. Das ist der Schlüssel zu meinem Gästezimmer. Wo hast du ihn denn her?“
„Eh! Er... er war einfach an meinem Schlüsselbund!“ Ludwig spürt, wie sein Herz pocht. Eine unangenehme Wärme kriecht durch seinen ganzen Körper, bis unter die Haarwurzeln.
„Da, bitte, bitte...“ Er löst dieses Unding vom Ring des Schlüsselanhängers und streckt es ohne lange zu überlegen Gertrud entgegen. Ludwig ist erleichtert. Als würden sich alle Tore plötzlich mit dem Schlüssel öffnen lassen, als würde ihm eine untrügerische Klarheit durch all die offenen Tore entgegenströmen und sich Glück ausbreiten, da wo vorher noch Beklemmung, seine Brust beengte. Der Schlüssel offenbart sich jetzt wie ein geheimer Kodex. Die Macht, die verschlossenen Türen anhaftet, zerfiel vor Ludwigs Augen, wie ein loses Kartenhaus. Er hatte die Lösung. Ihm öffneten sich nicht nur all die verschlossen Türen und Tore, nein, er glaubte plötzlich auch den Ausweg aus seinem schmalen Durchgang, der sein Leben bislang war, gefunden zu haben. Am liebsten hätte er Gertrud geküsst, sie zu „Kalbsfilet mit Basilikumsößle und Tomatenspätzle“ eingeladen, aber schließlich musste man sich doch beherrschen. Was hätte Gertrud bloß von ihm gedacht? Dieser plötzliche Wandel. Wahrscheinlich hätte sie geglaubt, er sei nun völlig übergeschnappt.

Dieser Donnerstag verlief, trotz dem besonderen Ereignis, schließlich doch wie schon gehabt. Den Feierabend verbrachte Ludwig vor seinem Fernsehapparat, mit einem leichten Essen und... Natürlich, sagt sich Ludwig, ein Glas Burgunder Spätlese, wäre nun ideal, um diese verrückte Geschichte mit dem Schlüssel abzuschließen.
Eigentlich schon komisch? Wie kam denn der Schlüssel an seinen Schlüsselbund? Hat ihn Gertrud aus Versehen drangehängt? Er hätte sie fragen müssen!
Ach, was soll’s! Jetzt ist doch alles wieder in Ordnung. Ich werde die Flasche Wein holen und genießen. Dabei schnappte er sich den Schlüsselbund, lief in den Keller und wollte die Tür zum Kellerabteil öffnen. Aber... wo war den der Schlüssel?
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

jean claude! erst einmal herzlich willkommen auf der lupe. nette kleine geschichte haste da geschrieben. mit so vielen ausschweifenden feinheiten. sehr kurios, daß die kollegin meinte, es wäre ihr schlüssel! eigentlich völlig unlogisch. wer weiß, was in der firma noch alles schief läuft . . . zwei fragen hätt ich noch: sagt man in deiner gegend tatsächlich "grübelt" anstatt gräbt und schreibt sich minutiös jetztt minuziös? ganz lieb grüßt
 

Jean-Claude

Mitglied
Liebe oldicke,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin froh, dass du die beiden Fragen stellst.

(sagt man in deiner gegend tatsächlich "grübelt" anstatt gräbt)
- im Nachhinein muss ich selber über diese Formulierung lachen. Sie stammt wirklich aus einer schweizerischen Verunstaltung. Selbstverständlich dachte ich an "graben".

(schreibt sich minutiös jetztt minuziös?)
- "minuziös" ist richtig geschrieben. Bei deinem Vorschlag ("minutiös"), handelt es sich um eine orthographische Variante der deutschen Sprache (gem. Wahrig).

Ganz liebe Grüsse auch von mir.
Jean-Claude

PS. schreibt man jetzt jetzt jetztt? ;-)) *entschuldigung*
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
aha.

du bist also ein schweizer. ja, da darfst du wohl manches anders schreiben als icke. ich bin so endlos empört über unsere rechtschreibreform, die zwar vieles vereinfacht, anderes aber kompliziert, wir gewinnen nichts durch die reform, verlieren aber einiges an bildung. ich hätt mir die platze geärgert, wenn du gesagt hättest, ja, es heißt jetzt minuziös. das würde für mich bedeuten, daß die zeit jetzt nach minuzen gemessen wird! bin neugierig auf weitere geschichten von dir. ganz lieb grüßt
 
Der fünfte Schlüssel

Klasse! Dicht geschrieben. Da ich selbst einmal eine kaufmännische Lehre mit zwei Jahren Berufspraxis in Büros gemacht habe, kommen mir da herrliche Bilder entgegen, die ich froh bin, nicht ausgelebt haben zu müssen.

Mit kafkaeskem Stil geschrieben - allerdings mit kürzungswerten Abschnitten - ich könnte jetzt gar nicht mal sagen, welche, weil jeder in sich schlüssig ist. Nur von der Tendenz her würd ich noch mal ein bißchen wegforsten.

Sonst Klasse! Auch der Plot der Story ist gut.
Glückwunsch.
doktordigitalis
 



 
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