Ein kleiner Fisch(Blankverse)

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Agnete

Mitglied
Ein kleiner Fisch (Blankverse)



Vater brachte freitags Fische mit.

Aus leeren Augen in den platten Köpfen

beglotzten sie den Raum vom Küchentisch.

Zehn Mäuler waren mühevoll zu stopfen

Und wieder würden wir wohl Gräten spucken

Und wieder stahl ich mich zur Peene fort.

Ihr klarer Spiegel glänzte in der Sonne.

Ich schwamm hinaus, das Wasser kraftvoll teilend

so weit, dass ich als kleiner Punkt nur blieb.

Dorthin, wo jenes alte Schiffswrack lag,

das flüsternd lockte und mir Märchen spann.



Ich kletterte hinauf und war Pirat.

Ein Mann, ein Degen - nicht ein kleiner Fisch –

der seine Schätze im Geheimen hütet.

Verträumte meine Zeit bis Abendsonne

in Schäfchenwolken hing, so rot wie Glut.

Als ich nach Haus kam, stand er in der Tür,

den Feuerhaken in der groben Hand.

Die Rosensträucher duckten sich in Nacht.



Für A.





 

Ubertas

Mitglied
Liebe Agnete,

dein Gedicht geht mir tief unter die Haut. Es erzählt für mich eine der traurigsten Geschichten.
Zwei Verszeilen, die sich wie schwere Gewichte auf die Schultern legen:

Ich schwamm hinaus, das Wasser kraftvoll teilend
so weit, dass ich als kleiner Punkt nur blieb.

Niemand sollte jemals dem, der an der Tür stand, begegnen müssen.
Feuerhaken machen klein.
Ein sehr bedeutsames Gedicht, aus feinster Empfindung geschrieben!

Lieben Gruß ubertas
 

Rachel

Mitglied
Liebe Agnete,

ich schließe mich Ubertas gern an. Dieses Gedicht holt familiären Schmerz und macht Seele und schwimmt und rettet sich in eine Landschaft aus Wasser.
Mir wunderbar neu - Kind und Meer. Ich wohne weit weg vom Meer.

Insgesamt also sehr beeindruckend und berührend wie du diesen grätenreichen Fisch an einen narrativen Haken bekommen und in die menschliche und unmenschliche Natur zurückgeworfen hast.

LG, Rachel
 

petrasmiles

Mitglied
Insgesamt also sehr beeindruckend und berührend wie du diesen grätenreichen Fisch an einen narrativen Haken bekommen und in die menschliche und unmenschliche Natur zurückgeworfen hast.
Wunderbarer Kommentar, der meine Empfindungen zusammenfasst, ohne dass ich es so hätte auf den Punkt bringen können!
Was für ein Gedicht, Agnete!

Liebe Grüße
Petra
 

Agnete

Mitglied
vielen Dank, liebe Ubertas. Kindesmisshandlung ist auch heute leider noch hachaktuell. Ich schrieb es für meinen Mann vor 20 Jahren, als wir sein Trauma aufarbeiteten. LG von Agnete
 

Agnete

Mitglied
Ja, Petra, Rachel hat es beinah selbst zur Poesie gemacht. Lieben Dank für deinen Kommi, der mich freut nach meiner Pause bei LL. Ich war zwischendurch eigentlich dauerhaft krank nach Corona...
Kinder haben keine Lobby. Wegsehen ist eben leichter als Einmischen...:rolleyes:
Vielen Dank auch fpr eure Sternchen, die mich sehr freuen.
LG von Agnete
 

Ubertas

Mitglied
Liebe Agnete,
so ist und war es immer. Es gab Zeiten ohne Hilfeschreie und diese Zeiten gibt es nach wie vor. Kinder sind die hilflosesten Geschöpfe. Dort sehe ich die größte Perversion.
Diese Abartigkeiten und der Seelenraub lassen Menschen unendlich mühsame Treppen steigen. Manchen gelingt es, ob als Kind oder Erwachsener, diese Stufen hinter sich zu lassen. Dafür braucht es Verständnis. Ich bin dankbar für jeden, der Feuerhaken zwar nicht vergisst, aber lernt, dass es niemals die eigene Schuld war, mit der sie ihm auferlegt wurden.
Ich habe die vorherigen Kommentare gelesen und wünsche dir Kraft und null Corona Viren!
Lieben Gruß ubertas
 

Agnete

Mitglied
vielen Dank, liebe Petra. Es wird langsam.
Ja, liebe Ubertas. Kinder schweigen lange. Wir Erwachsenen müssen genau hinschauen, denn auch heute gibt es viel Gewalt an Kindern. Danke schön und lG von Agnete
 



 
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