Ein kleines Licht bleibt doch.

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Blue Sky

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Die wenige Luft um mich herum ist schwer, verbraucht und staubig. Bewegungen sind nicht möglich.
In meinem trockenen Mund schmeckt es nach Eisen. Ich glaube, dass meine Augen weit aufgerissen sind, sehen kann ich nichts. Nicht der kleinste Lichtstrahl ist irgendwo zu erkennen und mein Zeitgefühl ist verloren.
Schmerzen spüre ich keine, genauso wenig wie meine Gliedmaßen. Ein Reiz zum Husten quält mich etwas, kann aber nicht tief genug einatmen, um es auch zu tun.
Ein Dröhnen um mich herum wechselt sich mit krachendem Schlagen und Brummen ab. Leise vernehme ich dazwischen einige Stimmen. Sie rufen etwas, scheinen aufgeregt zu sein.
Die Last auf meinem Brustkorb ist unerträglich und wird noch stärker. Es drückt mir die Lunge zusammen, meine Rippen geben weiter und weiter nach. Ich höre es knacken, aber plötzlich auch Hundegebell und auf einmal blendet mich grelles Licht. Ich sehe in freudige, aber angespannte Gesichter. Nur erkenne ich leider auch, dass mein rechter Arm zwischen zwei Betonblöcken verschwindet. Sie liegen flach aufeinander, haben ihn zerquetscht. Zumindest haben sie auch den Blutfluss abgeschnürt.
Die Leute reden mit mir, es wird immer heller und klarer und die Schwere auf mir verfliegt. Die Menschen um mich herum versuchen mich zu heben. Mir fällt der Kopf nach vorn und ich sehe meine Beine, zertrümmert, hinterher geschliffen.

Jetzt höre ich es wieder, erinnere mich ... an das Pfeifen der anfliegenden Rakete, an den Einschlag ohne Warnung, und dann …
Wirklich weiß ich gerade nicht, was ich denken soll. Man braucht nichts Böses getan haben, trotzdem kann ein Todesurteil gesprochen und vollstreckt werden.
Okay, das Atmen fällt mir gerade schwer. Es funktioniert aber noch, bin dankbar, jetzt gebe ich mein Land erst recht nicht auf.
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Eigentlich möchte man gar nicht so genau wissen, wie sich das anfühlt ... um so wichtiger für die, die in Frieden leben, für Frieden einzustehen.
Ein guter Text!

Liebe Grüße
Petra
 

Blue Sky

Mitglied
Danke für dein Feedback petrasmiles.
Ja, wohl denen, die gerade noch nicht zur Unterdrückung und/oder zur Vernichtung bestimmt wurden.

Dank auch ans stadtgeflüster für die Sternenbeschickung. Trotz Finsternis kann doch immer irgendwie ein kleines Licht bleiben ...

VLG
BS
 

Sammis

Mitglied
Hallo!

Die wenige Luft um mich herum ist schwer, verbraucht und staubig.
Bewegungen sind nicht drin.

Klingt für mich nach der Umschreibung eines Kindes. Das Eis ist rot, aber Erdbeere ist nicht drin. Dass die Luft steht, lässt sich sicher besser ausdrücken.

Ich glaube, dass meine Augen weit aufgerissen sind. Sehen kann ich trotzdem nichts.
Schon klar, der Mann ist verwirrt und so, dennoch klingt das für mich eigenartig. Man muss schon sehr durch sein, um das nicht mehr zu wissen. Und falls ja, machen all die folgenden Gedanken wenig Sinn.
Meine Augen sind weit aufgerissen, trotzdem kann ich nichts sehen.

Nicht die kleinste Lichtquelle ist zu erkennen und die Zeit ist mir verloren gegangen.
Warum Lichtquelle? Das wäre hier ja die Sonne oder eine Scheinwerfer oder Ähnliches und dann würde er dessen Schein ja schon viel früher bemerken, oder?

Ein Reiz zum Husten quält mich etwas, kann aber nicht einatmen, um es auch zu tun.
Kann er nicht einatmen, ist er tot. Ich weiß, wie es gemeint ist, aber so passt das mMn nicht.

Die Last auf meinem Brustkorb wird immer unerträglicher, drückt mir die Lungenflügel zusammen, Rippen geben nach.
Unerträglich einfach so als Wort zu steigern, halte ich für schwierig. Es ist ja unerträglich. Dann müsste da schon so etwas stehen wie: Ich dachte, es wäre unerträglich, aber jetzt ist es noch viel …
Zudem würde ich die Reihenfolge ändern: zuerst die Rippen, dann die Lunge.

Ein Hund bellt und auf einmal blendet mich grelles Licht. Ich sehe in freudige Gesichter, aber auch direkt auf meinen rechten Arm. Er ist fixiert zwischen zwei Betonblöcken, sie liegen flach aufeinander, haben ihn zerquetscht.

Wenn die ihn da drin finden, halb zerquetscht, mehr tot als lebendig, dürfte Freude mit das Letzte sein, was sich auf ihren Gesichtern zeigt.
Und liegen Betonblöcke flach (press) aufeinander, ist der Arm Mus. Wie kann er den dann sehen?

Liest man nur einmal kurz über den Text und freut sich an der Botschaft am Ende, mag der Text funktionieren. Klopft man ihn jedoch ein wenig auf Stimmigkeit ab, was bei diesem Thema mMn angebracht ist, verliert er für mich zu sehr an Glaubwürdigkeit.
Auch das Ende ist mir zu dick aufgetragen und schwarzweiß: Unschuldiger wir vom Bösen verurteilt und hingerichtet, entkommt knapp und steht dann erst recht dagegen auf.
Da steckt viel Potenzial drin, aber so berührt es mich kaum.

Beste Grüße,
Sammis
 

Blue Sky

Mitglied
Hi Sammis,

Vielen lieben Dank für deine umfangreiche Analyse.

Klingt für mich nach der Umschreibung eines Kindes. Das Eis ist rot, aber Erdbeere ist nicht drin. Dass die Luft steht, lässt sich sicher besser ausdrücken.
Ganz bestimmt kann man das aalglatt ausdrücken. In Katastrophenlagen und Kriegsgeschehen kommt es öfter als man denkt, dazu, dass harte und gestandene Typen wie Kinder ängstlich werden, sich so verhalten und sogar den lieben Gott um Hilfe bitten, warum sollten sie in einer solchen Situation nicht auch so beschreiben?

Schon klar, der Mann ist verwirrt und so, dennoch klingt das für mich eigenartig. Man muss schon sehr durch sein, um das nicht mehr zu wissen. Und falls ja, machen all die folgenden Gedanken wenig Sinn.
Meine Augen sind weit aufgerissen, trotzdem kann ich nichts sehen.
Schon klar, nun, wo du es sagst, glaube ich auch, dass man als halb tot verschüttete Person noch nicht "durch" genug sein dürfte, um alles verwirrt zu sehen.

Warum Lichtquelle? Das wäre hier ja die Sonne oder eine Scheinwerfer oder Ähnliches und dann würde er dessen Schein ja schon viel früher bemerken, oder?
Also, wenn ich begraben wäre und es zu realisieren beginne, wäre Licht das erste, nach dem ich Ausschau halten würde. Zudem würde ich es bemerkenswert finden, wenn ich nichts dergleichen entdecken könnte. Sei es nun ein fehlender Strahl der Sonne oder aus einem Scheinwerfer, egal wie auch immer, würde es mir zusätzlich Angst in die noch vorhandenen Glieder treiben.

Kann er nicht einatmen, ist er tot. Ich weiß, wie es gemeint ist, aber so passt das mMn nicht.
Man ist ja auch als Verschütteter manchmal nicht gerade in der passenden Lage, um frei durchzuatmen, und kann sie von allein noch nicht einmal herstellen.
Es gab schon viele die nur wie durch ein Wunder überlebt hatten!

Unerträglich einfach so als Wort zu steigern, halte ich für schwierig. Es ist ja unerträglich. Dann müsste da schon so etwas stehen wie: Ich dachte, es wäre unerträglich, aber jetzt ist es noch viel …
Zudem würde ich die Reihenfolge ändern: zuerst die Rippen, dann die Lunge.
Natürlich ist es unerträglich und wird mit der Zeit noch unerträglicher vor allem wenn Rettungskräfte unwissentlich dazu herumturnen und beschweren. Zuerst könnte ich die Lungenquetschung unerträglich finden, dann das Brechen der Rippen nicht mehr ...? Ich weiß ja nicht ...

Wenn die ihn da drin finden, halb zerquetscht, mehr tot als lebendig, dürfte Freude mit das Letzte sein, was sich auf ihren Gesichtern zeigt.
Und liegen Betonblöcke flach (press) aufeinander, ist der Arm Mus. Wie kann er den dann sehen?
Es ist wahrlich nicht einfach als Retter, aber ich würde immer versuchen, dem zu Bergenden gegenüber freudigen Optimismus auszustrahlen und nicht auch noch mit ihm und vielleicht anwesenden Angehörigen, um die Wette heulen. Aber das entspringt nur meiner komischen Meinung. Wenn meine Augen nicht gerade mit Sand und Staub vollgelaufen sind, kann ich meinen Arm sehr wohl sehen, der zwischen Betonschutt verschwindet.

Liest man nur einmal kurz über den Text und freut sich an der Botschaft am Ende, mag der Text funktionieren. Klopft man ihn jedoch ein wenig auf Stimmigkeit ab, was bei diesem Thema mMn angebracht ist, verliert er für mich zu sehr an Glaubwürdigkeit.
Auch das Ende ist mir zu dick aufgetragen und schwarzweiß: Unschuldiger wir vom Bösen verurteilt und hingerichtet, entkommt knapp und steht dann erst recht dagegen auf.
Da steckt viel Potenzial drin, aber so berührt es mich kaum.
Na ja, es scheint ja auch sowieso für viele eine unglaubwürdige Situation zu sein. Es ist auch kaum berührend, wenn sich jemand darin nicht kleinkriegen lassen möchte, ... das verstehe ich jetzt auch, wo du es so ansprichst. Gerade weil es für dieses Opfer ein sehr langer Weg werden wird, wenn es überhaupt noch zu einer Genesung kommen wird. Das ist ganz und gar nicht berührend, wenn derjenige in dieser Lage nicht aufgeben möchte.

Das alles soll jetzt keine Entschuldigung für meinen ungenügenden Text sein, sondern lediglich eine Erklärung, wie ich die Dinge sehe.

LG
BS
 

Sammis

Mitglied
Also, wenn ich begraben wäre und es zu realisieren beginne, wäre Licht das erste, nach dem ich Ausschau halten würde. Zudem würde ich es bemerkenswert finden, wenn ich nichts dergleichen entdecken könnte. Sei es nun ein fehlender Strahl der Sonne oder aus einem Scheinwerfer, egal wie auch immer, würde es mir zusätzlich Angst in die noch vorhandenen Glieder treiben.
Stimme ich dir zu. Meine Anmerkung hierzu zielte nicht auf Licht im Allgemeinen, sondern auf Lichtquelle.
Man ist ja auch als Verschütteter manchmal nicht gerade in der passenden Lage, um frei durchzuatmen, und kann sie von allein noch nicht einmal herstellen.
Es gab schon viele die nur wie durch ein Wunder überlebt hatten!
Auch hier bin ich kleinlich: Steht da: das Atmen fehlt mir schwer oder ich kann kaum mehr atmen, okay. Aber ich kann nicht einatmen, bedeutet tot nach 2 Minuten oder so.
Wenn meine Augen nicht gerade mit Sand und Staub vollgelaufen sind, kann ich meinen Arm sehr wohl sehen, der zwischen Betonschutt verschwindet.
Lese ich flach aufeinanderliegende Betonblöcke, habe ich keinen Betonschutt vor Augen. Und da steht halt, dass der Arm (der reicht von der Schulter bis zur Hand) eingeklemmt ist. Und nicht ein Teil meines Arms oder der Unterarm.

Alles Kleinigkeiten. Lese ich eine, okay. Häufen sie sich, ist das für mich eben nicht mehr okay.
Letztlich aber nur mein unbedeutendes Empfinden.

Beste Grüße,
Sammis
 

Blue Sky

Mitglied
Da muss ich dir erstmal zustimmen Sammis. Alles wird aus unterschiedlichem Empfinden auch anders wahrgenommen und dementsprechend interpretiert. Das passiert hier in der Lupe sehr oft und bereichert im Allgemeinen.
In der Grube wäre es mir aber furchtbar egal ob ich eine Taschenlampe finden würde oder nur ein kleines Feuerzeug, suchen und am liebsten hätte ich ein winziges Loch durch das Tageslicht als ein Hoffnungsschimmer dringt, gab es aber nicht.
Und gerade bei den Empfindungen, da war mir schon bei meiner im Moment noch ausklingenden hefigen Grippe, so, als ob ich nicht atmen könnte. Genau so, wenn ich an mir einen eingeklemmten Arm bemerken würde, wären meine letzten Gedanken, ist er bis zum Ellenbogen oder Mitte-Oberarm oder nur bis kurz über der Hand noch zu sehen ...? Ich würde wahrscheinlich einfach nur; Scheiße Arm ist platt denken ...
Wie schon angesprochen, man kann diesen Text bis in die kleinste Wortendung vielleicht sogar von einer KI blitze-sauber ausformulieren lassen, als würde es um einen Typen gehen, der sich auf Love Island im Liegestuhl einen runterholt.
Aber würden solch "gecleanten" Zeilen dieser Situation und den Zustand des Prot entsprechen und vor allem gerecht werden? Ich behaupte ganz einfach mal ... nö.

LG
BS
 



 
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