Ein letztes Flackern

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Jensolo

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Die Kälte der Nacht hatte indes die einsamen Straßen ausgefüllt. Nichts bewegte sich und außer einem leisen Tropfen im Nirgendwo war auch kein Ton zu vernehmen. Dem schwarzen Nebel der Nacht, der sich unaufhaltsam in den leeren Straßen ausbreitete, widersetzte sich nur noch eine einzige Straßenlaterne.
Doch es schien als würde auch dieser Lichtblick, der letzte Leuchtturm im Meer der Einsamkeit bald verlöschen. Die Glühbirne hinter dem verdreckten Glas fing an zu flackern.
Hätte sich eine arme Seele durch Zufall in diesen trostlosen Teil der Stadt verirrt, hätte sie mit einiger Mühe eine schwarze Silhouette auf der Spitze eben dieser Laterne erkennen können. Doch der dunkle Schatten blieb unentdeckt. Fast unsichtbar stiegen die Dampfschwaden seines ruhigen Atems zum Sternenhimmel empor und verschwanden dort.
Seit Monaten schon wartete er darauf, dass auch dieses letzte Licht verstarb. Und in dieser Nacht war es soweit. Mit einem letzten Flackern versuchte sich das künstliche Licht gegen sein Schicksal aufzubäumen... und verschwand.
Schwerfällig verebbte der letzte Schein, als das Wesen sich in Bewegung setzte.
Still und leise sprang es von einer unsichtbaren Laterne zur nächsten und landete nach einem kunstvollen Flug auf einer der über die Jahre zerborstenen Betonplatten, über welche einst viele geschäftige Menschen liefen, um ihren täglichen Arbeiten nachzugehen. Zwischen den gebrochenen Kanten kletterten langsam und unaufhörlich einzelne Gräser zur kühlen Nachtluft empor. Das Wesen beugte sich in ihrer Gegenwart herab und begann mit betrübter Stimme zu sprechen.



Einst, vor tausenden von Jahren,
in einer Welt, scheinbar ohne Gefahren,
waren mein Volk und ich
die Elfen des Lebens und des Lichts
die Hüter aller Wiesen und Haine,
die Beschützer des Lebens und seiner Reine.

Doch ach, mein Freund, so blicke dich um,
das Wesen der Menschen besiegelte unser Tun,
Und so stand das Schicksal meines Volkes fest,
denn sieh, ich bin der traurige Rest.

In meiner ewigen und einsamen Gram,
richte ich mich nun an dich, den jungen Halm
auf dass aus der Menschen hinterbliebenen Erbe
etwas neues wird, bevor auch ich letztlich sterbe.

Drum sag es deinen Brüdern, Schwestern und Kameraden,
das verlassene Tal in diesen leblosen Gestaden
soll heut Nacht erwachen, in seinem wunderlichen Streben
der Erde ihr Leben zurückzugeben .



Als der Elf letztlich endete, stand er auf, streifte weiter durch die einsamen Straßen und nur die Sterne schienen seine Mühen, das Leben aufzurütteln, zu bemerken.

Der Morgen kam und riss die Schwärze aus den Ecken und Winkeln der Strassen. Mit ihr verschwand auch der Elf und die Überreste der Stadt erwachten allmählich in einem ermutigenden Grün.
 



 
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