Ein lila Glimmen zeigt der Kissensaum (Ghasele)

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ein lila Glimmen zeigt der Kissensaum

Ich wachte auf aus meinem Traum im Traum
und lag im Bett in einem kahlen Raum,
ich wusste nicht mehr, was und wer ich bin,
ich lag im Kissen, es war weich wie Flaum,
und warf den Blick auf eine ferne Tür,
er traf und floss und wuchs zu buntem Schaum,
von einem Sturmwind heftig aufgepeitscht,
hielt ich ihn nur noch mühevoll im Zaum.
Wo bin ich? Liege ich noch tief im Schlaf?
Im tiefstem Innern spüre ich es kaum,
ob ich schon wach bin in der großen Welt,
ein lila Glimmen zeigt der Kissensaum.
 

mara

Mitglied
Diese unwirkliche Traum-Dämmerschlaf-Situation, an der die Grenzen von real und unreal verschwimmen - wer kennt sie nicht? Du hast das sehr schön verdichtet. Nur ein Vers stolpert für mein Gefühl:

Wo bin ich? Liege ich noch tief im Schlaf?
Es gelingt mir auch mit sehr viel gutem Willen nicht, die bedeutende Frage "Wo bin ich" nur mir einer Hebung auf "bin" zu lesen. So ist es sicherlich gedacht - nur funktioniert das für mich nicht. Ich würde immer auch das "wo" betonen. Die Zäsur macht das flüssige Lesen der Zeile m.E. zusätzlich schwierig.

Idee: Ich frage mich - bin ich noch tief im Schlaf?

Liebe Grüße!

mara
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke für die Besprechung. Mir wäre nie eingefallen, dass diese Stelle Schwierigkeiten macht.
Manchmal sind aber kleine Betonungsvarianten ausschlaggebend.

"Wo bin ich?" ist als erstaunte Frage gedacht, eher als rhetorische Frage. Vielleicht sollte ich die dahinterliegende Pause nach der Frage noch verstärken:

Wo bin ich? - Liege ich noch tief im Schlaf?

Eventuell:
"Wo bin ich nur? Vielleicht noch tief im Schlaf?"

Aber das verschiebt die Gewichte innerhalb des Verses.

"Ich frage mich - bin ich noch tief im Schlaf?"
Das passt rhythmisch, aber es entfernt das Erstaunen und ersetzt es durch Betroffenheit.
 

mara

Mitglied
Manchmal sind aber kleine Betonungsvarianten ausschlaggebend.
Daran hängt es oft. :) Dein Vers ist ja auch nicht falsch, er fügt sich nur für mich nicht so harmonisch ins Gesamtgefüge wie die anderen Verse.

Ich verstehe natürlich, wenn du bei der ursprünglichen Version bleibst, schließlich hat du dir ja was dabei gedacht. :)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Aber ich autorisiere Deine Form zusätzlich.
Wenn Du es vorträgst, kannst Du sie als Gemeinschaftswerk verwenden, oder sie auch weiterverteilen. Klingt das gut?

Es kommt ja auf den Vortrag an.
 

mara

Mitglied
Bernd, es ist immer noch dein Gedicht und kein "Gemeinschaftswerk". :) Würde ich es vortragen, dann selbstverständlich nur deine Version. Im Vortrag selbst kann man mit der Metrik ohnehin spielen - da spielt das gar nicht mehr so eine große Rolle. ;)
 



 
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