Ein Märchen wie aus dem täglichen Leben

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Hagen

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]von dem netten, dem tapferen, dem bösen und einigen anderen Rittern, einem Drachen sowie einer Prinzessin

Ein Märchen wie aus dem täglichen Leben

Es war einmal eine Kleinanzeige,
die in den Camelot-News erschien:

Junge Prinzessin
Von Drachen festgehalten
Wartet auf ihren Retter[/B]


Diese Anzeige wurde von vielen Helden gelesen. Wie es sich für ein ordentliches Märchen gehört, machten sich zahlreiche Ritter auf, die Prinzessin zu retten.

Auf machte sich zuerst der nette Ritter, die Prinzessin zu retten. Dieser Ritter war insofern ein netter Kerl, dass er stets, wenn er über die Straße ging, eine alte Dame mit hinüber geleitete, und wenn am Nachtschalter der Post oder im Supermarkt an der Kasse eine Schlange war, und irgendjemand stänkerte herum, überließ er ihm seinen Platz.

Er fuhr in geschlossenen Ortschaften nie mehr als fünfzig, und wenn eine Ampel von Grün auf Gelb umsprang, nahm er den Fuß vom Gas.

Wenn er Taxi fuhr, nervte er den Fahrer nicht mit Vorschlägen über kürzere Strecken, versuchte nicht, ihn zu überreden, die Uhr abzustellen und gab stets ein angemessenes Trinkgeld.

Wenn ihm jemand sein Leben erzählte, oder ihm vorjammerte, wie gemein die Leute zu ihm seien, hörte er andächtig zu und zeigte Mitgefühl. Selbst zu Punkern war er freundlich, und wenn ihm ein Penner seinen Hut unter die Nase hielt, tat er eine Münze hinein.

Dieser nette Ritter wollte die Prinzessin retten, weil er allein den Gedanken nicht ertragen konnte, eine Prinzessin in den Klauen eines Drachen zu wissen.

Als nächster machte sich der tapfere Ritter auf, die Prinzessin zu retten.

Dieser Ritter war insofern tapfer, als dass er sich bei Demonstrationen immer ganz vorne aufhielt, wo mit Sicherheit die Kameras der Presse klickten. Er ließ sich mit einem Helm unter dem Arm neben Kampfflugzeugen fotografieren und besaß ein Auto ohne Feinstaubpartikelfilter, das über 200 km/h fuhr, was er auch bis ins Letzte ausnutzte.

Diesem tapferen Ritter ging es weniger um die Prinzessin, als um den Drachen, den er zu töten beabsichtigte, um einige neue Schlagzeilen zu bekommen.

Und dann war da noch der böse Ritter, der sich aufmachte, die Prinzessin zu retten. Der Böse Ritter fuhr zuweilen bei Rot über Kreuzungen und bestach die Richter, wenn er ertappt wurde.

Wenn er Taxi fuhr, beschuldigte er den Fahrer stets, einen Umweg gefahren zu sein, versuchte anschließend um den Preis zu feilschen und gab niemals Trinkgeld.

Er handelte mit Giftgas, stahl den Kindern den Sand vom Spielplatz, verkaufte ihn weiter und drehte den Junkies gestreckten Stoff an.

Seinen Freundinnen machte er billige Geschenke, ließ sie in Restaurants selber bezahlen und benutzte beim Beischlaf nie ein Kondom.

Die Prinzessin wollte er nur retten, um mit ihr ins Bett gehen zu können.

Schließlich las auch ein dummer Ritter die Anzeige, als er in einem überteuerten In-Restaurant saß und einen bunten Cocktail, in dem ein Papierschirmchen steckte, mit einem Trinkhalm zu sich nahm. Auf dem Tisch vor ihm lag stets ein teures Handy, das nur kostspielig war, weil ein schwuler Designer ein Metallteilchen gestaltet hatte, das nur die Funktion hatte, des Handys Preis zu verzehnfachen.

Weiterhin rauchte der dumme Ritter Filterzigaretten, die voll im Trend lagen, trug stets Markenklamotten mit riesigen Logos und glaubte immer noch, mit der Riester-Rente und Investment-Fonds reich werden zu können.

Er kaufte alle Produkte, die das Werbefernsehen unaufhörlich sendete und konnte sich nicht vorstellen, dass man über das Internet auch Viren in den Computer laden kann.

Weil er gerade kein Pferd hatte, stieg er in seinen ‘Mustang‘ und fuhr los. Weil er keine Karten lesen konnte, hatte er sich, um zu des Drachens Höhle zu gelangen, ein Navigationssystem mit absolut coolem Design gekauft, das ihm ein smarter Verkäufer aufgeschwatzt hatte.

Weil das Navigationssystem nicht den Unterschied zwischen einer Brücke und einer Autofähre kannte, fuhr der dumme Ritter auf dem Weg zu des Drachens Höhle in einen Fluss.

Da der Designer der Designerrüstung, die der dumme Ritter bereits angelegt hatte, keine Schnellöffnungsvorrichtung vorgesehen hatte, ertrank der dumme Ritter bereits auf dem Weg zu des Drachens Höhle und kommt in diesem Märchen nicht mehr vor, genau wie Rainer Andreas Seemann, der in diesem Märchen überhaupt nicht vorkommt.

Der schwule Ritter las die Anzeige auch, aber er sah keinen Handlungsbedarf, die Prinzessin zu retten, obwohl Ritter in ordentlichen Märchen grundsätzlich Prinzessinnen befreien. Zudem hatte er Angst, dass seine rosa Rüstung Schaden nehmen könnte. So blieb er lieber Zuhause bei seinem Freund.

Nicht zu vergessen war der naive Ritter.

Der Naive Ritter glaubte alles, was die Abgeordneten vor den Wahlen erzählten, glaubte, was die Werbung versprach, und wenn ihm eine Dame erzählte, dass sie ihm zugetan war, glaubte er ihr.

Er glaubte an das Gute im Menschen und er glaubte daran, dass alles gut wird.

Wenn er in einer Kneipe saß, gab er den anderen Anwesenden einen aus und war erstaunt, dass ihm niemand einen ausgab. Als er einmal sein Portemonnaie mit sämtlichen Kreditkarten verlor, glaubte er an die Ehrlichkeit des Finders und wunderte sich, dass sein Konto wenig später leer geräumt war.

Die Prinzessin wollte er retten, weil er glaubte, dass Prinzessinnen, stets denjenigen heiraten, der sie aus den Klauen eines Drachen befreit.

Da der naive Ritter Gewalt verabscheute, wie es ihm seine Lehrerinnen in der Realschule erzählt hatten, ging er zu einem Rechtsanwalt und gab dem viel Geld, damit er für ihn tätig werde.

Das tat der dann auch, indem er dem Drachen einen Brief schickte.

Als die drei verbliebenen Ritter nun vor des Drachens Höhle standen, begann der Böse den Drachen auf das Übelste zu beschimpfen und zu beleidigen. Er bezichtigte den Drachen HIV-positiv zu sein, hohe Schulden zu haben, Transgender zu sein und ließ sich lästerlich über des Drachens Potenz aus. Zudem unterstellte er ihm, bei der letzten Bundestagswahl eine radikale, rechte Partei gewählt zu haben.

Der Drache hörte sich das Geschrei nicht lange an, trat vor seine Höhle, spie Feuer und fragte:

„Wer pöbelt hier so unflätig herum?“

„Er dort“, sprach der böse Ritter und zeigte auf den netten Ritter, „Jener! Er will euch töten, um die Prinzessin zu befreien!“

„Verzeiht, edler Drache“, antwortete der nette Ritter, „erlauben Sie mir, diesen Irrtum aufzuklären ...“

„Hier wird nicht rumdiskutiert!“, schnaufte der Drache, der seit seiner Kommunenzeit in den ‘68igern keine Lust mehr auf Diskussionen verspürte, spie erneut Feuer, röstete den netten Ritter damit, schälte den netten Ritter aus seiner Rüstung, fraß ihn auf und leckte sich die Lippen. Danach kehrte er in seine Höhle zurück und trank einige Liter verbleiten Benzins, um bei Bedarf abermals Feuer speien zu können.

Der böse Ritter verkaufte dem tapferen Ritter daraufhin ein Schwert vom Typ Drachentöter GTI - das er ohne dessen Wissen angesägt hatte - und sagte zu dem tapferen Ritter:

„Nun, teurer Freund, an Camelots Tafel hörte ich, dass es mit Eurer Tapferkeit nicht weit her sein soll.“

„Ha!“, rief daraufhin der tapfere Ritter, und: „Wohlan!“, denn er hatte gelesen, dass tapfere Recken bei derartigen Gelegenheiten stets „Wohlan!“ rufen.

Alsdann ritt er mit gezogenem Schwert vom Typ Drachentöter GTI in die Höhle des Drachens.

Das Letzte jedoch, was der tapfere Ritter in diesem Leben vernahm, war das scheppernde Geräusch, das die abgebrochene Klinge des Drachentöters GTI verursachte, als sie zu Boden fiel.

Der böse Ritter mischte daraufhin den Sprengstoff eines panzerbrechenden Hohlladungsgeschosses, welches er – wie es sich für ein derartiges Märchen gehört – von Ungefähr gefunden hatte, in das Benzin, das der Drache zu trinken pflegte, um Feuer speien zu können. Hernach hub er erneut an, den Drachen durch unflätige Reden zu ärgern.

Der Drache reagierte wie erwartet: Er spie Feuer und zerbarst in tausend Stücke.

Als der böse Ritter daraufhin in des Drachens Höhle schritt, fand er die Prinzessin auf dem Sofa sitzend vor. Sie war klein, fett, obendrein lesbisch, hatte Sichelfüße und eine leere Flasche in der Hand. Die Flasche warf sie umgehend nach dem bösen Ritter. Der kehrte daraufhin auf dem Absatz um, dass die Sporen klirrten, ging weg und ward glücklich, weil er diese Prinzessin weder zu heiraten noch vom Suff abzubringen brauchte, wie es in einem bewährten Märchen der Fall gewesen wäre.

Der Prinzessin hingegen blieb nichts anderes übrig, als mit einem Taxi nach Hause zu fahren, weil es keinen Drachen mehr gab, der ihr Täglich Schnaps darreichte.

Sie gab dem Taxifahrer kein Trinkgeld.

Wie es sich weiterhin für ein ordentliches Märchen gehört, erwuchs aus des Drachens Blut eine Blume; - in dieser Dichtung eine Solche mit wunderschönen weißen Blüten. Sie wurde später als ‘Schierling’ bekannt und erlangte legendäre Berühmtheit weil der Kollege Sokrates dereinst unangenehme Erfahrung mit ihr machte.

Die kleine dicke Prinzessin mit den Sichelfüßen jedoch trifft man bisweilen in Szenekneipen an, in denen sie große Sprüche macht und von ihren Memoiren erzählt, die sie demnächst zu schreiben beabsichtigt und Hella von Sinnen widmen will.

Alsbald lernte die kleine dicke Prinzessin den Anwalt des naiven Ritters in einer dieser Kneipen kennen und ging fortan mit diesem jeden Dienstag und Donnerstag ins Bett.

Der naive Ritter bemerkte das nicht. Da er aber weiterhin an das Gute glaubte, beauftragte er den Rechtsanwalt festzustellen, ob der Drache die Prinzessin rechtmäßig festgehalten hatte.

Der Rechtsanwalt machte sich umgehend daran, diesen Fall juristisch zu prüfen.

Und wenn der naive Ritter nicht gestorben ist, dann zahlt er noch heute.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Hein,

wo liegt denn hier der Wahnwitz?
Wenn ich mir die Menschheit so anschaue, verfestigt sich bei mir die Auffassung das der Intelligenzquotient (fast) aller Menschen eine Konstante ist; -
lediglich die Bevölkerungszahl wächst!

Wir lesen uns!
Herzlichst
Yours Hagen
 

hein

Mitglied
Hallo Hagen,

du hast recht, "Wahnwitz" ist nicht richtig.

Ich glaube ich wollte eigentlich "Wortwitz" schreiben.

Also einfach: deinen Schreibstil und die Formulierungen finde ich einfach gut.

Und das mit dem Intelligenzquotienten ist doch natürlich: die Bevölkerungszahl wächst doch in erster Linie, weil die Menschen immer länger am Leben gehalten werden können - es also mehr Alte gibt. Und beim Alterungsprozess geht doch einiges verloren.
Dagegen steht zwar die Altersweisheit, aber zumindest meine sagt in diesem Zusammenhang, das man sich damit abfinden muss. Man kann zwar gegen den geistigen wie körperlichen Verfall ankämpfen, aber letztlich verlieren wir alle.

LG
hein
 

Hagen

Mitglied
Hallo Hein,
Du hast ja soooo recht!
Auch ich kämpfe in meinem Alter gegen alle möglichen Verfälle an; - am Meisten gegen den geistigen Solchen.
Allerdings; - beim Kampf Kopf gegen Herz verliert stets die Leber!
Wir lesen uns!
Liebe Grüße
yours Hagen
 

hein

Mitglied
Hallo Hagen,

vielleicht hat der geistige Verfall ja auch etwas mit dem Genuss von Spirituosen zu tun.
Von meiner Frau kamen schon solche gefährlichen Äußerungen.

LG
hein
 

Hagen

Mitglied
Hallo Hein,
in der Tat, Deine liebe Frau hat recht!
Seit meine Herzensdame und ich eine Hausbar (die ScheinBAR) gebaut haben, ist unser gemeinsames, neues Hobby das 'erarbeiten' selbstkreierter Cocktails, wobei es manchmal gar nicht so einfach ist, dabei 'nüchtern' zu bleiben.
(Betrunken ist man erst, wenn man am Boden liegt und sich festhalten muss!)
Trotzdem haben wir durchaus nachahmenswerte Cocktails Kreiert, z.B.

Gin Tonic à la Ulrike:
Zutaten

  • 5 cl Dry Gin (Wacholder-betont)
  • 3 cl Granatapfelsaft
  • 12,5 cl Tonic Water
  • 4 – 5 mittelgroße Eiswürfel
  • 1 Garnitur
Anleitungen
  • Gib zunächst die Eiswürfel ins Glas und gieße anschließend Gin hinzu.
  • Nun Limettenzeste, Gurkenscheibe oder Botanical des jeweiligen Gins hinzugeben.
  • Mit Tonic Water auffüllen.
absolut geil!
oder aber
Die schönsten Drinks der ScheinBAR

Veronikas Traum (Veronika ist der zweite Name meiner Herzensdame Ulrike)

3 cl Gin
1 cl Alte Liebe
1 cl Cointreau
2 cl Granatapfelsaft
3 cl Ananassaft (mit Stücken)
Eis

Ich komme nicht mehr auf den Hocker
(nicht weil Ulrike besoffen war, sondern der Barhocker zu hoch eingestellt …)​

2 cl Whisky (Kanadian)
2 cl Amaretto
2 cl Sahnelikör
2 cl Granatapfelsaft
1 Spritzer Limettensaft
Eis

Die folgenden Cocktails sind von mir:

Powerslide

4 cl Whisky (Bourbon)
2 cl Gin
2 cl Amaretto
1 cl Fernet Branca
2 cl Granatapfelsaft
Eis

Titanicstopper 1. Klasse

4 cl Blue Curaçao
3 cl Gin
2 cl Limettensaft
Auffüllen mit Sekt
Eis

Titanicstopper 2. Klasse

3 cl Blue Curaçao
2 cl Wodka
1 cl Limettensaft
Auffüllen mit Fanta
Eis


Titanicstopper Zwischendeck

2 cl Blue Curaçao
1 cl Wodka
Spritzer Limettensaft
Auffüllen mit Wasser
Eis

Nun ja, schon wieder so lang geworden,
deshalb liebe Grüße auch an Deine liebe Frau!
Herzlichst
Yours Hagen

Wir lesen uns!
 

hein

Mitglied
Hallo Hagen,

ich werde dies mal für die langen Nächte auf der Terrasse aufbewahren - wenn es denn mal wieder Sommer wird.

Ich persönlich bevorzuge trockenen Weißwein und, wenn es denn zum Essen passt (Fisch muss schwimmen!) den hier als Norddeutschen Landwein angesehenen Kümmel (32%).

LG
hein
 

Hagen

Mitglied
Hallo Hein,
entschuldige, dass ich so spät antworte, aber ich war bei meiner Herzensdame und wir haben auch mal Kümmel verkostet. Mich erinnerte der Geschmack an waffenfähiges Plutonium, meine Herzensdame vermisste allerdings nur den Cocktailartigen Geschmack; - ich konnte sie mit Gin Tonic à la Ulrike sowie einer 'alten Liebe' (gefühlt sind wir nämlich schon eine halbe Ewigkeit zusammen) versöhnen.

Wir lesen uns!
Herzlichst
yours Hagen

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Achte auf Deine Gedanken,
denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Gewohnheiten,
denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deine Handlungen,
denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Worte,
denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deinen Charakter,
denn er wird Dein Schicksal.

Asiatisches Sprichwort​
 



 
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