Ein normales Leben

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Cheunh

Mitglied
Michel ging Gewissenhaft zur Arbeit. Immer. Bei jedem Wetter. Er musste ja. Sein Leben hing davon ab. Er mochte die Arbeit nicht. Aber er war zu alt und zu verbraucht, um sich noch eine andere Arbeitsstelle zu suchen. Er war noch viel zu jung zum sterben. Innerlich gestorben war er aber schon vor Jahrzehnten. Morgens müde hintrotten, abends erschöpft in den Schlaf fallen. Dazwischen Mahlzeiten und die nötigsten Minuten Regeneration. Nicht mehr. Das war sein Leben. Er arbeitete hart. Sehr hart und sehr emsig. Doch sein Geld konnte er nicht ausgeben, da er keine Zeit hatte. Nahm er sich die Zeit, so neigte sich das Geld rasch dem Ende und er musste abbrechen und weiter hörig arbeiten. Er schuftete Überstunden, weil man ihm so sagte. Falls etwas Geld über sein sollte, verballerte er es für Belangloses. Die in der Werbung, teilten ihm mit, davon glücklich zu werden. Die Arbeiterpartei, die er treu wählte, sagte ihm, glücklicher zu sein – und seinen Beitrag zu leisten, also dem Kollektiv zahlen. Jeder sagte ihm, glücklicher zu sein. Es ging ihm doch gut. Doch irgendwie konnte er nicht. Vor allem glücklich sollte er sein, so sagten sie, wenn er den Großteil seines Geldes dem Kollektiv abgeben musste. Davon würde die Gesellschaft, also letztendlich auch er, glücklich werden. Michel hatte nichts gegen die Gesellschaft. Er mochte seine Freunde. Immer mehr Geld wurde ihm entnommen. Doch es kam nichts zurück. Von ihren Banketten sagten sie ihm immer wieder, doch endlich glücklich zu sein.
Doch der einzige Gedanke, den er noch fassen konnte, traute er sich nicht zu sagen, dafür war er zu kraftlos: "Warum?"
 



 
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