Ein schöner Nachmittag

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flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ein schöner Nachmittag
Diesmal freue ich mich auf den Samstag! Es wird ein schöner Tag. Na ja, vielleicht auch nur ein schöner Nachmittag, aber immerhin. Ein kluger Kopf hat mal gesagt: Wer einen schönen Tag haben will, muss sich einen machen. Männer haben es da ja etwas leichter als Frauen, aber das ist ein völlig anderes Thema.
Ich jedenfalls habe mir eine CD gekauft mit den herrlichsten Harfen – Melodien der Musikgeschichte und dazu eine sehr gute Flasche Rotwein. Damit setze ich mich gemütlich in meinen Ohrensessel und werde auf den Schwingen von Orpheus – Klängen bald in eine Märchenwelt versetzt werden. Beim ersten Anhören ist es immer am schönsten!
Die Flasche ist schon halb leer. Es erklingt die Barkarole aus Hoffmanns Erzählungen. Sacht schwebe ich auf einer Gondel durch Venedig, geradewegs auf eine Waldlichtung zu. Wald in Venedig? Edwin, stelle jetzt nichts infrage, genieße einfach!
Auf der Lichtung steht eine goldene Harfe. Ihre Haare blitzen in der Sonne, als wären sie mit Diamanten besetzt. Seit wann hat ne Harfe Haare?! Ah, sie gehören zu einer wunderschönen Frau, die vorn an dem königlichen Instrument festsitzt wie eine Galionsfigur an einem Schiff. Sie lächelt mir zu. Ich mache meinen staunenden Mund zu und danke mit einer leichten Beugung meines Hauptes. Sie winkt, ich soll näher treten. Edwin, pass auf!
Natürlich trete ich näher. Eine solche Schönheit betrachtet man doch gern aus der Nähe! Ihre blauen Augen strahlen mich an: „Na, möchtest du ein wenig mit mir spielen?“ Ich versichere ihr wortreich, dass ich überhaupt kein Musikinstrument spielen kann, nicht Mal das einfachste. „Das macht nichts“, lächelt sie honigsüß. „Wenn du auf meinem unteren Rücken sitzt, wirst du es sofort können“.
Keine Ahnung, wie ich auf ihr zu sitzen kam, aber meine Finger zauberten die anmutigsten Melodien und Klänge – ich war ganz hingerissen von meiner Kunstfertigkeit!
Plötzlich ein Misston, als wäre eine Saite gerissen. Ihre Stirn legte sich in Falten und sie zischte: „Solche Vorkommnisse werden hart bestraft!“
Erst jetzt sah ich, dass ihre Hände mit langen, scharfen Fingernägeln versehen waren. War diese entzückende Maid etwa eine Schwester von Edward mit den Scherenhänden? Ein weiterer Misston entwich meinen zitternden Fingern und sie jagte mir ihre spitzigen Nägel in die Hüfte – Aua! Das war zu viel. Schnell runter und weg hier!

Vor meinen Augen ein Tischbein, ein zerbrochenes Weinglas, eine Rotweinpfütze. Aus dem Apparat das Schleifen einer zu Ende gehörten CD. In der Hüfte mein alter Freund, der Ischias.

Ein schöner Nachmittag!
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Ja so kann es gehen,

wenn man sich mit seinen schönsten Illusionen anlegt. Eine hübsche kleine Satire auf die Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit mit einer schmerzhaften und verblüffenden Pointe.

Gern und mitfühlend gelesen vom grüßenden … Ironbiber.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
vielen

dank für s lesen, kommentieren und bewerten.
wir waren am samstag im friedrichstadtpalast, da gab es in einem bild von "Show me" diese wahnsinnsharfe zu sehen. diese tolle show mit weltklasse - artistik ist meiner meinung nach das eintrittsgeld wert!
lg
 



 
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