ein tag

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ein tag


in fernen scheinen dort am horizont wolken
sich auf zu bauschen kokon ti nent:
wir landen​

bereits – das meer ist umrahmt vom hohl planeten:
ein ball von glas verschlieszt das morgen
im spiegel​

nimmt ihm den venus pol und futtert futuren
pent hexe mästet hänsle maigret
tell freit sie​

aurora empfängt den morgen und so ward ara
bwa bocker ein tag geboren der nacht:
der lamm leu​
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
das scheint ja wirklich dein saft zu sein mit dem aufsplittern von wörtern. ich persönlich empfinde das (sei nicht beledigit) als lästig. kann schon ab und zu passieren aber es ist nur ein spielchen. wie ich sehe machst du das aber in vielen deiner gedichte. warum? macht dir das so viel spaß? findest du es ästhetisch? kommt es gut an? erfreut es die leser*innen?

bitte sei mir nicht böse. ich möchte nur unüberheblich und aufrichtig beitragen zu deiner weiterentwicklung im lyrischen

zb. kokon ti nent
was für eine assoziation habe ich als leser / welche konnotation trägt für mich dieses aufgeteilte spiel wort? es würde reichen "kontinent". so denke ich zusätzlich an ein kokon. aber was bringt mir das? ok ein kontinent kann somit in gedanken mit einem kokon verbunden werden. ok ich verstehe. ti und nent bedeutet sicherlich was auf einer mir fremden sprache und somit weiß ich nicht was das soll. auf den ersten blick fallen mir aber hier insbesondere der humor und die leichtigkeit auf, die solche umstellungen und aufteilungen von wörtern mit sich ziehen. allerdings weiß ich nach wie vor nicht ob ich das mag.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja Hansz,
aber Kunst liegt auch immer im Auge des Betrachters.
Wenn Etma nun versucht einen Zugang zu deinen Gedichten zu finden, sollte dir die Antwort doch etwas mehr wert sein.

Liebe Grüße
Manfred
 

Tula

Mitglied
Hallo
Was die Stelle angeht, sind es die Bilder der Wolken - Kokon (Schutz) - ein ferner Kontinent für sich - nicht nur bildlich. Sehnsucht? Warum nannte die Bachmann ein Liebesgedicht: dunkler Erdteil?
Kunst braucht auch Phantasie

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
ok also ich kommentiere ein werk und erkläre dem autor, wieso mir das gedicht nicht gefällt (soweit so frech), dann wird mir aber unterstellt, ich wüsste nicht was kunst ist und dass ich keine phantasie hätte. danke mondnein und tula. sehr konstruktiv. sowas habe ich erwartet von der leselupe. ich entschuldige mich bei dir mondnein, insofern ich dir zu nahe getreten bin oder dein werk zu harsch kritisiert habe (?) aber nach all den jahren hätte man doch annehmen können, dass ihr zumindest ein bisschen weniger beleidigend mit euren leidensgenossen umgeht.
 

Tula

Mitglied
Hallo Etma
Ich habe dir nicht vorgeworfen, dass du keine Phantasie hättest, was deine Gedichte ja auch widerlegen würden. Ich habe geschrieben, dass Kunst nicht nur von Aussage und schöner Form lebt, sondern eben auch von Phantasie.
Mondneins Gedichte sind nicht auf Aussage getrimmt, sondern sprach- und klangexperimentell angelegt. Da dies nun mal seine künstlerische Absicht ist, sollte man ihm letztere auch nicht vorwerfen. Im Gegenteil: der Absicht entsprechend den gelegten Spuren nachgehen.

Meine gute Bewertung hier hat vor allem mit der zitierten Strophe zu tun. Ich finde nämlich die Kokon-Wolkenkontinent-Assoziation sehr schön. Allein die Verbindung von Wolke und Kontinent, weil letzteres auf meiner, nennen wir es 'seelischen Metaebene' allerhand Gefühle weckt: Fernweh unter anderem. An einem verträumten Tag durchaus sehr anregend.

Und deshalb mag ich Lyrik, wenn sie sich sprachlich nicht auf das Greifbare beschränkt, sondern weiter dringt, hinein in die oben genannte Ebene.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
gut, das freut mich, dass ich dir etwas falsches unterstellt habe, bzw tut es mir dann auch leid.

ja mir sind diese art von gedichten doch noch etwas zu fremd, alsdass ich gute verbesserungsvorschäge geben könnte. was lustig ist, weil ja an sich sprach- und klangexperimente genau meiner vorliebe entsprechen. dissonanzen also unerklärlich.

edit: ach und danke für deinen nun hoffentlich richtig interpretierten impliziten lob, tula! aber jetzt weiche ich nicht mehr vom thread ab, sorry.
 

HerbertH

Mitglied
einfach mal laut lesen, den klängen nachspüren, die assoziationen verfolgen, den neuen sinnzusammenhängen nachsinnen, den eignen gedanken spielraum lassen den text zu spiegeln - nicht alles was man nicht gleich durchschaut ist unsinnig - es ist das salz in der suppe der einsicht und des weltempfindens

sach ich jetzt einfach mal so

nicht ganz so formschön und wortgewaltig - aber das habe ich grad ja oben gelesen :)
 

Soljanka

Mitglied
Man muss sich darauf einlassen wollen. UnÜberheblich und aufrichtig.

@ Mondnein - kannst du mir was zu ara bwa sagen? Ich hab sonst immer die Arabischen Wasserwerke im Kopf, die mir Google geliefert hat...

Gruß von Soljanka
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
zum "Kunst"-Begriff:

Er ist spätestens seit den Sechziger Zahren des vorigen Jahrhunderts ins Extreme erweitert worden: "Alles ist Kunst" und "Jeder ist ein Künstler", so, wie schon in früheren Zeiten alles ins Auge des Betrachters gelegt worden ist. Wenn der "Kunst"-Begriff dabei vor allem die "Schönheit" ins Auge des Betrachters legt, wird die ins Leere generalisierte Erklärung, daß jeder ein Künstler und alles Kunst sei, wieder verdichtet zur Suche nach dem ästhetischen Reiz.

Ich würde diesen ästhetischen Reiz insbesondere in dem programmatischen Titel sehen, den Miles Davis seinem Doppelalbum eins gegeben hat: Die Konzentration des Schönen, das der Künstler sucht und die Höreraufmerksamkeit in den heftig zwischen die Pianoglockenklänge gespuckten Symkopen des Trompetensginals babäbb babäbb babäbb babäpp babäpp ... aufspürt, ist - "Bitches Brew", "Hurengebräu".

Das ists.

zu "ara bwa bocker" in der letzten Strophe und damit auch zugleich zum Titel:


WJHJ -°RB WJHJ -BQR JWM 'ChD
wa-jehî -°äräb wa-jehî -boqär jôm 'ächâd.

und es wurde Abend und es wurde Morgen: Tag Eins.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
du hast recht, manfred, es gibt menschen denen das aufgefallen ist :)

nimmt ihm den venus pol und futtert futuren
pent hexe mästet hänsle maigret
tell freit sie
hier zum beispiel:
die konnotationsweite dieser wortkombinationen ist für mich so groß, dass ich nur irgendwas von hänsel und gretel und der hexe, bzw irgendwas von poetologie rauslesen kann, aber die zusammenhänge dieser beiden gedankenfelder erschließen sich mir nicht. es herrscht eine riesengroße lücke zwischen den assoziationen, etwas fehlt. von einander weit entfernte sterne werden auf einen haufen verdichtet und ich als leser soll diese sterne wieder an ihren platz projizieren, damit ich den haufen dekonstruieren kann. das kann man nicht von jemandem verlangen, der ein leben führt.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
M O D E R A T I O N

Bitte unterlasst ad hominem Angriffe und nutzt für private Unterhaltungen die entsprechenden Medien.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
und ich als leser soll diese sterne wieder an ihren platz projizieren, damit ich den haufen dekonstruieren kann.
Du vertauschst hier die Dekonstruktion mit der Rekonstruktion.

Wir als Leser "sollen" gar nichts. Es ist schon weitgehend dekonstruiert, und die surrealistische Seite dieses Gedichts läßt die Elemente isoliert, insofern "Surrealismus" in der Lyrik eben das heißt, daß die Metaphern nicht in weiteren Bedeutungsebenen verbunden sein müssen. Es wäre vergleichbar den voneinander unabhängigen Bewegungen der Extremitäten im Jazzdance (z.B. Armbewegung isoliert von Beinbewegung).

Dieses Stück hier schiebt allerdings die dekonstruierten Elemente in und übereinander, verkoffert sie manchmal, so daß man in tiefere Schichten schauen kann, wie es manchmal bei Dali geschieht, z.B. im Halluzinogenen Torero, wo die iterierte Venus von Milo zugleich ein Torerogesicht eröffnet.
Natürlich können auch in den aufscheinenden Meta-Ebenen die Elemente noch einmal voneinander unabhängig erscheinen. In der Malerei sind das alte Hüte, in der Musik sind enharmonische Verwechslungen und nicht mehr per Kadenz zurückkehrende Harmoniewechsel seit der unendlichen Melodik Wagners "konventionell", nur in der Sprache steht noch James Joyce mit "Finnegans Wake" etwas einsam da, aber das ist ein Klassiker.

das kann man nicht von jemandem verlangen, der ein leben führt.
Da hast Du völlig recht. Es kann überhaupt keiner, der ein leben führt, jemals von einem anderen etwas verlangen. Und schon gar nicht ein Leser wie ich von einem Leser wie Dir. Leser folgen nicht Anweisungen, sondern finden weitere Suchgänge im Labyrinth, wie man beim Hegel-Lesen statt abschließender Antworten auf Fragen nur weitere, gründlichere, grundsätzlichere Fragen findet,
Das hat die Kunst mit den Wissenschaften gemeinsam.

In der Malerei wurde die Abstraktion wesentlich, wesentlich!, weiter getrieben; in der Musik die harmonische Auflösung bis zum puren Klang. So weit gehe ich selten.
 



 
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