ein typischer Tag im Katalonienweg

Wittelsbach

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Einleitung:
In den heißen Sommertagen 2022 habe ich meinen Keller aufgeräumt. Fertig bin ich nicht geworden, viel habe ich nicht geschafft, eigentlich habe ich nur die Kiste mit meinen alten Tagebüchern geöffnet.
Der Inhalt ist längst verjährt, also denke ich, die eine oder andere Episode kann ich hier in der Leselupe zu Gehör bringen.
Schauplätze sind der Campingplatz in der Lüneburger Heide, das Gymnasium in Hannover, die Wohnung mit fünf Schwestern !!!!! im Katalonienweg. Der Schreiber ist 16 Jahre alt, wir befinden uns in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, politisch ist nichts korrekt.
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Montag, 06.01.1975
Gerade hatte ich es mir am Küchentisch mit einem Lindener Spezial gemütlich gemacht, anbei Asterix und Die Lorbeeren des Cäsar, als sich im hinteren Teil der Wohnung eine Stampede ankündigte. Dem Trampeln nach eine Wildschweinrotte mit zwanzig, dreißig, hundert Exemplaren.
Da wurde die Küchentür aufgestoßen, ich konnte gerade noch mein Lindener Spezial an mich reißen, und schon strömten meine Schwestern herein. Kathreiner’s Kneipp-Malzkaffee-Fassen stand auf dem Programm.
„Na, Onkel Klaus, so früh am Tag schon ein Bier?“ fragte Schwester Christiane.
„Nicht, dass es Papas Flasche ist!“ sagte meine Mutter, die als letzte hinterdrein kam und gleich den Kessel unter den Wasserhahn hielt. „Wart ihr eigentlich bei Socke in der Gartenkolonie Silvester feiern?“
Als Christiane mich mit der Besteckschublade zur Seite schob, fiel ihr Blick auf meine Lektüre.
„Aha, da ist also mein Asterix. Ich habe schon überall danach gesucht. Da kannst du dich mal schön entschuldigen!“
Meine Mutter entzündete eine Flamme auf dem Gasherd. „Und, – war die Party gelungen?“ fragte sie und schaute dabei seltsamerweise nicht mich an, sondern die Hannoversche Allgemeine, die anbei auf der Waschmaschine lag.
Dann schnappte sie sich ihren Jakobs-Kaffee und zählte die Bohnen ab. „Gibt es gar nichts zu berichten? Wie immer schwarz?“
„Bist du plötzlich sprachlos, Onkel Klaus?“
Ich räusperte mich. „Wie üblich lässt man mich hier nicht zu Wort kommen. Aber ihr habt Glück, dass ich ein Mann bin. Männern darf man ruhig mehrere Fragen auf einmal stellen, wir sind damit nicht überfordert wie andere Lebensformen auf diesem Planeten. – Nun zu den Antworten: Ja. Nein. Ja. Nein. Ja. Nein. Ja. Nein.“
„In der Zeitung wird von einem Brand zu Silvester berichtet. Die Feuerwehr musste zu einer Kleingarten-Anlage in Kirchrode ausrücken. Habt ihr davon gar nichts mitbekommen?“ Meine Mutter schlug die Zeitung auf.
„Ja. Nein. Ja. Nein.“ wiederholte Biene interessiert.
„Nur am Rande. Wir waren ja sehr mit Feiern beschäftigt.“ antwortete ich.
„Sie haben eine riesige Rakete abgeschossen und wieder das Dach vom Nachbarn getroffen! So wie immer.“ vermeldete Schwester Christiane ungefragt und zog mir das Asterix-Heft weg.
„Woher willst du das denn wissen? Verschlag mir bloß nicht die Seite!“
„Klaus, was war nun mit der Rakete?“ Meine Mutter angelte nach der alten Brasilia Zassenhaus auf dem Regal über mir.
„Nichts weiter. Trainer hatte die Idee, vier Raketen zu bündeln, um mehr Schubkraft zu erreichen. Für unseren Flug hatten wir mindestens die Stratosphäre angepeilt!“
„Da oben sieht doch keiner den Goldregen!“
„Wir wollten den Aliens, die auf der Rückseite des Mondes leben, auch eine kleine Freude bereiten.“
„Aliens hinterm Mond?“
„Hast du schon mal Photo-Aufnahmen von der Rückseite des Mondes gesehen? – Nein! Das ist nämlich streng geheim. Die Photos der NASA und der Russen sind unter Verschluss. Auf der Rückseite sieht der Mond völlig anders aus. Städte, die mit Schwebebahnen verbunden sind, wunderschöne Parkanlagen und geräumige Wohnungen, weil jede Familie nur ein Kind hat! Mückenverseuchte Moore und langweilige Heidelandschaften sucht man dort vergebens.“
„Woher willst du das denn wissen, wenn alles so geheim ist?“
„Bestimmt nicht aus eurer Bravo!“
Die Kaffeemühle orgelte los.
„Dann kann das ja jeder behaupten.“
„Es gibt einen handfesten Beweis. Der Mond dreht sich nicht mehr. Was siehst du bei Vollmond?“
„Ein Gesicht.“ sagte Schwester Ulrike nachdenklich. „Das Gesicht eines alten Mannes.“
„Bei jedem Vollmond das gleiche Gesicht?“
„Ja, eigentlich schon.“
„Na und, Onkel Klaus! Damit hast du nur bewiesen, dass der Mond sich nicht mehr dreht.“ meinte Schwester Christiane.
„Na und!“ entgegnete ich, „die Wirkung ist die gleiche. Wir sehen nicht, was sich auf seiner Rückseite abspielt!“
„Und warum hocken da Aliens auf der Rückseite des Mondes und landen nicht hier auf unserer schönen Erde?“
„Das haben sie doch schon längst getan. Es ist erwiesen, dass jeder zweite Mensch ein getarntes Alien ist. Fange ich mal hier an zu zählen. Eins. Da haben wir Katharina, die äußerst verdächtig –“
„Du hast gesagt jeder zweite Mensch. Ich bin jeder Erste!“
„Meinst du, die Aliens setzen sich genauso hin, dass man sie abzählen kann? Dann haben wir hier Biene, die gerade auf dem Tisch rumgrabscht. Ein äußerst suspektes Gebaren, da stimmt ihr mir doch alle zu. Zumal sich in ihrer Nähe nichts Greifbares befindet. Also auch ein Alien-Balg. Daneben sitzt Ulrike, sie schaut sehr seltsam an allen vorbei zum Fenster hinaus.“ Ich drehte mich um. „Und da ist nur der Himmel zu sehen! Ein kalter, grauer Himmel!“
„Du hast gesagt, nur jeder zweite!“
„Vielleicht sind hier gerade alle außer mir Aliens, dafür gibt es in Trainers Familie keinen einzigen!“
„Mama etwa auch?“ fragte Schwester Katharina erstaunt.
„Hat sich hier denn noch keiner gefragt, warum Mama immer dieses Gesöff namens Kaffee trinken muss? In regelmäßigen Abständen? Und schmecken tut das Zeug nun wirklich wie Laterne ganz unten!“
„Klaus!“ sagte meine Mutter mit strengem Ton. Dann quälte sie die Kaffeemühle weiter.
„Und warum trinkst du dann Kaffee?“ fragte Monika „Und dann auch noch gleichzeitig Bier?“
„Das ist viel suspekter!“ Christiane grinste.
„Erstens schmeckt Lindener Spezial immer und zu allem. Es geht aber gar nicht um den Kaffee.“ fuhr ich fort. „Es geht vielmehr um diese Maschine!“ Ich zeigte auf die Zassenhaus. „Erinnert ihr euch an die Kaffeemühle, die ich letztes Jahr so mühselig unter großen Entbehrungen auf dem Landwege über riesige Gebirge aus einer fernen Welt namens Italien mitgebracht habe? Die gute alte Domenico Attanasio Napoli 1725 fristet jetzt im Wohnzimmer ihr armseliges Dasein, verschandelt mit irgendeinem getrockneten Küchenabfall!“
„Klaus, das sind Trockenblumen“ sagte meine Mutter.
„Meine antike, römische, handgeschnitzte Kaffeemühle ist jedenfalls nicht zur Kontaktaufnahme geeignet!“
„Wozu ist die nicht geeignet.“ fragte Christiane und tat so, als würde sie die Antwort gar nicht interessieren.
„Die ist nicht dazu geeignet, mit den anderen Aliens auf der Rückseite des Mondes zu kommunizieren! Für euch auf Deutsch: zu telefonieren. Deshalb hat mein liebevolles Geschenk keine Aufnahme unter euch Aliens gefunden! Deshalb immer wieder nur die alte Zassenhaus.“
„Und wozu soll Mama mit anderen Aliens telefonieren?“
„Um ständig über mich zu berichten. Ich werde nämlich von euch allen beobachtet. Meint ihr, das hätte ich nicht bemerkt?“
„Dann lebst du von jetzt an aber gefährlich!“ sagte Christiane. „Jetzt, wo du uns enttarnt hast!“ Mit ausgestreckten Armen hob sie ihre langen Haare in die Luft. Sollte wohl gruselig aussehen. Jedenfalls fing Biene an zu heulen.
„Und deshalb wisst ihr auch das mit Trainers Rakete!“ fügte ich triumphierend hinzu.
„Ach ja, damit sind wir wieder beim Thema.“ Meine Mutter löffelte das Kaffeemehl in den Melitta-Porzellan-Filter. Ich seufzte, ungünstig gelaufen, sie hatte das Thema bereits vergessen.
„Und was haben unsere Verwandten auf der anderen Seite des Mondes zu eurer Rakete gesagt?“ fragte Christiane mit gehässigem Grinsen.
„Soweit ist unser Prachtstück gar nicht gekommen. Eine der vier Raketen zündete wohl nicht richtig, jedenfalls hatte die Konstruktion einen leichten Linksdrall.“
„Und wohin ist sie geflogen?“
„Sie ist etwas vom Weg abgekommen. Mehr nicht.“
„Und wohin ist sie geflogen?“ Christiane hatte wohl Langeweile, denn sie wiederholte schon ihre eigenen Fragen.
„Unser kleiner Silvester-Knaller hat das Dach von Opa Nörgelpott gerammt.“
„Und holte wieder den Blechhahn herunter? Hat der Nachbar dann wie immer mit seinem Luftgewehr auf euch geschossen?“
„Nein, am Haus ist diesmal kein Schaden entstanden.“ Ich lächelte überlegen in die Runde. „Und Opa Nörgelpott befand sich bereits in bester Laune in unserer Runde.“
„Was hat die Rakete nun also abgeschossen?“ Die Inquisition war gnadenlos.
„Opa Nörgelpott ist etwas sorglos, was den Umgang mit seinen Türen angeht. Der Schuppen steht praktisch immer offen. Da könnten leicht mal kriminelle Elemente–“
„Hat er denn irgendetwas Wertvolles in seinem Schuppen?“
„Nein. Er hebt dort nur liebgewonnene Andenken aus seinem Russlandfeldzug auf. Nichts Großes, aber es zählen ja auch die kleinen persönlichen Erinnerungen. Eine Feldhaubitze, eine Stalinorgel, eine transportable Antipanzerrakete, ein leichter Granatwerfer nebst einer Kiste Nebelgranaten, ein nicht näher zu identifizierendes Fahrzeug unter einer dicken Gummiplane und ein russisches Schrotgewehr namens Baikal.
„Und was hat die Stalinorgel mit euer Rakete zu tun?“
„Nichts. Aber vielleicht hat die Neujahrsrakete irgendeine strategisch ungünstig herum liegende Putzwolle entzündet.“
„Also habt ihr die Laube von Sockes Nachbarn abgebrannt?“ fragte meine Mutter erschrocken.
„Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil, es war ein wunderschöner Anblick, wie unsere Rakete den Goldregen aus allen Ritzen und Luken des Kabachels verschoss. Da kam bei uns schon die erste Silvesterstimmung auf!“
„Dann ist also alles gut gegangen!“ Meine Mutter atmete auf.
„Ja, das kann man so sagen!“
„Aber die Putzwolle brannte doch, oder!“ zerstörte Schwester Christiane die entspannte, gemütliche Atmosphäre.
„Eines von Nörgelpotts alten Andenken wurde endlich wieder an seine ursprüngliche Bestimmung erinnert. Angeregt durch die glimmende Putzwolle und ein paar brennenden Holzscheiten suchte die Panzerabwehrgranate mit eigener Treibladungen das Weite. Sie kam aber nicht weit!“ Zufrieden mit diesem schönen Schlusssatz lehnte ich mich mit dem letzten Schluck Bier auf dem Stuhl zurück.
„Wie weit denn?“ fragte eine der Schwestern, die nichts Besseres zu tun wusste, als deplatzierte Fragen zu stellen.
„Nur bis zur übernächsten Laube.“
„Und?“
„Dort schlug sie ein.“
„Und hat das ganze Haus zerstört?“
„Nein, überhaupt nicht. Die Schlagkraft hat wohl im Laufe der Jahre etwas gelitten. Die Granate purzelte nur durch die Seitenwand und blieb dann im Wohnraum liegen. Weiter machte sie nichts.“
„Sie hat niemanden verletzt?“
„Niemanden. Dieser Schrebergarten stand schon seit längerem leer. Nur ein illegaler Penner hauste darin. Der ist mit einem kleinen Schrecken aus der Hütte gerannt.“
„Und dem ist wirklich nichts passiert?“
„Nein, Hinrich ist sogar ganz gut dabei weggekommen, also am Ende der Nacht stand er besser da als am Anfang der Nacht.“
„Warum besser?“
„Die Uhr hatte noch nicht Zwölf geschlagen, als er sich überraschend im Besitz einer ganzen Flasche Himbeergeist der Premium-Klasse befand!“
„Wie denn das, so lass dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!“
„Nun, justament als Hinrich durch die Panzergranate aus seinem Delirium aufgeschreckt wurde, verließ gerade der dicke Vize-Vorsitzende der Gartenfreunde, Petermann, die Toilettenanlage im Vereinshaus. Fatalerweise führte er diese Bewegung mehr rückwärts aus, weil er sich immer noch mit einem Schrebergärtner unterhielt, der zu diesem Zeitpunkt einige Handlungen an der Pinkelrinne zu verrichten hatte!“
„Klaus!“ sagte meine Mutter mit strengem Tonfall.
„Immer wenn du so geschwollen daher redest, hast du überhaupt nicht zu sagen!“ meinte Schwester Christiane.
„Genau! Das sehe ich auch so.“ sagte ich und stellte die leere Flasche gespült in den Bierkasten neben der Speisekammer ab.
„Was passierte denn, als der dicke Petermann rückwärts aus der Klotür kam?“ hackte Monika nach.
„Da müsste ich weiter ausholen.“ Ich zog mir den Bohnenkaffee in eine bequemere Position. „Der Lokalwirt hatte gerade eine Runde Himbeergeist für die Silvester-Gäste ausgeschenkt. Der Geist kam daher in den Händen der Kaltmamsell in Form eines Tabletts mit lauter kleinen Stamperln.“
„Onkel Klaus, du erzählst uns wieder langweilige Geschichten, nur um uns vom Thema abzubringen!“
„Genau erkannt!“
„Deine Kaltmamsell, was immer das auch sein soll, trug also dieses Tablett zu den Gästen, als die Klotür aufging!“ fasste Ulrike zusammen.
„Korrekt!“
„Und lass mich raten, die beiden stießen zusammen!“
„Korrekt! Nicht nur die beiden! Kaltmamsell, Tablett, Petermann und Himbeergeist.“
„Alles fiel auf den Boden.“
„Fast korrekt, Petermann nicht. Die Kaltmamsell auch nicht.“
„Wahnsinnig spannend.“ bestätigte Christiane meine Erzählkunst.
„Und dann?“
„Jetzt wenden wir uns wieder dem illegalen Penner zu. In seiner besetzten Laube war natürlich der Strom abgeklemmt. Also hatte er ein paar Kerzen um sich aufgestellt. Als die Granate einschlug, zuckte er in seinem besoffenen Zustand ein klein wenig zusammen, so dass er mit seiner umgehängten Pferdedecke die Kerzen umhaute. Das war äußerst unklug von ihm, denn nun stand seine Pferdedecke in Flammen. Aber anstand dieses räudige Teil einfach nach draußen zu befördern, spazierte er mit dem brennenden Umhang durch den Garten, durch den Laubenweg bis hin zum Vereinshaus. Er war kaum drin in der warmen Stube, als der gute Himbeergeist zu seinen Füßen explodierte. Hinrichs Nerven waren damit eindeutig überfordert. Er ließ die Decke endlich zu Boden fallen, schnappte sich die zweite Flasche Himbeergeist von der Theke, und entschwand wieder im Dunkeln.“
„Und das Vereinsheim?“
„Hier kam endlich Stimmung auf, endlich kam Bewegung in die feiernden Laubenpieper. Da der Eingangsbereich gerade abfackelte, mussten sich die Gärtner durch die Fenster evakuieren. Aber Klettern und Steigen stellt für einen echten Pflanzenzüchter natürlich keine Herausforderung dar, oft genug stehen sie auf wackeligen Leitern in ihren Bäumen, um den Vögeln auch nicht die letzte reife Kirsche übrig zu lassen. Und wie oft fällt die Leiter in dem Moment um, wenn sich der Gemüsebauern durch die höchsten Äste hangelt. Gerade der Gärtner an sich ist ein äußerst beweglicher, durchtrainierter Mensch, denken wir doch nur mal an das ständige Bücken beim Unkraut–“
„Und dann? Kam die Feuerwehr noch rechtzeitig?“
„Die Feuerwehr wohl weniger, die sind Silvester traditionell überfordert. Aber die Taxis für den Heimweg waren leicht zu ordern, denn vor Mitternacht bestand noch kein so großer Bedarf.“
„Und als die Feuerwehr endlich eintraf?“
„Brauchte sie an der Haustür nicht mehr zu klingeln. Und damit ist diese kleine Episode aus dem täglichen Garten-Almanach beendet. Wo ist die Butter?“
„Die Dose ist leer!“ sagte Christiane.
Meine Mutter stand automatisch auf, um aus der Speisekammer ein neues Päckchen zu holen.
„Konnte man denn die Einrichtung retten?“
„Höchstwahrscheinlicherweise nein. Tische und Stühle waren zu diesem Zeitpunkt bereits so gut wie irreparabel, da ihre Flammen himmelhoch in den freien Himmel schlugen.“
„Ist etwa das Dach abgebrannt?“
„Bedauerlicherweise ja, aber das ist auch nicht weiter schlimm, denn die Wände waren schon vorher zusammengestürzt. Kurz nachdem die Fenster mit lautem Klirren zerborsten waren.“
„Und jetzt?“ fragte meine Mutter und zog die Zeitung zu Rate. „Bei der Silvester-Feier im Vereinshaus Kleingarten-Anlage Kolonie Gartenheim am Vincent Stift entstand durch Alkohol ein Feuer, welches das gesamte Gebäude zum Einsturz brachte.“
Ich lehnte mich wieder entspannt zurück. Der Artikel war doch recht allgemein gehalten. Ich fuhr fort: „Das Verschwinden des Vereinsheimes ist ein Glücksfall. Das bringt wieder Frieden in die Gartenanlage. Denn die Staudenfachmänner hatten sich in zwei Lager gespalten. Die einen, die alles beim Alten lassen wollten und die anderen, die seit Jahren für einen Neubau waren. Über das Thema stritten sich übrigens auch Petermann und der Stehpinkler in der Kloanlage, als ersterer gerade halb abgewendet aus der Tür trat. Den Himbeergeist hatte Petermann gestiftet, um die Rebellen gefügig zu stimmen. Nun, – man kann mit Fug und gutem Gewissen sagen, der Himbeergeist hat sein Ziel erreicht! Auf diese Weise wahrscheinlich um einiges günstiger. Man denke an die Versicherung!“
„Und der –“ meine Mutter suchte sichtbar nach einem Wort. „Und der Langzeitarbeitslose hat auch keine Verletzungen erlitten?“
„Nein, das kann ich aus erster Reihe bezeugen. Denn Hinrich landete kurz darauf in Sockes trautem Heim.“
„Und ihr habt ihn herein gelassen?“
„Warum nicht, er hatte ja eine erstklassige Eintrittskarte.“
„Was denn?“
„Die Flasche Himbeergeist natürlich!“
„Für Alkohol nehmt ihr wohl alles!“
„Ein paar willige Dinger wären uns auch lieber gewesen!“
„Klaus!“ ermahnte mich meine Mutter mit strenger Stimme.
„Dann hattet ihr also eine ganz tolle Party!“ fasste Schwester Christiane zusammen. „Mit zwei alten Pennern. Opa Nörgelpott und dieser Hinrich!“
Aber man hörte, wie der Neid aus jedem ihrer Worte tropfte.
 



 
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