Ein Vogel will ich sein

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Dietrich

Mitglied
Ein Vogel will ich sein

Und wieder kam seine Hand
unter die Decke gekrochen
wie ein kaltes,
klebriges Tier.
Sie rollte sich zusammen
wie ein kleiner Käfer
in einem Spinnennetz
und dachte für einen Moment
an ihre Mutter,
die immer nur sagte:
er sorgt doch für uns.
Sein Körper roch nach Schweiß
und Schnaps und ranzigem Fett.
Sie presste ihre Hände
auf den Mund,
um ihre Schreie zu ersticken.
Noch einmal grunzte er
satt und zufrieden
dann endlich wälzte er sich aus dem Bett
und schlurfte zur Tür
und die Treppe hinunter.

Sie starrte lange zum offenen Fenster
und kletterte schließlich aufs Fensterbrett.
Sie wollte nicht länger
gefangen im Spinnennetz sein.
Ein Vogel will ich sein,
dachte sie,
breitete weit die Arme aus
und flog hinaus in die Nacht.
 

Mimi

Mitglied
Schon bedrückend, Deine Zeilen .... und ich glaube sogar in der Ich-Form noch bedrückender ...

Gruß
Mimi
 

Dietrich

Mitglied
Hallo Mimi,
vielen Dank für Deine Rückmeldung zu meinem doch sehr schwierige oder wie du sagst bedrückenden Thema.
Deine Anregung, die Ich-Form betreffend, finde ich gut. Danke dir!
LG Dietrich
 

Aniella

Mitglied
Sehr erschütternd und leider kein Einzelfall.

Die Ich-Form würde meiner Ansicht nach nur im Präsens funktionieren, weil ein tote Mädchen es nicht mehr erzählen könnte. Das Ende mit dem Sprungaus dem Fenster könnte noch funktionieren.

Ich frage mich immer, was das für Eltern sind. Beides Täter in diesem Falle. :-(
 

Dietrich

Mitglied
Ein großer Teil der Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs findet innerhalb der Familie statt. In einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (2011) gaben 49,1% der Opfer mit Körperkontakt an, dass der Täter ein männlicher Familienangehöriger war. Am häufigsten genannt: Onkel, Stiefvater, Vater.
Nach Angaben der Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch passieren oder werden Verdachtsfälle in etwa 75% der Beratungsanrufe beim "Hilfetelefon Sexueller Missbrauch" im familären oder sozialen Umfeld gemeldet. Schätzungsweise 25% der Fälle geschehen in der "engsten Familie" (Kernfamilie).
Etwa 70-80 % der Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern bleiben nicht offizell erfasst, also Dunkelziffer. Kinder fühlen sich oft nicht in der Lage, über das Erlebte zu sprechen (Scham, Angst vor Konsequenzen, Loyalitäts-/Bindungsgefühle).
 



 
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