Ein Winterabend im Wäscherschloss

Ein Winterabend im Wäscherschloss

Es war eines dieser Treffen, die sich anfühlen wie ein Geschenk.
Ein Weihnachtstreffen im Wäscherschloss bei Hohenstaufen im Schwabenland – jener Burg, in deren Mauern Geschichte nicht nur erzählt wird, sondern atmet. Die Wiege der Staufer, sagten sie, und man musste nur einen Schritt über die Schwelle setzen, um zu spüren, dass das kein leeres Wort war.

Wir kannten diesen Ort gut. Paul Kaiser, der Burgverwalter in zweiter Generation – Gott habe ihn selig – hatte uns hereingelassen wie alte Freunde. Kein Publikum, keine Kulisse. Nur Gewandete. Führer von Mittelaltervereinen, handverlesene Gäste. Menschen, die diese Zeit nicht spielten, sondern mittrugen und sie neu erzählten. Ich war geladen als die „Wölfin“, Anführerin von Lupus Rex aus Süßen im Filstal und gute Freundin der Burg.
Unsere Kleidung war nicht Kostüm, sie war Haltung. Wolle, Leinen und Leder. Farben, vom Feuerschein erleuchtet und vom Kerzenlicht beschienen. Für Waffen war kein Platz an der Tafel, man traf sich in Frieden und genoss die Gastfreundschaft des Burgherrn. Wir fassten die vergangene Saison zusammen, es wurde Politik gemacht, kommende Events wurden besprochen, auch manch lustige Begebenheit wurde erzählt.

Drinnen knisterte der große offene Kamin. Man saß auf fellbedeckten Bänken, nah beieinander. Stimmen wurden leiser, warmes heiteres Gelächter. Es roch nach Holzrauch, nach Glüh-Wein, Esskastanien im Feuer, nach Winter. Ein feiner Bratenduft durchzog die Luft. Und für eine Weile schien die Gegenwart höflich für diesen bezaubernden Abend zur Seite zu treten.

Zu später Stunde wollte ich hinaus an die frische Luft und öffnete die schwere Haustür.
Oben auf der Treppe im Hof blieb ich stehen, zog eine Zigarette hervor und zündete sie an. Der Rauch stieg langsam auf, als hätte auch er Zeit. Der Innenhof lag still vor mir, trapezförmig.
Die hohen Mauern, Steinquader auf Steinquader, Jahrhunderte alt. Geschichte, war allgegenwärtig.
Die Wärme des Kaminfeuers schwand. Ich schmiegte mich in meinen schweren, warmen Wollumhang
Es mischte sich die kalte Luft, mit dem Geruch von Stein, von Winter. Wenn ich ausatmete, war da dieser feine Hauch von Glühwein mit Zimt im Atem, warm, süß und herb zugleich.

Der Himmel war klar.
Dann kam Hubert aus der Tür, von Beruf Kirchenmaler, ein wirklich sehr interessanter attraktiver Mann.
Damals war er Vorstand der Armati Equites, einer bekannten Rittertruppe aus dem Illertal im Allgäu. Er stellte sich neben mich, zündete sich auch eine an. Er sagte nichts. Manchmal ist Schweigen die angemessenste Form von Respekt. Uns verband eine kameradschaftliche Freundschaft.
Die Mauern standen um uns wie alte Wächter.
Nicht bedrohlich, sondern erhaben. Sie atmeten Zeit. Jahrhunderte von Stimmen, von Schritten, von Entscheidungen, von Leben. Staufer, Kaiser. Vergangene Zeit – nicht als Wissen, sondern als Gewicht, als stille Präsenz. Diese Steine hatten mehr gesehen als wir, und doch ließen sie uns für einen Moment dazugehören.

Plötzlich fielen Schneeflocken. Leise, beharrlich, als hätten sie es nicht eilig, zu fallen. Kleine Flocken, die im Licht der Burg wie winzige Sterne aufleuchteten, genau in dem Moment, in dem sie den Hof durchquerten. Solange sie vor uns schwebten, gehörten sie dem Licht – erst am Boden wurden sie wieder Schnee.
Es begann richtig zu schneien.
Nicht hastig, nicht dramatisch. Leise. Der Schnee legte sich wie ein Versprechen auf den Boden, auf die Stufen, auf den Hof. Eine dünne, helle Schicht, die alles verband. Und plötzlich war dieser Ort nicht mehr nur schön – er war entrückt.

Wir sahen uns an und sagten beide dasselbe: „Wunderschön“.

Man schmeckte ihn fast. Den Schnee.
Diese klare, metallische Frische in den Lungen, auf den Lippen, auf der Zunge.

Der Hof – geschlossen, schützend – war wie ein Raum außerhalb der Zeit.
Und wir darin: zwei Menschen, alle Konturen verflossen im Schnee, im Licht der Fackeln, zwischen Erde und Himmel.

Bis auf die Zigarette in unserer Hand hätte das hier genauso gut das Jahr 1250 sein können. Nur die Burg, staufische Quader, fallender Schnee, der von Fackeln beleuchtete Hof.

In meinem Inneren, ganz leise, setzte eine Melodie ein.
Drei Nüsse für Aschenbrödel.
Ich hörte sie nicht wirklich – und doch war sie da. Wie ein fernes Echo, das nur erscheint, wenn etwas vollkommen stimmt. Ich summte die Melodie, wir wiegten uns im Takt, ganz nah nebeneinander und grinsten uns an.

Und irgendwie, ganz leise, legte sich diese Melodie über alles.
Wie ein Hauch.
Ein Märchen, das gerade wahr wurde.

Wir sagten nichts weiter.
Manche Momente wollen nicht erklärt werden. Sie wollen nur da sein.
Und bleiben.
 



 
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