Eiszapfen hingen wie Väterchen Frosts Finger vom Giebel eines Hauses herab.
Eine Kerze flackerte im leisen Windhauch, der sich durch die Ritzen eines Fensters stahl. Die Vorhänge wölbten sich und sackten wieder zurück. Es war kalt. Weiß und kalt.
Schnee rieselte in dicken, schwammigen Flocken herab und verhüllte die fernen Hügel.
Eine Tasse mit Kakao stand neben einem Bett, in dem ein junges Mädchen lag. Der wohlige Geruch von heißer Schokolade füllte das Zimmer, vermischte sich mit dem Geruch von Holz und verlieh dem Raum ein Gefühl von Vertrautheit.
Das junge Mädchen kuschelte sich zwischen seine Kissen und zog die Decke über ihren rothaarigen Wuschelkopf, bis bloß noch die Augen hervorblickten.
„Wie lange wird es noch kalt bleiben, Mami?“ fragte es eine Gestalt, die an dem Bett saß und geduldig darauf wartete, daß das junge Mädchen sich zur Ruhe legte.
„Bis der Feuervogel aus seinem Schlummer erwacht“ flüsterte die Person und strich dem Mädchen liebevoll über das Haar.
Das Kind sah sie aus großen Augen an, lächelte und zog die Bettdecke ganz über den Kopf. „Erzählst du mir die Geschichte, Mami?“
„Du hast sie doch schon mindestens hundert mal gehört.“
„Höchstens neunundneunzig“ erklang es dumpf unter der Decke.
Die Gestalt am Bettende lächelte. „Nun gut. Aber danach gehst du ohne einen Mucks schlafen!“
Das Mädchen nickte aufgeregt.
„Es war einmal eine wunderschöne Frau“ intonierte seine Mutter leise und reichte der blind unter der Decke hervor tastenden Hand ihrer Tochter die Tasse mit Kakao. Sofort verschwand die Hand zusammen mit ihrer Beute. Verhaltene Schlürfgeräusche wurden laut. Anschließend erklang erwartungsvolles Schweigen.
„Es war also einmal diese wunderschöne Frau“ versuchte die Person es zu füllen, während sie aus dem Fenster blickte und die weißen Spiralen des Schnees beobachtete. „Sie war weise und gutmütig und sehr, sehr fröhlich, denn sie war gerade aus langem Schlaf erwacht. Ihre Glieder, durchflutet von neuer Kraft, fühlten sich jünger an als je zuvor. Der Schlaf hatte ihr gut getan. Zufrieden ging sie nach draußen und freute sich an der Schönheit der Welt.“
„Das war im Frühling“ piepste ihre Tochter und lugte unter einem Kissen hervor. Eine körperlose Hand erschien mitsamt einer leeren Tasse. Die Gestalt nickte.
„Und als der Tag voranschritt und die Sonne höher und höher am Himmelszelt heraufkletterte, da wurde es noch wärmer, so daß die wunderhübsche Frau leichtbekleidet herumlaufen konnte.“
„Weil es Sommer war“ ließ das rothaarige Mädchen verlauten und drückte sich an seine Mutter. „Aber dann wurde es kälter.“
„Das stimmt. Viel kälter. Je weiter der Nachmittag voranschritt, desto kühler wurde es, und die Frau mußte sich einen Mantel überziehen, um nicht zu frieren. Und als die Dunkelheit hereinbrach, wurde es kalt. Die Finsternis brachte den Schnee.“
„Die hübsche Frau wollte nicht mehr draußen bleiben“ verriet das Mädchen. Ein Lächeln bestätigte ihre Worte.
„Sie ging ins Haus, damit sie nicht erfrieren mußte, und dort legte sie sich auf ihr Bett und fiel in einen tiefen, tiefen Schlaf, um neue Kräfte zu sammeln. Der Name der wunderhübschen Frau lautete-„
„Mutter Natur!“ sagte das Mädchen schnell.
Erneutes Nicken. „Ihr Name lautete Mutter Natur. Es war Winter geworden, und Mutter Natur schlief. Und sie würde erst wieder aufwachen, wenn ein Feuervogel käme, um ihr neues Leben einzuhauchen. Denn der Feuervogel, mußt du wissen – der Legende nach nennt man ihn Phönix – ist ein Wesen der Magie, und die Magie ist genauso ein Teil von unserer Welt wie die Natur.“
„Und als der Winter vorbei war, wachte er auf.“
„Nein, nicht ganz. Als er spürte, daß die Welt lange genug unter der Kälte des Winters gelitten hatte, erwachte der Feuervogel und spannte seine mächtigen, brennenden Schwingen. Er erhob sich und flog zur Mitte der Welt, wo der Lebensbaum seine Wurzeln geschlagen hat und in dem Mutter Natur wohnt. Dort hauchte er der wunderhübschen, schlafenden Frau einen feurigen Kuss auf die Wangen, der ihr die Kraft schenkte, die sie brauchte, um den Winter zu vertreiben. Und sie öffnete ihre Haustür und brachte den Frühling mit sich.“
„Und der Feuervogel?“
„Der verwandelte sich durch den Kuss zu einer hellen Flamme, und als er verlosch, da blieb nur seine Asche übrig. Der Wind ergriff Besitz von seinen Überresten, trug sie fort und verteilte sie über der ganzen Welt. Doch im nächsten Winter würde er sich aus seiner Asche erheben und erneut seinen langen Weg zum Lebensbaum antreten, um die Kälte zu vertreiben…“
Die Schneeflocken sammelten sich auf dem Fensterbrett und wurden langsam zu einem kleinen, weißen Berg.
„Mami?“
„Ja, mein Liebes?“
„Was passiert, wenn der Feuervogel Mutter Natur einmal nicht wieder aufweckt?“
Die Gestalt am Bettende zögerte, denn mit einer solchen Frage rechnete man für gewöhnlich nicht bei einem sechsjährigen Mädchen.
„Nun, das wird niemals geschehen“ antwortete sie schließlich nachdenklich. „Denn so lange es Magie gibt, so lange wird der Phönix aus der Asche auferstehen. Und so lange wird der Winter immer wieder dem Sommer weichen.“
Das kleine, rothaarige Mädchen gähnte und räkelte sich unter der Decke. „Gute Nacht, Mami“ murmelte es beruhigt und schloß die Augen.
„Gute Nacht, mein Liebling“ sagte seine Mutter, streichelte den zusammengerollten Körper und löschte die Kerze.
-----> Dies ist der Anfang eines Buches, das ich zu schreiben gedenke, sozusagen die Einleitung. Wie findet ihr die Idee bis jetzt?
Eine Kerze flackerte im leisen Windhauch, der sich durch die Ritzen eines Fensters stahl. Die Vorhänge wölbten sich und sackten wieder zurück. Es war kalt. Weiß und kalt.
Schnee rieselte in dicken, schwammigen Flocken herab und verhüllte die fernen Hügel.
Eine Tasse mit Kakao stand neben einem Bett, in dem ein junges Mädchen lag. Der wohlige Geruch von heißer Schokolade füllte das Zimmer, vermischte sich mit dem Geruch von Holz und verlieh dem Raum ein Gefühl von Vertrautheit.
Das junge Mädchen kuschelte sich zwischen seine Kissen und zog die Decke über ihren rothaarigen Wuschelkopf, bis bloß noch die Augen hervorblickten.
„Wie lange wird es noch kalt bleiben, Mami?“ fragte es eine Gestalt, die an dem Bett saß und geduldig darauf wartete, daß das junge Mädchen sich zur Ruhe legte.
„Bis der Feuervogel aus seinem Schlummer erwacht“ flüsterte die Person und strich dem Mädchen liebevoll über das Haar.
Das Kind sah sie aus großen Augen an, lächelte und zog die Bettdecke ganz über den Kopf. „Erzählst du mir die Geschichte, Mami?“
„Du hast sie doch schon mindestens hundert mal gehört.“
„Höchstens neunundneunzig“ erklang es dumpf unter der Decke.
Die Gestalt am Bettende lächelte. „Nun gut. Aber danach gehst du ohne einen Mucks schlafen!“
Das Mädchen nickte aufgeregt.
„Es war einmal eine wunderschöne Frau“ intonierte seine Mutter leise und reichte der blind unter der Decke hervor tastenden Hand ihrer Tochter die Tasse mit Kakao. Sofort verschwand die Hand zusammen mit ihrer Beute. Verhaltene Schlürfgeräusche wurden laut. Anschließend erklang erwartungsvolles Schweigen.
„Es war also einmal diese wunderschöne Frau“ versuchte die Person es zu füllen, während sie aus dem Fenster blickte und die weißen Spiralen des Schnees beobachtete. „Sie war weise und gutmütig und sehr, sehr fröhlich, denn sie war gerade aus langem Schlaf erwacht. Ihre Glieder, durchflutet von neuer Kraft, fühlten sich jünger an als je zuvor. Der Schlaf hatte ihr gut getan. Zufrieden ging sie nach draußen und freute sich an der Schönheit der Welt.“
„Das war im Frühling“ piepste ihre Tochter und lugte unter einem Kissen hervor. Eine körperlose Hand erschien mitsamt einer leeren Tasse. Die Gestalt nickte.
„Und als der Tag voranschritt und die Sonne höher und höher am Himmelszelt heraufkletterte, da wurde es noch wärmer, so daß die wunderhübsche Frau leichtbekleidet herumlaufen konnte.“
„Weil es Sommer war“ ließ das rothaarige Mädchen verlauten und drückte sich an seine Mutter. „Aber dann wurde es kälter.“
„Das stimmt. Viel kälter. Je weiter der Nachmittag voranschritt, desto kühler wurde es, und die Frau mußte sich einen Mantel überziehen, um nicht zu frieren. Und als die Dunkelheit hereinbrach, wurde es kalt. Die Finsternis brachte den Schnee.“
„Die hübsche Frau wollte nicht mehr draußen bleiben“ verriet das Mädchen. Ein Lächeln bestätigte ihre Worte.
„Sie ging ins Haus, damit sie nicht erfrieren mußte, und dort legte sie sich auf ihr Bett und fiel in einen tiefen, tiefen Schlaf, um neue Kräfte zu sammeln. Der Name der wunderhübschen Frau lautete-„
„Mutter Natur!“ sagte das Mädchen schnell.
Erneutes Nicken. „Ihr Name lautete Mutter Natur. Es war Winter geworden, und Mutter Natur schlief. Und sie würde erst wieder aufwachen, wenn ein Feuervogel käme, um ihr neues Leben einzuhauchen. Denn der Feuervogel, mußt du wissen – der Legende nach nennt man ihn Phönix – ist ein Wesen der Magie, und die Magie ist genauso ein Teil von unserer Welt wie die Natur.“
„Und als der Winter vorbei war, wachte er auf.“
„Nein, nicht ganz. Als er spürte, daß die Welt lange genug unter der Kälte des Winters gelitten hatte, erwachte der Feuervogel und spannte seine mächtigen, brennenden Schwingen. Er erhob sich und flog zur Mitte der Welt, wo der Lebensbaum seine Wurzeln geschlagen hat und in dem Mutter Natur wohnt. Dort hauchte er der wunderhübschen, schlafenden Frau einen feurigen Kuss auf die Wangen, der ihr die Kraft schenkte, die sie brauchte, um den Winter zu vertreiben. Und sie öffnete ihre Haustür und brachte den Frühling mit sich.“
„Und der Feuervogel?“
„Der verwandelte sich durch den Kuss zu einer hellen Flamme, und als er verlosch, da blieb nur seine Asche übrig. Der Wind ergriff Besitz von seinen Überresten, trug sie fort und verteilte sie über der ganzen Welt. Doch im nächsten Winter würde er sich aus seiner Asche erheben und erneut seinen langen Weg zum Lebensbaum antreten, um die Kälte zu vertreiben…“
Die Schneeflocken sammelten sich auf dem Fensterbrett und wurden langsam zu einem kleinen, weißen Berg.
„Mami?“
„Ja, mein Liebes?“
„Was passiert, wenn der Feuervogel Mutter Natur einmal nicht wieder aufweckt?“
Die Gestalt am Bettende zögerte, denn mit einer solchen Frage rechnete man für gewöhnlich nicht bei einem sechsjährigen Mädchen.
„Nun, das wird niemals geschehen“ antwortete sie schließlich nachdenklich. „Denn so lange es Magie gibt, so lange wird der Phönix aus der Asche auferstehen. Und so lange wird der Winter immer wieder dem Sommer weichen.“
Das kleine, rothaarige Mädchen gähnte und räkelte sich unter der Decke. „Gute Nacht, Mami“ murmelte es beruhigt und schloß die Augen.
„Gute Nacht, mein Liebling“ sagte seine Mutter, streichelte den zusammengerollten Körper und löschte die Kerze.
-----> Dies ist der Anfang eines Buches, das ich zu schreiben gedenke, sozusagen die Einleitung. Wie findet ihr die Idee bis jetzt?