Eine Decke für Frau Barz

Barsnah

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,Eine Decke für Frau Barz


Der Anrufer nannte sie „meine Mutter“ und bat mich um einen vorsichtigen und sensiblen Umgang mit ihr. „Sie können froh sein, wenn sie überhaupt eingelassen werden. Machen sie ihr bloß keine Angst oder verärgern sie, sonst muss ich mir ewig Vorwürfe machen lassen dass ich sie gebeten habe sie zu besuchen.Er beschrieb noch kurz ihre Problematik und den Fakt dass es der Familie nicht gelingt Zugang zu ihr zu bekommen und er sich deshalb an das Angebot des sozialpsychiatrischen Dienstes wendet.Er nannte mir noch die Adresse, Wochentag und eine Tageszeit wann sie am ehesten zu Hause anzutreffen ist. So schnell wie möglich plante ich einen Besuch bei ihr ein.Die genannte Adresse war in einer kleinen Straße, fast eher ein geteerter Feldweg, der aus dem Ort heraus führt, zu einem abgelegenen Gelände, das, soweit ich sehen konnte, komplett von einer Backsteinmauer mit einem aufgesetzten Eisengeländer umgeben war.Dahinter wuchs eine dichte Hainbuchenhecke. Etwas zurück gesetzt konnte ich ein Haus, ebenfalls aus Backsteinen gemauert, erkennen. Das Ganze wirkte etwas wie aus der Zeit gefallen. Nach vorne zu Straße hin, war noch der ehemalige Vorgarten erkennbar. Hinter einem zweiflügeligen eisernen Gitter das sich zwischen zwei, den Eingang markierenden, Backsteinpfosten befand, war ein schmaler Kiesweg bis zur Haustür zu sehen. Eine Klingel befand sich im rechten Pfosten, direkt neben einer Gegensprechanlage. Schon nach dem ersten Klingeln hörte ich aus der Sprechanlage ein zartes Stimmchen:“Ja, wer ist da?“ Ich nannte meinen Namen und dass ich sie als Mitarbeiterin eines sozialen Dienstes auf Bitte ihres Sohnes besuchen möchte.Etwas vorsichtig und zögerlich kam die Antwort:“Da möchte ich sie lieber zuerst sehen, einen kleinen Moment. Ich komme gleich raus.“Die Haustür wurde aufgeschlossen und besonders langsam geöffnet. Dann sah ich den Kopf einer sehr kleinen etwas rundlichen, stämmigen, älteren, grauhaarigen Frau mit straff zurück gekämmten und zu einem Dutt hochgesteckten Haaren, die vorsichtig zur Gartenpforte spähte, danach mit kleinen Trippelschritten, die nicht so ganz zu ihren strammen Beinen passten, auf die Pforte zu kam.In einer Hand trug sie einen großen Schlüsselbund, der bei jedem Schritt klimperte. Sie betrachtete mich mit misstrauisch abwägendem Blick und fragte dann noch einmal nach:“ Wie heißen sie nochmal,und wer schickt sie?“Die Antwort schien sie zufrieden zu stellen, denn sie schließt die Pforte auf und winkt mir ihr zum Haus zu folgen.Die alte, schwere Haustür war mit mehreren Umdrehungen abgeschlossen und wurde nach dem Eintreten auch wieder mit Sorgfalt verschlossen. Dann bat sie mich ihr in die Küche, zu folgen, durch einen kleinen Flur hindurch, zu dem eine ebenfalls abgeschlossene Tür hin führt. Nun weiter zur Küche deren Tür wie auch alle anderen wurden sofort nachdem wir durchgegangen sind hinter uns wieder verschlossen, sodass ich mich auf diesem Weg bis zur Küche regelrecht eingesperrt fühlte. Dort bietet sie mir einen Stuhl an und beginnt mich mit prüfenden Blicken über meinen Arbeitsalltag auszufragen.Die Art wie sie fragte und ihr Blick der dem meinen nicht stand halten konnte, sowie der Fakt dass ihre Augen ständig zwischen der Tür und den beiden verschlossenen Fenstern des Raumes hin und her schossen,, bewirkten dass ich ein ungutes Gefühl bekam. Ihrem Blick folgend bemerkte ich schließlich dass die Fenstergriffe an beiden Fenstern mit Ketten umwickelt und zusätzlich auch noch mit Vorhängeschlössern abgesperrt waren. Mein ungutes Gefühl vestärkte sich als ich dachte:“ Hoffentlich komme ich hier auch nochmal raus.“ Auch Frau Barz fiel auf dass ich begann mich ein wenig zu ängstigen und sie sagte:“ Da muss man ja Angst bekommen, nicht wahr? Ich fürchte mich auch ständig vor denen. Diese Außerirdischen schaffen es sogar durch verschlossene Fenster und Türen zu gehen. Außerdem werde ich ständig noch mit diesem giftigen Zeug bestrahlt. Mein Sohn hat mir sogar extra schon Lamellen Rollos mit Alu Lamellen angebracht, weil die Strahlung da nicht so stark durch kommt.“ Und weiter:“ Manchmal kann ich Nachts kein Auge zu tun, wenn die mit ihren Strahlenkanonen neben dem Bett stehen. Wenn wenigstens die Deckel nicht ständig runter fallen würden. Ich verhalte mich mit meiner bewährten Methode bei ihr wie auch bisher immer im Umgang mit Menschen mit einer psychotischen Erkrankung:Das Gesagte zuerst einfach mal so annehmen, nicht intervenieren oder hinterfragen, aber trotzdem Interesse, bzw, Verständnis, zeigen.Also bestätige ich, da hätte ich auch Angst und frage interessiert nach was es mit den Deckeln auf sich hat.“Die benutze ich um mich zuzudecken und mich gegen deren Bestrahlung zu schützen.“ Meine Antwort war:“Oh da könnte ich aber auch nicht gut schlafen. Ich mache mir mal Gedanken ob es da nichts besser geeignetes gibt.“ antwortete ich ihr. Kaum hat ich das hoffnungsvolle Funkeln in ihren Augen gesehen, da ratterte es auch schon in meinem Kopf und schon hatte ich eine Idee.“ Wenn wir Glück haben, kann ich ihnen beim nächsten Mal sogar schon was passendes mitbringen.“ wagte ich sogar schon ein halbes Versprechen.. Frau Barz stand auf, klimperte mit ihrem Schlüsselbund und fragte:“ Wann können sie den wieder kommen?“Wir vereinbarten gleich die kommende Woche und Frau Barz begleitete mich die Türen alle auf- und wieder abschließend bis zur Gartentür, wo sie mich mit einem lächelnden Blick in die Augen und einem festen Händedruck verabschiedete.Schon am nächsten Tag galt mein erster Anruf einem mir bekannten Rettungssanitäter. Nachdem ich ihm die Problematik meiner Klientin geschildert und von meine Idee dazu berichtet hatte, meinte er nur: „Das scheint ein guter Einfall gewesen zu sein. Da empfehle auch ich eine Out- Door Rettungsdecke. Dir hat sogar eine silberne und eine goldene Außenseite, hilft bei Unterkühlung und gegen Überhitzung“ und mit einem hörbaren Grinsen:“ Inwieweit sie allerdings gegen Bestrahlung durch Außerirdische hilft, dazu gibt es bislang keine Erfahrungswerte.Soll ich ihnen gleich mal eine zum Ausprobieren für die alte Dame besorgen?“ Drei Tage später lag das gute Stück schon in meinem Wagen.Mein zweiter Anruf galt an dem Tag dem Sohn von Frau Barz, der etwas überrascht und ungläubig berichtete, dass seine Mutter ganz angetan von mir gewesen sei, und sich sogar auf meinen nächsten Besuch kommende Woche schon freue. Ich bat ihn ihr schon mal auszurichten dass ich mein Versprechen halten könne und sie die Topfdeckel in Zukunft nicht mehr brauchen wird. An seiner Reaktion konnte ich heraus hören dass er nun begann an meinem Verstand zu zweifeln. War mir egal,ich lächelte froh in mich hinein und begann selbst mich richtig auf den zweiten Termin mit Frau Barz zu freuen.
 



 
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