eine flüsternde blumenwiese (noch´n märchen)

RockRebell

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Zu keiner Zeit, irgendwo zwischen hier und weit, weit weg, gibt es ein Land, in dem unzählige flüsternde Blumenwiesen leben und atmen.

Sie erzählen dir Geschichten aus fernen Ländern, von grossen Helden, von romantischen Liebesaffären, von freundlichen Menschen und herzlichen Taten. Die Menschen dort träumen in diesen Wiesen, sie lassen sich entführen von den Geschichten, entführen in ihre Träume und Fantasien.

Ein Zaberer hat diesem Land die flüsternden Blumenwiesen geschenkt. Dort war es nicht immer so ruhig und friedlich, und die Menschen waren nicht immer so glücklich gewesen wie jetzt.

Einst glaubten die Menschen nicht an Zauberer, an Magie, oder an Zwerge, Elfen, Riesen, Trolle, Drachen oder verwunschene Wälder. Doch sie kannten Unruhe, Hektik, Boshaftigkeit, Misstrauen und Lügen. Denn ihr König, ein verhärmter alter Mann, war unzufrieden mit sich selbst und der Welt und den Menschen, die darin lebten. So erliess er Gesetze, die die Bürger einengten, die sie ducken sollten und die möglichst viel Spass und Freude am Leben und der Umwelt nehmen sollten. So drufte niemand bei Sonnenauf- und Untergang im Freien sein, um diese anzusehen und sich daran zu erfreuen. Niemand durfte tagsüber in die Wälder, um den Vögeln bei ihrem Gesang zu belauschen, niemand durfte Blumen pflücken und sie verschenken. Überhaupt waren Geschenke nur zu ganz wenigen Anlässen und nur sehr wenigen Menschen erlaubt. Wer es dennoch tat und erwischt wurde, der wurde eingesperrt. Dem wurde fast der gesamte Besitz genommen. Und wenn er Pech hatte und der König sehr übellaunig war, dann nahm man ihm sogar das Leben.

Es war kein schönes Land damals, nein, wirklich nicht. Argwohn und Hinterhältigkeit waren die ständigen Begleiter der Menschen.

Nun hatte der König, wie jeder richtige König, auch eine sehr hübsche Tochter. Natürlich wollte der König, dass auch sie sich an die Gesetze hielt, aber schliesslich war sie seine Tochter und sie war soooo hübsch und lebenslustig und anmutig und überhaupt war sie eine Freude für das Herz. Sie war so herzerfrischend anders als all die Menschen in diesem Land, dass es dem König eigentlich eine Freude hätte sein sollen, wenn er sie sah, wenn sie mit ihm sprach oder einfach nur in seiner Nähe war. Doch der König war so tief versunken in seinem Gram, dass er garnicht mehr wusste, was Zufriedenheit und Freude waren. Zwar empfand er beides noch, doch verwirrten ihn diese Gefühle so sehr, dass er meinte, krank zu sein und seinen Leibarzt rufen liess.

Auch muss gesagt werden, dass die Königstochter nichts von all dem Elend des Landes mitbekam, denn sie wohnte in einem wunderschönen Haus in einem wunderschönen Garten mit einer bunten und summenden Blumenwiese. Dort gefiel es ihr so sehr, dass sie so gut wie garnicht von dort wegging, um sich das Reich ihres Vaters anzusehen. Sie dachte, wenn es hier so schön ist, so ruhig, so friedlich, dann muss es überall anders auch so sein. Und wenn mein Vater der König ist, und mich in solch wunderbarer Umgebung leben lässt, wenn er seinen Untertanen auch nur die Hälfte von dieser Schönheit gibt, dann muss das Land von glücklichen, zufriedenen Menschen bewohnt sein.

So ging es lange, lange Zeit, und die Menschen dort stöhnten und murrten. Und weil sie so unfreundlich waren, reiste niemand gern in oder durch dieses Land. Doch eines Tages kam ein Wanderer aus fernen Ländern des Weges. Er wunderte sich über die Griessgärmigkeit dort, und fragte nach den Gründen. So erfuhr er, dass der König ein unzufriedener, unfreundlicher, aber auch ein einsamer Mensch war. Der Wanderer aus fernen Ländern machte sich Gedanken darüber, dass ein einzelner Mann, wie mächtig er auch sein mochte, kein Recht habe, andere ihres Glückes zu berauben. Und er überlegte, wie er den König umstimmen könnte, wie er ihm zeigen könnte, wie schön das Leben sein kann, wenn man freundlich, hilfsbereit und glücklich ist. Das war natürlich schwierig, doch der Wanderer aus fernen Ländern war ein Zauberer, und ein richtiger Zauberer ist sehr klug und sehr gewandt in seinen geistigen Fähigkeiten. So machte er sich nach einiger Zeit auf, den König zu besuchen.

Der König war nicht erfreut, einen Gast an seinem Hofe zu haben. Noch dazu einen, der zufrieden und ausgeglichen zu sein schien. Sofort dachte er darüber nach, wie er diesem Tunichgut das Handwerk legen und entweder vertreiben oder unglücklich machen könne. Doch der Zauberer aus fernen Ländern durchschaute das Spiel des Königs, und diskutierte stundenlang mit ihm darüber, was Zufriedenheit wäre und wie glücklichsein sich denn anfühle. Der Zauberer erfuhr auch von der Tochter des Königs, und schon reifte ein Plan in ihm.

„Herr König“, sagte er, „ wenn ich es schaffe, dass ihr nur für einen kleinen Moment wisst, was es bedeutet, glücklich zu sein, werdet ihr dann die Knechtschaft von den Menschen dieses Landes nehmen?"

Der König überlegte. Der Zauberer aus fernen Ländern - der König wusste natürlich nicht, dass jener ein Zauberer war - sollte verschwinden. Doch er liess nicht locker. So wollte er sich zum Schein auf dessen Spiel einlassen, um ihm hernach zu beweisen, dass gücklichsein nicht zu den Pflichten eines Königs gehörte. Der Zauberer durchschaute auch diesen Trick - doch er wusste ebenfalls, dass, wenn der König nur einen Moment lang glücklich wäre, er dieses Gefühl niemals vergessen würde und das Eis seines Herzens hinwegschmelzen würde. Der ewige Winter seiner Seele wäre dann beendet, und so, wie der Frühling in das Land ziehen würde, würde er auch Einzug halten im Herzen des Königs.

Also bat der Zauberer den König, ihm seine Tochter vorzustellen. Der König sträubte sich zunächst dagegen, seiner Tochter diesen dahergelaufenen Wanderer aus fernen Ländern zu präsentieren, doch der Zauberer überzeugte den König schliesslich.

So begab es sich, dass die Königstochter auf der Wiese lag, den Wolken zuschaute, wie sie langsam und bedächtig über den weiten, blauen Himmel zogen und dem Summen der Wiese lauschte.

Sie freute sich über den unerwarteten Besuch, denn der Wanderer aus fernen Ländern war nicht nur ein Zauberer, sondern auch ein gutaussehender, stattlicher Mann mit einem feingeschnittenen Gesicht und aufrichtigen, freundlich blickenden Augen.

„Oh Vater, welch Freude du mir bereitest“, rief sie aus.

„Mein Kind...“, begann der König, verstummte jedoch sogleich wieder, denn Tief in ihm, tiefer, als je ein Mensch geblickt hatte, spürte er wieder jenes unbekannte, seltsame Gefühl und wollte seinen Leibarzt rufen lassen, hatte schon den Mund geöffnet, um nach ihm zu schicken, doch plötzlich....

„Wie wunderbar“, sagte die Tochter des Königs, „Vater, hör doch.... jemand flüstert uns zu.“

Mit offenem Munde verharrte der König und lauschte der leisen, kaum vernehmbaren, doch klaren Stimme. Sie sang. Sie erzählte. Sie sprach von weiten Ebenen, von wilden Pferden, von schönen Frauen und grossen Helden, von Liebenden, die sich fanden, von der Sonne, dem Mond und den Sternen, vom Meer und den Wellen, die an einen einsamen, weissen Strand rollten. So eindringlich waren die Worte, dass der König garnichts mehr sagen konnte. Und aus der Tiefe seines Herzens, da stieg dieses seltsame Gefühl, das ihm so unheimlich war, hinauf zu seinem Kopf, seinen Augen und Ohren, sogar in seine Nase drang es und legte sich süss und leicht auf seine Zunge.

„Wie seltsam“, dachte der König. „Meine Tochter erscheint mir hübscher denn je, und die Blumen auf der Wiese, sie leuchten heller als sonst.....“

Und plötzlich huschte über seine sonst so mürrisch verkniffenen Lippen ein Lächeln.

„Ach Vater, wie sehr ich doch liebe für deine Gutmütigkeit, deine Grossherzigkeit gegenüber deinen Untertanen. Und wie sehr liebe ich dich dafür, dass du mein Vater bist und mir deine Zuneigung beweist.“

Solche Worte waren dem König noch nie zu Ohren gekommen, und er konnte garnicht mehr anders als zu lächeln, seine Tochter in die Arme zu schliessen und schiesslich in Tränen auszubrechen. Denn just in diesem Moment war etwas in ihm erwacht, dass schon viel zu lange eingesperrt war und geschlummert hatte. Und dieses Etwas überwältigte ihn.

Er sah zu dem Wanderer aus fernen Ländern, und über seine Lippen kam ein Wort, das er noch niemals ausgesprochen hatte und dessen Bedeutung ihm fast schon abhanden gekommen war.

„Danke.“

Der Zauberer lächtelte.

„Nun, Herr König, was fühlt ihr?“

„Ich weiss es nicht, mein Freund. Es gibt keine Worte dafür, die ich gebrauchen könnte, es zu umschreiben. Es ist einfach da, und es ist schön. Sag mir, Wanderer, ist das Glück? Fühlt sich so Glücklichsein an?“

„Herr König, was ihr in diesem Moment empfindet, das ihr nicht in Worte kleiden könnt, ist etwas, das euren Untertanen schon lange bekannt ist, jedoch durch unbarmherzige Gesetze unterdrückt wird. Lasst ab von diesen Gesetzen. Hebt sie auf. Eure Untertanen werden sich fühlen wie ihr. Glücklich. Zufrieden.“

„Ja, du hast recht. Doch sage mir, Fremder, was ist geschehen?“

„Herr König, sagt mir zunächst, glaubt ihr an Zauberer, oder an Magie? An Drachen? Zwerge, Elfen und Riesen?“

Der König überlegte.

„Nein“, sagte er schliesslich, „ich glaube nicht daran. Doch wäre es wunderbar, wenn ich davon hören könnte. Wenn jemand hier wäre, der Geschichten über solches kennt und mir, meiner Tochter und meinen Untertanen davon zu berichten wüsste.“

„Nun, Herr König, ich kenne viele solcher Geschichten. Und seid versichert, dass alle Geschichten, die ich kenne, war sind. Denn ich bin ein Zauberer, und ich legte meine Magie auf diese Wiese, auf dass sie euch von den schönsten Dingen meiner Welt berichte.“

„Ein wirklicher Zauberer seid ihr also. Und all eure Geschichten sind wahr, sagt ihr? Bleibt bei uns, und erzählt uns von eurer Welt, von den wundersamen Wesen, die dort leben, und den verträumten Begebenheiten, die sie durchwandern. Bitte, bleibt bei uns.“

„Das würde ich gern, doch meine Wanderschaft ist noch nicht beendet, noch lange nicht. Viele Länder möchte ich bereisen und Geschichten sammeln, Magie wirken und Freude bringen.“

„Oh bitte, lieber Zauberer,“, bat die Tochter des Königs, „bleibt. Und wenn ihr um meinetwillen bleibt, ich bitte euch - beendet eure Wanderschaft, denn wenn ihr hier auch nicht findet, was ihr suchen mögt, so habt ihr doch etwas anderes gefunden bei uns. Eine Aufgabe. Wir haben wunderschöne Wiesen, die ich aus den Berichten meiner Diener kenne. Verzaubert sie. Verzaubert sie alle. Ich bitte euch, bleibt bei uns und schenkt uns all eure Geschichten.“

Und so kam es, dass der Zauberer aus fernen Ländern nicht mehr weiterzog und bei dem König und seiner Tochter blieb. Nach und nach erliess der König neue Gesetze und schaffte die alten ab. Und mit jedem neuen Gesetz, dass er erliess, und jedem, dass er abschaffte, verzauberte der Wanderer aus fernen Ländern, der nun eine Heimat gefunden hatte, eine Wiese. Er schenkte den Menschen seine Geschichten, indem er die flüsternden Blumenwiesen sie erzählen liess....

Was aus dem Zauberer wurde, ist unbekannt. Ob er die Tochter des Königs heiratete, weiss man nicht. Und ob der König noch lebt, hat noch niemand erfahren. Doch, wenn du dich mal auf einer Blumenwiese ausruhst und dich am Duft der Blummen und dem Summen der Insekten erfreust, dann lausche doch einmal.... und vielleicht hörst du, wie die Wiese leise flüstert. Vielleicht erzählt sie dir ja von einem Wanderer aus fernen Ländern, der den Menschen Glück brachte und einen König zu einem wahren, freundlichen und guten König machte...
 

egofrau

Mitglied
ein wunderschönes märchen!

lieber rebell :)

sowohl für kinder, als auch für erwachsene ;-) es zu lesen, ist fast wie meditation.... ich wünsche vielen kindern, dass sie es als gute-nacht-geschichte vorglesen bekommen :) es ist schön, mit dir zu leben :-X

ich liebe dich
egojo
 

Daijin

Mitglied
Wieder ein sehr schönes Märchen, das mich ein wenig an meine eigene Geschichte "Das letzte Lied" erinnert (welche übrigens ebenfalls auf dieser Seite zu finden ist, allerdinsgs unter falschem Titel, und noch immer einer Antwort oder Bewertng harrt :) )
Du hast anscheinend ein Talent dazu, Märchen zu schreiben. Deine Kinder (wenn vorhanden) können sich jedenfalls Freuen, daß ihr Vater solch nette Geschichten erzählen kann.
 

RockRebell

Mitglied
;-)

hihi <froi>

danke für das lob, da werd ich glatt ´nen meter grösser ;-))


also dann, lasst uns auf wiesen träumen...

der rebell
 



 
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