Vier Monate lag die letzte Beziehung nun schon zurück. Zwar prahlte Andreas gern vor Freunden mit seinem unabhängigen Leben als einsamer Wolf, insgeheim wünschte er sich aber doch eine kleine Wölfin.
Seine bisherigen Freundinnen waren eher der Kategorie 'Dick, aber mit hübschem Gesicht und Herz am rechten Fleck' zuzuordnen gewesen. Andreas hielt sich für einen Ästheten und plante als nächste Eroberung eine echte Schönheit.
Er traf so eine Schönheit spät abends in der Künstlerkneipe 'Voltaire'. Sie saß an der kleinen Bar vor einem Longdrink, auf den freien Platz neben sie setzte sich Andreas und bestellte gut gelaunt ein Glas Chablis.
Als das serviert wurde, erhob sie ihr Glas und prostete ihm strahlend zu. Andreas nahm sein Glas ebenfalls in die Hand und lächelte mit angehaltenem Atem zurück – sie war wirklich eine Schönheit. Lange, schwarzgelockte Haare umrahmten ein schmales, ebenmäßiges Gesicht mit vollen Lippen und unglaublich glutvollen Augen. Ihre atemberaubende Figur wurde von einer schlichten, weißen Bluse und einem kurzen schwarzen, sehr engen Rock betont. Sie käme gerade vom Theaterbesuch, gurrte sie mit dunkler Stimme, eine beeindruckende Aufführung von Shakespeares 'Was ihr wollt' hätte sie gesehen.
Andreas hatte inzwischen Luft geholt und konnte sich unterhalten. Sie hieß Regine, war Tochter einer Photografin aus Hannover und eines Arztes aus Indien. Das erklärte die sanfte, gleichmäßige Brauntönung ihrer Haut und den schwachen Blauschimmer ihrer Haare. Regine berichtete von ihrer schwierigen Ehe mit einem Piloten, der immerzu auf Reisen und jetzt gerade in Bolivien sei. Andreas biss sich verärgert auf die Lippen. Er hätte sich denken können, dass ein so schönes Geschöpf nicht gerade auf ihn warten würde. Begeistert berichtete sie von ihrer vierjährigen Tochter, die vom Babysitter behütet zu Hause schlummerte.
Die Unterhaltung mit Regine fand er nett und warmherzig. Sie sprühte vor Charme und widerlegte das Vorurteil, dass gut aussehende Menschen immer charakterlos seien und nur hässliche besonders nett.
Nach zwei Stunden hielt Andreas es für eine gute Idee, Regine noch auf einen Kaffee zu sich nach Hause einzuladen. Sie sah ihn einen Moment nachdenklich an und stimmte dann versonnen zu. Andreas zahlte die Rechnung für beide.
Kaffee gab es dann doch nicht.
In seiner Wohnung angekommen, half Andreas ihr aus dem Mantel und umfasste vorsichtig Regines schmale Taille. Sie ließ es scheu lächelnd geschehen.
Er zog sie sanft an sich, sog ihren Duft ein und fühlte, wie in seinem Kopf eine Weiche von Verstand auf Verlangen umgelegt wurde. Zögernd gab Regine seinen Zudringlichkeiten nach, ließ ihre wunderbar zarte Haut streicheln, ihren schlanken Hals küssen. Dann wurde sie aktiver, fordernder. Nach zehn Minuten im Schlafzimmer angekommen, hatten beide keine Kleidungsstücke mehr am Leib.
Andreas registrierte völlig überrascht, dass er diese Frau mit Haut und Haaren wollte, wie er zuvor noch niemals eine Frau wollte. Sie war die personifizierte Verlockung, eine fleischgewordene Männerphantasie. Hätte Sie in diesem Moment noch 'nein' gesagt, wäre es sicher kein 'nein' mehr für ihn gewesen. Aber sie sagte nicht nein.
Was dann geschah, hatte Andreas noch nie erlebt. Seine bisherigen Erlebnisse mit Frauen waren immer von einer ungelenken Tollpatschigkeit geprägt gewesen. Mit Regine aber hatte er das Gefühl, ein geübter Regisseur würde die Choreografie abstimmen, jede Bewegung war weich und schön wie in einem sanften Erotikfilm. Andreas wähnte sich im Himmel, Regine übernahm die Führung, er durfte sich nicht bewegen. Fest fühlte er sich umschlossen, wie von tausend rauen Bürstchen gleichzeitig gestreichelt. Viel zu früh, doch erfüllt und glücklich schwammen sie in einem gewaltigen Crescendo gleichzeitig davon.
Er kuschelte sich an, vergrub seine Nase in ihren Haaren und schlief zufrieden ein.
Als das Morgengrauen die Dunkelheit verabschiedete, wachte Regine mit einem Kater auf. Ohne Blick zurück zog sie sich leise an und ging hinaus in die Märzkälte. Graue Stadt und graue Gefühle, dachte sie. Mit der rechten Hand zog sie ihren Mantelkragen fester.
Zu viele Drinks führen zu Kopfschmerzen, zu viele Gefühle führen zu Chaos. Beides lähmte Schritte wie Gedanken.
Im Grunde meines Herzens, überlegte sie, bin ich eine anständige Frau. Anständige Frauen, besonders verheiratete mit Kind, tun so etwas nicht. Rosa Triebe und schwarze Gefühle.
Langsam kroch der Frühdunst aus den Kanälen der Stadt und verstärkte Regines Einsamkeit. Sie spürte innere Leere. Unzufriedene Gedanken belagerten ihren Verstand:
In der Nachtbar wollte ich nur einen Drink, wollte mich wirklich nur unterhalten. Als Andreas mir einen Kaffee anbot, stand mir der Sinn nur nach Kaffee. Eigentlich wollte ich den Rest nicht. Den schmutzigen Rest. Ich tue Dinge, die ich nicht wirklich will. Mit Männern, die ich nicht wirklich mag. Das gilt sogar für meinen eigenen Mann.
Diese Diskrepanz zwischen Wollen und Handeln hatte Regine schon eine teure Therapie beim Psychiater beschert.
Bei Licht betrachtet, schoss es ihr durch den Kopf, bin ich vergewaltigt worden. Wenn ich etwas nicht möchte und es passiert dennoch, dann ist das eindeutig eine Vergewaltigung. Nachdenklich nagte sie am Nagel ihres Mittelfingers. Angeknabberter Nagel und angeknabberte Seele.
Sie hatte sogar beim Liebesspiel die Führung übernehmen müssen, ein blauer Fleck vom Bettpfosten sprach eine deutliche Sprache. Von Andreas war sie förmlich zu Aktivitäten gezwungen worden. Regines Schädel hämmerte. Das war krank, einfach krank!
Ich will genommen werden, ich will mich mit gebrochenem Willen ausgeliefert fühlen, schließlich bin ich eine normale Frau!
Bewies nicht der blaue Fleck eine Vergewaltigung? Der blaue Fleck begann zu brennen. Bald würde sein Blau in Violett übergehen. Die Farbe der Demut und der Buße. Regine fürchtete ein violettes Gefühl.
Sie beschloss, dass Andreas büßen sollte. Seine Untat würde wie ein Fanal zum Himmel aufsteigen.
Ich bin vergewaltigt worden. Alle Menschen dieser Erde werden das so sehen und mir glauben. Schließlich steht mir als Frau und Mutter Respekt zu.
Bitteres Unrecht musste ich erdulden. Ich wollte diesen Schmutz nicht. Das Gericht wird mich verstehen, vor Gericht ist jeder Tag Muttertag. Mein Mann wird mich auch verstehen, ich bin die Mutter seines Kindes. Er wird Andreas abgrundtief hassen.
Welch' glückliche Fügung, dass Frauen automatisch als Opfer geboren werden. Das Täter-Gen findet sich nur bei den Männern. Und was für ein Glück, dass jeder um diesen Umstand weiß, freute sich Regine.
Einsetzender Sprühregen verwandelte ihre lockigen Haare in tote Spaghetti. Sie hatte nur noch achthundert Meter bis zur Polizeiwache zurückzulegen. Der Regen wusch ihre Haare und ihr Gesicht rein. Die Polizeiwache würde ihre Seele reinwaschen.
Schwarzes Handeln und rosige Gefühle.
Seine bisherigen Freundinnen waren eher der Kategorie 'Dick, aber mit hübschem Gesicht und Herz am rechten Fleck' zuzuordnen gewesen. Andreas hielt sich für einen Ästheten und plante als nächste Eroberung eine echte Schönheit.
Er traf so eine Schönheit spät abends in der Künstlerkneipe 'Voltaire'. Sie saß an der kleinen Bar vor einem Longdrink, auf den freien Platz neben sie setzte sich Andreas und bestellte gut gelaunt ein Glas Chablis.
Als das serviert wurde, erhob sie ihr Glas und prostete ihm strahlend zu. Andreas nahm sein Glas ebenfalls in die Hand und lächelte mit angehaltenem Atem zurück – sie war wirklich eine Schönheit. Lange, schwarzgelockte Haare umrahmten ein schmales, ebenmäßiges Gesicht mit vollen Lippen und unglaublich glutvollen Augen. Ihre atemberaubende Figur wurde von einer schlichten, weißen Bluse und einem kurzen schwarzen, sehr engen Rock betont. Sie käme gerade vom Theaterbesuch, gurrte sie mit dunkler Stimme, eine beeindruckende Aufführung von Shakespeares 'Was ihr wollt' hätte sie gesehen.
Andreas hatte inzwischen Luft geholt und konnte sich unterhalten. Sie hieß Regine, war Tochter einer Photografin aus Hannover und eines Arztes aus Indien. Das erklärte die sanfte, gleichmäßige Brauntönung ihrer Haut und den schwachen Blauschimmer ihrer Haare. Regine berichtete von ihrer schwierigen Ehe mit einem Piloten, der immerzu auf Reisen und jetzt gerade in Bolivien sei. Andreas biss sich verärgert auf die Lippen. Er hätte sich denken können, dass ein so schönes Geschöpf nicht gerade auf ihn warten würde. Begeistert berichtete sie von ihrer vierjährigen Tochter, die vom Babysitter behütet zu Hause schlummerte.
Die Unterhaltung mit Regine fand er nett und warmherzig. Sie sprühte vor Charme und widerlegte das Vorurteil, dass gut aussehende Menschen immer charakterlos seien und nur hässliche besonders nett.
Nach zwei Stunden hielt Andreas es für eine gute Idee, Regine noch auf einen Kaffee zu sich nach Hause einzuladen. Sie sah ihn einen Moment nachdenklich an und stimmte dann versonnen zu. Andreas zahlte die Rechnung für beide.
Kaffee gab es dann doch nicht.
In seiner Wohnung angekommen, half Andreas ihr aus dem Mantel und umfasste vorsichtig Regines schmale Taille. Sie ließ es scheu lächelnd geschehen.
Er zog sie sanft an sich, sog ihren Duft ein und fühlte, wie in seinem Kopf eine Weiche von Verstand auf Verlangen umgelegt wurde. Zögernd gab Regine seinen Zudringlichkeiten nach, ließ ihre wunderbar zarte Haut streicheln, ihren schlanken Hals küssen. Dann wurde sie aktiver, fordernder. Nach zehn Minuten im Schlafzimmer angekommen, hatten beide keine Kleidungsstücke mehr am Leib.
Andreas registrierte völlig überrascht, dass er diese Frau mit Haut und Haaren wollte, wie er zuvor noch niemals eine Frau wollte. Sie war die personifizierte Verlockung, eine fleischgewordene Männerphantasie. Hätte Sie in diesem Moment noch 'nein' gesagt, wäre es sicher kein 'nein' mehr für ihn gewesen. Aber sie sagte nicht nein.
Was dann geschah, hatte Andreas noch nie erlebt. Seine bisherigen Erlebnisse mit Frauen waren immer von einer ungelenken Tollpatschigkeit geprägt gewesen. Mit Regine aber hatte er das Gefühl, ein geübter Regisseur würde die Choreografie abstimmen, jede Bewegung war weich und schön wie in einem sanften Erotikfilm. Andreas wähnte sich im Himmel, Regine übernahm die Führung, er durfte sich nicht bewegen. Fest fühlte er sich umschlossen, wie von tausend rauen Bürstchen gleichzeitig gestreichelt. Viel zu früh, doch erfüllt und glücklich schwammen sie in einem gewaltigen Crescendo gleichzeitig davon.
Er kuschelte sich an, vergrub seine Nase in ihren Haaren und schlief zufrieden ein.
Als das Morgengrauen die Dunkelheit verabschiedete, wachte Regine mit einem Kater auf. Ohne Blick zurück zog sie sich leise an und ging hinaus in die Märzkälte. Graue Stadt und graue Gefühle, dachte sie. Mit der rechten Hand zog sie ihren Mantelkragen fester.
Zu viele Drinks führen zu Kopfschmerzen, zu viele Gefühle führen zu Chaos. Beides lähmte Schritte wie Gedanken.
Im Grunde meines Herzens, überlegte sie, bin ich eine anständige Frau. Anständige Frauen, besonders verheiratete mit Kind, tun so etwas nicht. Rosa Triebe und schwarze Gefühle.
Langsam kroch der Frühdunst aus den Kanälen der Stadt und verstärkte Regines Einsamkeit. Sie spürte innere Leere. Unzufriedene Gedanken belagerten ihren Verstand:
In der Nachtbar wollte ich nur einen Drink, wollte mich wirklich nur unterhalten. Als Andreas mir einen Kaffee anbot, stand mir der Sinn nur nach Kaffee. Eigentlich wollte ich den Rest nicht. Den schmutzigen Rest. Ich tue Dinge, die ich nicht wirklich will. Mit Männern, die ich nicht wirklich mag. Das gilt sogar für meinen eigenen Mann.
Diese Diskrepanz zwischen Wollen und Handeln hatte Regine schon eine teure Therapie beim Psychiater beschert.
Bei Licht betrachtet, schoss es ihr durch den Kopf, bin ich vergewaltigt worden. Wenn ich etwas nicht möchte und es passiert dennoch, dann ist das eindeutig eine Vergewaltigung. Nachdenklich nagte sie am Nagel ihres Mittelfingers. Angeknabberter Nagel und angeknabberte Seele.
Sie hatte sogar beim Liebesspiel die Führung übernehmen müssen, ein blauer Fleck vom Bettpfosten sprach eine deutliche Sprache. Von Andreas war sie förmlich zu Aktivitäten gezwungen worden. Regines Schädel hämmerte. Das war krank, einfach krank!
Ich will genommen werden, ich will mich mit gebrochenem Willen ausgeliefert fühlen, schließlich bin ich eine normale Frau!
Bewies nicht der blaue Fleck eine Vergewaltigung? Der blaue Fleck begann zu brennen. Bald würde sein Blau in Violett übergehen. Die Farbe der Demut und der Buße. Regine fürchtete ein violettes Gefühl.
Sie beschloss, dass Andreas büßen sollte. Seine Untat würde wie ein Fanal zum Himmel aufsteigen.
Ich bin vergewaltigt worden. Alle Menschen dieser Erde werden das so sehen und mir glauben. Schließlich steht mir als Frau und Mutter Respekt zu.
Bitteres Unrecht musste ich erdulden. Ich wollte diesen Schmutz nicht. Das Gericht wird mich verstehen, vor Gericht ist jeder Tag Muttertag. Mein Mann wird mich auch verstehen, ich bin die Mutter seines Kindes. Er wird Andreas abgrundtief hassen.
Welch' glückliche Fügung, dass Frauen automatisch als Opfer geboren werden. Das Täter-Gen findet sich nur bei den Männern. Und was für ein Glück, dass jeder um diesen Umstand weiß, freute sich Regine.
Einsetzender Sprühregen verwandelte ihre lockigen Haare in tote Spaghetti. Sie hatte nur noch achthundert Meter bis zur Polizeiwache zurückzulegen. Der Regen wusch ihre Haare und ihr Gesicht rein. Die Polizeiwache würde ihre Seele reinwaschen.
Schwarzes Handeln und rosige Gefühle.