Eine Handvoll Helden

Die Hölle, dort kommst du nicht umsonst

1.


Salvatore rannte.
»Hilfe!«, seitdem Salvatore wieder bei Bewusstsein war, rief er danach und lief scheinbar orientierungslos herum.

»Schau ihn dir an, Bruder. Er winselt um sein Leben«, sagte Clark der mit dem Ziel Rohr Salvatores Kopf im Visier hatte. »Hier, an einem Ort wie diesen.« Ein hämisches Lachen befiel Clark, wie eine Heuschreckenplage ein Maisfeld oder eine Krankheit einem Menschen.

»Futter für die Raubtiere, mehr ist so einer nicht«, sagte Ken kühl. Da er mit Gewissheit seinen Bruder kannte, hielt er die Hand vor der Mündung des Gewehrs. Die Brüder Clark und Ken sahen sich an. »Schieß, aber töte ihn nicht«, fing Ken an. »Die Wahl könnte heute Abend auf ihn fallen. Somit hätten wir schon einmal 5 Millionen gesichert.«

Es fiel ein Schuss. Die Kugel durchbohrte Salvatores Oberschenkel; schreiend fiel der kahlköpfige Italiener zu Boden und fasste nach der Wunde.



»Und was sollen wir so lange, bis zur Auslosung heute Abend, mit ihm machen?«, fragte Clark seinen Bruder, als sie vor dem am Boden liegenden Salvatore standen.

»Verdammt. Scheiße. Wart ihr das, die auf mich geschossen haben? Was für eine kranke scheiße geht hier ab?« Salvatore sah mich schmerzverzehrtem Gesicht zu den ihn unbekannten Männern hoch. Ken, die Worte des Verwundeten ignorierend, kniete sich hin und sah nach der Wunde am Oberschenkel.

»Ein sauberer Schuss, Clark. Jetzt sollten wir aber die Blutung erst einmal stoppen, nicht dass er noch den Löffel abgibt.«

Salvatore rollte von den beiden Männern weg, bis er gegen einen Baum stieß. »W-w-w-wartet mal. Was hat das hier alles zu bedeuteten?« Er atmete schwer. Schweiß tropfe von seinem Kinn herunter und allmählich bohrte er sich mit den Fingern einen Weg durch die Baumrinde. Ken und Clark sahen auf ihn herab.

Vieles lässt sich aus Gesichtern herauslesen: Salvatores Leben würden sie nicht verschonen.



Salvatore kniete sich hin, ohne dabei das verletzte Bein zu belasten; Blut strömte aus seinem rechten Oberschenkel.

»Ich appelliere an eure Menschlichkeit … Ich bitte euch, es gibt keinen Grund für all das.« Clark stemmte seine Hände in die Hüfte.

»I-i-ich … Ich, wartet«, fuhr Salvatore panisch fort. »Tötet mich und ihr werdet nie erfahren, wie ihr dieses Spiel hier gewinnen könnt.« Als hätte er endlich den richtigen Schlüssel für das verriegelte Schloss gefunden, öffneten die Brüder ihre Münder.

»Bruder, hörst du was der Tote sagt?«

»Ich habs gehört, Clark.«

»Kadaver sagt: Er wüsste, wie wir sicher das Spiel gewinnen können. Denkst du Kadaver sagt die Wahrheit?«

»Hmm, mit dem Rücken zur Wand sagen Menschen vieles,« meinte Ken und ließ sich Zeit, bis er weitersprach. »Mein Gefühl sagt mir, dass dieser Mann alles tut, bloß um seine Haut zu retten, Clark. Ein Mann ohne Ehre. Wir tun der Welt einen Gefallen, wenn wir ihn jetzt schon …«

Gewiss vom Adrenalin berauscht, vergaß Salvatore seinen Schmerz und sprang auf, doch ehe er zu Wort kommen konnte, hatte Clark ihn schon an den Kragen gepackt, gegen den Baum gestoßen und drückte ihm jetzt sein Messer gegen die Kehle. Ken zog die 9mm aus dem Hafter.

»Wer hat dir erlaubt sich zu bewegen?«, fragte Clark.

»I-i-ich weiß, dass wir Teams bilden dürfen«, fing Salvatore die Hände in der Luft an. »Wenn wir gemeinsam Arbeiten dann …«

»Mach ihn kalt, Bruder«, zischte Ken aggressiv dazwischen. Salvatore kreischte und urinierte in die Hose.

»Du scheißkerl«, schrie Clark und holte aus, um Salvatore das Messer in den Hals zu rammen, da zischte es zwei Mal und Salvatore hatte Clarks Blut im Gesicht; er blieb in Schockstarre stehen, als Clark zu Boden fiel.

»Bruder«, rief Ken aus, als ein 12cm langes Tauchermesser, in seinem Arm schnitt. Die Pistole fiel ihm aus der Hand. Panisch drehte sich Ken im Kreis. »Wer bist du?« Ken griff mit seiner linken Hand, nach der Kleinkalibrigen Pistole, im Hosenbund; er zitterte, als er wild um sich schoss, bis ihm die Munition ausging. Ken sah nach seinem Bruder auf den Boden. »Clark«, schluchzte er aus und richtete dann seine Waffe gegen Salvatore, der immer noch, die Hände oben, mit nasser Hose dastand. »War das einer von …«, waren Ken´s letzte Worte, ehe eine Kugel sich einen Weg durch seinen Schädel bahnte.



Nasir, ein Mann dunkler Hautfarbe, in schwarzer Kleidung und bis an die Zähne bewaffnet, erschien. Mit seiner 9mm auf Salvatore gerichtet sagte er: »Du hast 60 Sekunden, bis ich dich erledigte. Erzähle mir, was du weißt, und vielleicht lasse ich dich am Leben.«



2.​

Mr. Pink und Mrs. White saßen auf der Terrasse des Luftschiffes der Organisation. Die Insel unter, und das weiter Meer vor ihnen, drehte er Däumchen. Er, männlich und Mitte dreißig.

»Ich weiß nicht …«, sagte Mr. Pink und sah verlegen zur Seite. »Ich weiß nicht, ob Menschen, wie du und ich. Also Menschen, die, diesen Beruf ausüben …«

Mr. Pink und Mrs. White waren Cleaner, die für die Organisation arbeiteten und seit drei Jahren in derselben Abteilung.

»Also was ich sagen will«, fuhr er nach einer kurzen Pause fort. »Ich weiß nicht, ob Menschen, die diesen Beruf ausüben, es auch verdient haben in diesem Leben, glücklich zu sein … verstehst du, was ich meine … aus moralischer Sicht halt.«

Mrs. White zuckte mit den Schultern. »Ich bin mein ganzes Leben in dieser Branche, Mr. Pink. Ich habe nie damit angefangen, mir Gedanken darüber zu machen … über Moral und all den Mist, und von einem Neuanfang will ich erst gar nicht reden. Was soll jetzt überhaupt noch aus mir werden?«

»Festgefahren«, sagte Mr. Pink einsilbig.

»Willst du irgendwo hin und von vorn anfangen … in diesem Alter?«, fragte Mrs. White.

»Mit der richtigen Person, warum nicht?«

Mrs. White lachte in sich hinein. »Mach dir nichts vor und außerdem …« Sie stoppte, als wäre ihr soeben etwas eingefallen. Ein schwerer Seufzer entfloh ihr. »So fängt es an, Mr. Pink. So fängt es immer an. Wenn du dir nicht mehr sicher bist, solltest du aufhören. Du wirst so alles Wegwerfen. Wer bei dieser Arbeit keine richtigen Überzeugungen hat, der verliert am Ende alles.« Ihr sonst so hartes Gesicht, nahm ungewohnt weiche Züge an.

»Ich werde alles der richtigen Person hinterlassen«, sagte er selbstbewusst und warf ihr einen flüchtigen Blick zu. »Aber ich bin noch da, dass kannst du mir glauben.«

»Du weißt selbst, besser als kein zweiter, wenn du merkst, dass dein Herz weich wird, solltest du am besten gehen.« Mrs. nahm die E-Zigarette aus dem Sakko und stellte sich zu Mr. Pink. Ihre schwarzen, maßgeschneiderten Anzüge flatterten im Wind; die schwarz-weißen Sneaker waren bei beiden wie neu. Mr. Pink wand sich zu ihr hin, er war größer als sie; groß genug, um seinen Blick senken zu müssen, wenn er ihr in die Augen sah. Mrs. White wich seinem Blick aus.

»Manchmal…«, Mr. Pink wurde rot. »Manchmal, da kann ich das, was in Mexiko war, nicht hinter mich lassen. Denn …« Er brach ab, als die Tür gewaltsam geöffnet wurde.

»Verdammte scheiße, was macht ihr hier«, fauchte Mr. Red beide an. »Ihr sollt nach unten kommen. Sie sucht euch. Wir haben eine scheiß Leiche gefunden.« Und Mr. Red verschwand genauso schnell, wie er erschienen war. Aber Mr. Pink und Mrs. White blieben. Sie sah ihn mit festem Blick an, als sie sagte: »Ich hoffe du hast dein Versprechen nicht vergessen.«

»Natürlich nicht. Ich habe mit niemanden darüber gesprochen.« Mr. Pink sah ihr entschlossen in die Augen. »Und ich werde es auch niemals tun, dafür bist du mir viel zu wichtig.«

Mrs. White sah ihn an, als sie ihm mit Verzögerung ein herzliches Lächeln schenkte. »Ich werde dich umbringen, wenn du es je machst.«



3.


»Emilia«, sagte die sterbende Camilla Sterling zu ihrer Zwillingsschwester und wischte ihr die Träne aus dem Gesicht. »Das ist nicht die Zeit, um traurig zu sein, hier und jetzt musst du stark sein, Emilia.«

Aber Emilia hörte nicht auf das, was ihre Schwester ihr sagte, quirlten denn ihre großen, grünen Augen vor Trauer über. »Du musst stark sein und an dich glauben, wenn du gewinnen willst«, fuhr Camilla fort. »Und solange du in Erinnerung hälst, weshalb wir hierhergekommen sind, wird dich nichts aufhalten.« Emilia nickte. Camila legte ihre mit Blut überstömte Hand, auf Emilias Gesicht. »Es regnet«, sagte die Sterbende, ohne das Regen vom Himmel fiel.

Camilla Sterling empfand eine Gewisse Schuld, ihrer Schwester Emilia gegenüber, war die Teilnahme an diesem Turnier ihre Idee; und jetzt starb sie, am ersten Tag. Aber sie war auch glücklich, ohne Zweifel, dass war sie. Emilia besaß außerordentliche Fähigkeiten, die sie aber selten abrief. Dieses Turnier war für Emilia mit links zu gewinnen, vorausgesetzt, sie lernte an sich selbst zu glauben, davon war Camila überzeugt.

»Sag mir bitte«, fing Camilla nach einer Weile des Schweigens an. »Sag mir bitte, dass du es für ihn tust und nicht für mich.«

»Ich«, fing Emilia schluchzend an und sah lange auf den Boden, ehe sie fortfuhr, »ich werde es für ihn tun«. Sie klang nicht überzeugend und doch schätzte Camilla die Worte, und mit der wenig Kraft, die ihr noch blieb, schenkte Camila ihrer Schwester ein Lächeln; am Rande ihres Blickes wurde es mit einem Mal schwärzer. »Was ein Aberglaube«, stieß Camila kaum hörbar aus, als ihr Leben an ihr vorbeizog. Hatte sie doch nie daran geglaubt, dass es tatsächlich so ablaufen würde.



Die Sterling-Zwillinge wuchsen in tiefster Armut auf. Sie hatten keine Familie oder andere Erwachsene, die nach ihnen sahen und überlebten nur dank ihrer Hartnäckigkeit, das Leben auf der Straße. Camila erinnerte sich daran, dass sie bis zu ihrem zwölften Lebensjahr, einen bestimmten Traum hatte. Träumte sie doch davon, bloß nur einmal auf einer sauberen Matratze zu schlafen und beim Frühstück die Wahl zu haben: Marmelade, Schokolade, Wurst oder Käse oder lieber doch ein Ananassaft oder Orangensaft? Sie redete sich trotz ihrer Armut ein, dass es ein lächerlicher Traum sei, dass es im Leben wichtigeres gab als Komfort. Aber wovon sollte sie sonst träumen, kannte sie doch nur das Kantinenessen der Kanalisation und den Regen als Trinkwasser.

»Ich werde es nicht schaffen, C-c-camilla. Ohne dich schaffe ich es nicht. Wie soll ich gegen all diese Leute ohne dich gewinnen? Wir haben doch bis jetzt immer alles gemeinsam gemacht und jetzt werde ich allein sein«, Emilias schluchzen zog Camilla zurück in die Realität.

»Das gehört zum Leben dazu«, sagte Camilla mit der wenig Kraft, der ihr blieb. »Im Leben sind wir gezwungen über uns hinauszuwachsen, wer stagniert, der stirbt.« Warum sagte sie das? Sollte sie nicht etwas Weises und Ausgeklügeltes sagen, um ihrer Schwester Inspiration zu schenken? Aber ihre Gedanken waren weich wie Mayonnaise und trüb wie Nebel. In der Ferne fielen Schüsse und dann eine Erschütterung - wohl eine Bombe.

Emilia hob ihre Schwester auf und trug sie einen Hügel hoch. Sie lehnte Camilla gegen einen Baum und setzte sich neben ihr. Von dort aus war die volle Pracht des Urwaldes zu sehen. Graue Wolken zogen über sie und da platze auch schon ein Regen über sie hinweg.

»Jetzt regnet es doch«, sagte Emilia und griff nach der einzigen Ausrüstung die sie mitgenommen hatte: Einen gelben Regenschirm. Sie öffnete den Regenschirm und das dumpfe Geräusch des fallenden Wassers, ließ Camilla in der Überzeugung, dass, auch wenn sie bald ging, für immer bei ihrer Schwester sein würde.

»Ich verstehe, was du versucht hast. Du hast es geschafft«, sagte Emilia Sterling und wischte sich den Regen aus dem Gesicht, wobei davon auszugehen ist, dass Tränen auch darunter waren. »Ich werde niemals unseren Ausgangspunkt vergessen. Niemals!«. In Emilias Augen hatte eine Veränderung stattgefunden. »Für Mr. Robertson werde ich diese Spiele gewinnen, um sein Vermächtnis am Leben halten zu können.«

Camilla Sterling, die als letztes die Augen ihrer Schwester sah, wurde schwarz vor Augen; doch wusste sie, dass sie noch für einen Augenblick lebte. Sie rief die Erinnerung auf, zu den regnerischen Tag, an dem der reichste Mann der Stadt, den beiden Zwillingsschwestern ein Regenschirm über den Kopf hielt. Nichts außer Prügel, Beleidigungen und böse Blicke, hatten diese beiden Kinder, bis zu diesem Tag erfahren, doch dann kam diese unverhoffte Geste und für sie offenbarte sich eine neue Welt. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr hatten sich die Zwillingsschwestern wegen ihres Los nie beklagt, aber auch nie etwas dagegen unternommen; was wussten sie denn schon, waren sie doch Kinder. Aber nach diesem Tag leuchtete in der Ferne für sie ein Licht auf und sie trafen die Entscheidung, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. So endeten sie hier, auf der Insel, auf der ein Todes Tanz stattfand, dessen letzter Tänzer ein Preisgeld erwartete, dass, wenn man den Gerüchten glaubte, mit dem BIP der reichsten Länder mithielt.

»Wir wussten was uns erwartet, wir beide bereuen nichts. Das Ziel ist es zu siegen. Die Welt hat uns immer mit Füßen getreten, aber wir haben uns nie davon besiegen lassen und um Mr. Robertson für den Regenschirm von damals zu danken, haben wir uns entscheiden hier mitzuspielen. Hiermit schwöre ich, Emilia Sterling, dass ich für Mr. Robertson, den Tanz des Todes gewinnen werde und nicht nur die Regenschirmfirma rette, sondern jedem Kind, dass so lebt wie wir damals, einen Regenschirm kaufe.«



4.[ho1]

»Nimm es nicht persönlich«, sagte Tony, Boss der Burattinaio Familie, als er seine Zigarre in den Mund führte; den Rauch stieß er in kleinen asymmetrischen Kreisen aus. »Aber da muss ich ablehnen. Dein Pech ist es wohl, als Frau geboren zu sein.« Er sah Yoko Hino während des Gespräches nicht an; Tonys Augen waren auf eines der Bildschirme fixiert, auf dem soeben der Name Camilla Sterling aus der Liste der lebenden Teilnehmer verschwand. »Ein Favorit gleich am ersten Tag. Ist das schon einmal vorgekommen?«, richtete er die Frage an seine Capos am Tisch.

Emilias Quote, als Überlebende des Sterling Duo, fiel auf eines der mittleren Plätze. Die Kakerlake belegte jetzt den höchsten Rang. Kun Ichigo wurde zweiter. Tony lachte siegessicher. Luciano sagte: »Ich glaube ich wette gegen diese Emilia, das hat eine echt fette Quote.«

»Mach was du willst«, antwortete ihm Tony, »ich bin nicht hier, um zu wetten. Ich bin hier, um zu …«

»Aber Herr Burattinaio«, sprach Yoko Hino, die Hände zusammengefaltet dazwischen, »Sie haben sich nicht einmal das Angebot angehört, dass mein Vater zusammengeschnürt hat. Wenn Sie uns mit der Investition von 20 Millionen aushelfen, werden Sie in den nächsten …« Tony hob die Hand und die junge Dame verstummte. Er holte seinen Wettschein heraus und sah ihn sich in tiefer Versunkenheit an und es war, als wenn Yoko Hino nie etwas gesagt hätte, nicht einmal am Tisch saß oder gar existierte. Yoko Hino blieb noch eine Weile sitzen, dann stand sie auf und verließ ihren Platz. Tony sah ihr hinterher und sagte kaum hörbar: »Irgendwann muss man sich die Frage stellen was wichtiger ist, die Familie oder man selbst«, konzentrierte sich dann wieder auf den Wettschein.



»Little Tony, wo ist Luca?«, fragte Tony Burattinaio, seinen Neffen, der schon eine Weile schweigsam am Tisch saß.

»In meinem Arsch! Woher …«, antworte Little Tony, ehe er von Guiseppe einen Klaps auf den Hinterkopf bekam. Mit bedrohlicher Strenge sah Tony nach seinem Neffen, der Aufstand und ohne ein Wort zu sagen, den Tisch der Burattinaio Familie verließ.

»Luca muss auf dem Klo sein«, meinte Giuseppe, ein betagter Mann, der sein graues Haar, nach hinten gekämmt hatte.

Tony aber schien die Antwort nicht wahrgenommen zu haben, verfolgte er doch seinen Neffen mit seinem Blick. »Verdammte Familie, stieß Tony aus.

»Drück ein Auge zu«, sagte Luciano beschwichtigend. »Der Junge hat gerade eine Million, in USD verloren, da wäre ich auch so drauf.«

Tony seufzte. »Diesen Dreck kann man einfach nicht von sich waschen. Die Familie nimmt man wie sie ist, ob Idiot oder verdammter Einstein.« Ein Moment des Schweigens befiel den Tisch, bis Tony auf den Bildschirm den kahlköpfigen Salvatore sah. »Sieh mal Lucy, wem wir dahaben und der ist wohl nicht allein.« Luciano sah Tony für einen Moment an, dann fragte er: »Ich verstehe immer noch nicht, wieso du Salvatore zwingst, da mitzumachen?« Aber Tony grinste nur und sagte kein Wort.

Mr. Red stellte sich an den Tisch. »He«, sagte Tony zu niemand bestimmtes, wobei doch alle, bis auf Luciano aufstanden.

»Sie brauchen sie nicht wegschicken«, sagte Mr. Red und spielte an seiner Krawatte herum. »Da ist etwas, dass ich Ihnen zeigen muss, Herr Burattinaio.«



Tony stand auf und folgte Mr. Red auf die Damen-Toilette. Dort warteten die Abteilungsleiterin der R4, die vier Cleaner der Abteilung und Luca auf ihn. Nur das Luca auf dem Boden lag und sein Köper von etwa 20 Messern durchspiest worden war, was natürlich der Grund war, weshalb Luca nicht mehr lebte.

Ausdruckslos sah Tony auf die Leiche seines Neffen herab, kniete sich hin und drehte den Toten um. Lucas Glied schaute heraus. Seine Hose war offen.

»Wow«, sagte Mr. Red als er schmunzelnd einen Schritt zurück ging.

»Hat sich wohl in der Toilette geirrt«, meinte Mrs. White trocken.

»Wartet in meinem Büro auf mich«, richtete sich die Abteilungsleiterin genervt an die Cleaner.

»Halt!«, stieß Tony bestimmend aus. Er stand auf und ging zum Waschbecken. Die Abteilungsleiterin und die Cleaner sahen ihn an, als Tony sich die Hände wusch. »Wer hat ihn gefunden?«, fragte Mafiosi. In seinem Gesicht war keine emotionale Regung zu erkennen, die drauf deutete, dass der jüngste Sohn seiner Schwester ermordet wurde.

»Es war eine von den Kellnerinnen, Herr Burattinaio«, sagte die Abteilungsleiterin ohne Teilnahme in ihrer Stimme.

»Und sie ist gleich zu euch gelaufen?«, fragte Tony und sah vom Spiegel aus in die Gesichter der Cleaner.

»Ja«, meldete sich Mr. Black, der sich mit seiner Jugend, von den deutlich älteren Cleaneren unterschied. »Sie kam zu mir und ich gab der Abteilungsleiterin Bescheid und sicherte den Tatort. Mr. Red trommelte alle zusammen.« Tony verzog sein Gesicht, bei dem Wort Tatort.

»Ich verstehe«, Tonys prüfender Blick, blieb an Mr. Black haften. Er trocknende seine Hände, in kontrollierter und selbstbestimmter Art. Ein Mann, der wusste was er wollte und darüber hinaus, mutig genug war, alles in seiner Macht zu tun, um seine Ziele zu erreichen. Er wand sich um, vermied es Lucas Leiche anzusehen und fragte: »Und, wer von euch hat die Botschaft?«



5.​

»Warum machst du dir die Mühe?«, fragte Salvatore, der auf einen Stein saß und das Verband an seinem Oberschenkel prüfte. »Lass doch ihre Leichen dort und konzentrier dich auf dieses kranke Spiel.«

Nasir, der die Taschen der Leiche mit Steinen gefüllt hatte, hob ihn auf und warf ihn ins Wasser; faltete seine Hände zusammen und betet; jetzt machte er sich dran, die zweite Leiche zu beschweren. »Wenn ich sie schon nicht vergaben kann, dann werfe ich sie zumindest ins Wasser. Sie sollen wieder Eins mit der Natur werden. Ich habe nichts gegen sie persönlich, noch kenne ich den Grund oder Umstände, weshalb sie hier sind.«

»Nun, mich kannten sie auch nicht und auch nicht die scheiß Umstände, weswegen ich hier bin, und trotzdem wollten die mich kalt machen«, klagte Salvatore mit halb lauter Stimme aus, worauf hin Nasir den Finger auf die Lippen legte. »Ich sag doch nur die Wahrheit«, fuhr Salvatore fort und machte eine abfällige Handbewegung. Nasir hievte Kens Leiche hoch und warf sie ins Wasser, faltete wieder die Hände und sagte: »Danke.« Dann sah Nasir auf seine Uhr und wählte die Option der Totenliste: Es tanzte eine Leiche.

Nasir sah zu Salvatore auf, dann sprach er zu ihn: »Du bist unbewaffnet und lebst gerade nur noch, weil du meintest, dass du wüsstest, wie man hier gewinnen kann. Du bist dir deine Position hoffentlich bewusst, oder?« Salvatore nickte verängstigt.

»Außer diesen beiden, hast du noch jemanden anderes gehört oder gesehen?«

»Nein«, sagte Salvatore, der augenblicklich in Schweiß ausbrach, wissend, dass eine falsche Antwort, seine letzte sein könnte.

»Bist du dir sicher?«

»Verdammt, so sicher wie ich dachte, dass gerade mein letztes Stündlein geschlagen hat.«

»Gut«, sagte Nasir und nickte vielsagend. »Dann her mit den Informationen. Wie kann man das hier gewinnen?«

»B—b-bevor ich es dir sage, will ich dir erklären«, fingt Salvatore besorgt an, »dass ich, nicht so einer bin. Ich bin nicht hier, weil ich hier sein will … I-i-ich wurde regelrecht dazu gezwungen.« Nasir aber ging auf kein Wort ein und sah ihn unverändert an. »Mich haben Leute dazu gezwungen hier mitzumachen, damit ich mit dem Gewinn meine Schulden abzahlen kann. Aber was ist das für ein krankes Spiel, dass ihr hier spielt … freiwillig. Egal«, sagte er dann, Nasirs offenbare Ungeduld spürend, »diese Leute hatten eine Karte, auf der Waffen, Proviant und anderes gekennzeichnet war. Es war eine Karte dieser Insel.«

»Gib mir die Karte«, kam es aus Nasir geschossen, »dann lasse ich dich gehen. Wir wären dann quitt.«

Salvatore offenbar von Nasirs Gleichgültigkeit gegenüber seinem Leben erschrocken, lief ein Schauer über den Rücken. »Das kannst du nicht tun, einen Menschen sich einfach so überlassen. Ich werde das niemals überleben und meine Familie, ja, die werden nicht einmal wissen, wo ich bin. Findest du … findest du das gerecht?« Salvatore stand den Tränen nahe und Nasir schnaufte auf, bevor er sprach. »Schau mal, jetzt gerade, zu genau dieser Zeit, befinden sich, die Verrücktesten unter den Verrückten und spielen bei einem Last-Man-Standing mit. Hier zu gewinnen ist schon schwierig genug und wenn du mir gerade die Sache erschweren willst … nein, danke. Ich habe zu hart dafür gearbeitet, um hier sein zu können. Weshalb sollte ich dich rumschleppen, wenn du mir am Ende nichts bringst?«

»Okay«, sagte Salvatore. »Wenn das hier wirklich eine Schlacht ums nackte Überleben ist, da werde ich dir als Krieger nicht behilflich sein werden. Ich kenne mich nicht mit Waffen aus und kann auch nicht kämpfen, aber ich glaube ich kann dir auf andere Art und Weise helfen.«

Salvatore stand langsam auf und humpelte auf einem Baum, neben einen Hügel, zu. Es zog sich hin, bis er den Baum erreicht hatte. Nasir beobachtete ihn mit Adleraugen. Am Baum blieb Salvatore stehen, lief einmal herum und hatte offenbar etwas gefunden. Dann, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, kam er zurückgelaufen. »Ich wusste doch, dass ich diese Stelle kenne. Ich merke mir solche Dinge immer, wenn ich sie mir einmal angesehen habe.« Dann überreichte er Nasir, die Wärmebildkamera, die er aus dem Baum entwendet hat, und dieser schaute ihn mit großen Augen an. »Ich würde gerne überleben und meine Schulden begleichen und wenn es nur geht, indem ich bei diesem verrückten Spiel gewinne, dann lass es uns gemeinsam machen, Nasir.«



6.​

»Ist die Leiche über Bord?«, fragte die Abteilungsleiterin den gerade hereinkommenden Mr. Black. Er schloss die Tür hinter sich und nahm auf den noch einzig verbliebenen Sessel Platz. Er nickte verlegen. Die anderen Cleaner schwiegen. Im Raum stand ein Elefant, der dringend angesprochen werden musste.



Die Abteilungsleiterin starrte aus dem Fenster des Luftschiffes, bis sie sich endlich umdrehte und sich auf ihren Platz setzte.

»Sollten wir nicht …«, fing Mr. Black an, wurde aber von der Abteilungsleiterin unterbrochen.

»Manchmal«, sagte sie sichtbar verärgert, »da glaube ich, dass ich die Einzige bin, die diese verdammte Arbeit noch ernst nimmt.« Sie sah niemand direkt an. »Ich habe soeben einen Anruf vom Vorsitz erhalten«, sie stoppte kurz, als würde sie nach dem richtigen Wort Ausschau halten. »Er ist empört. Ich weiß nicht, wie er davon erfahren hat, aber er ist empört und er ist fest entschlossen uns für die Spiele ersetzten zu lassen.« Sie schien verletzt, nicht physisch, sondern psychisch. »Genau aus dem Grund seid ihr hier, um unnötige Leichen zu verhindern. Was ist nur los mit euch? Aber das geht schon seit Monaten so. Es wird mittlerweile nur noch gemeckert und sich beschwert und rumgeheult und sonst was. Die Arbeit ist dies, die Arbeit ist aber heute jenes … und eure Einstellung, die spiegelt sich in euren Zahlen wider. Das ist von allem das schlimmste. Euren Zahlen. Wollt ihr eure Zahlen sehen? Gibt es einen, der seine verdammten Zahlen sehen möchte?« Die Frage fütterte den Elefanten im Raum, der nur größer wurde. »5%«, fuhr die Abteilungsleiterin fort und zeigte fünf Finger. »5% weniger als noch vor zwei Jahren. Ich kann mir einen Fall von 5% gar nicht erklären. Wisst ihr, dass mich diese 5% im Schlaf verfolgen? Dass ich deshalb nachts kein Auge zu bekomme?«

Da hob Mr. Red schuljungenmäßig die Hand. Es kam zu einer unangenehmen Pause, welche nur paar Sekunden dauerte, sich aber wie Minuten anfühlen musste.

»Ich will nur sagen«, fing Mr. Red an, »dass ich aber meine Quote von 99% aus dem Vorjahr beibehalten habe.« Dies sagte er mit einer unerklärlich verderbten Unschuld, sodass er böse Blicke von den anderen Cleanern erntete. Mrs. White verdrehte ihre Augen.

Die Abteilungsleiterin sagte nichts dazu. Sie stand auf und ging auf die Minigolfbahn zu, die im Büro war, nahm sich Schläger und Ball und brachte sich in Position. Ehe sie zum Schwung ausholte, fragte sie, ohne sich an Mr. Red direkt zu wenden: »Jeder hier … jeder hier trägt einen schwarzen Anzug, mit schwarzer Krawatte und weißes Hemd, warum ist dein Hemd schwarz?« Verlegen sah Mr. Red sein Hemd an, sagte aber nichts. Die Abteilungsleiterin, holte aus und versenkte den Ball. Das unangenehme Schweigen blieb. In den letzten Monaten gehörten solche Ansprachen zur Tagesordnung.

»Wenn es mit den Zahlen so weiter geht, werden wir die Spiele nächstes Jahr nicht überwachen dürfen. Dann wird es eine andere Abteilung machen und wir, wir werden stattdessen kürzen müssen. Aber ihr kennt mich.« Sie lächelte, zeigte dabei ihre Zähne. »Ich hasse Kürzungen. Ich möchte expandieren, aber ihr, mit eurer scheiß dreckigen Einstellung, tretet meine Arbeit mit Füßen. Wer von euch weiß, wie unser System hier funktioniert?« Die Cleaner warfen sich warnende Blicke zu, dass es unbedingt nötig sei, nicht in diese Falle zu tappen.

»Ihr glaubt, dass ihr wüsstet, wie die Organisation funktioniert, dabei kennt ihr nur den kleinsten Teil davon. Ihr kennt diese Abteilung und ihr wisst, was ich für diese Abteilung will. Die besten Cleaner, damit wir die besten Investoren bekommen und das führt uns zu den lukrativen Jobs. Aber darüber hinaus, glaubt mir, wisst ihr gar nichts.« Die Abteilungsleiterin legte Schläger hin und ging zurück zum Fenster. »Ich weiß doch«, auf einmal war ihr Ton ein anderer, sprach sie doch sanft und fast mütterlich zu ihnen. »Ich weiß, dass Mexiko nicht das war, was ihr sonst kanntet und daher … vielleicht schwer zu verarbeiten ist. Aber ich finde, dass unsere schwierigsten Augenblicke, dazu da sind, uns zu stärken, und ja Mexiko war nun Mal so eine Krise … aber lasst uns doch endlich diese Krise hinter uns lassen, ist das denn …« Sie stoppte für einen Augenblick, dann drehte sie sich um. »Ich weiß, dass ihr das könnt. Ich weiß es, nur darf es nicht dazu kommen, dass es hier oben zu einer weiteren Leiche kommt. Die Organisation hat überall ihre Leute und nicht Mal ich kann euch sagen, wer es sein könnte, deshalb müssen wir unsere persönlichen Probleme erst einmal hintenanstellen.« Sie sah auf die Uhr. »Noch vier Stunden bis zum Dinner. Wir sind nicht nur für die Sicherheit zuständig, sondern repräsentieren auch die Organisation. Ihr wisst: Wir arbeiten immer für die Organisation, auch wenn wir gerade nicht arbeiten, denn wir sind die Organisation und die Organisation sind wir.« Den Leitspruch sagte sie überaus enthusiastisch aus. Die vier Cleaner standen lustlos auf, um das Büro zu verlassen, aber bevor Mrs. White, die als erstes an der Tür stand, die Tür öffnete, fragte die Abteilungsleiterin: »Und es weiß wirklich keiner von euch, wo Mr. Olive ist?«



7.​



»Erhebt euch meine Brüder«, brüllte Truppenführer Heinrich Hannibal in die Dämmerung hinein. »Hat endlich jeder von euch ein Glas?«

»Nein, nein«, sagte Unteroffizier Jason Bloch und drückte, Sven Hannibal ein Glas in die Hand, welcher sich weiterhin weigerte, das Glas entgegenzunehmen. Truppenführer Heinrich Hannibal erhob seine mächtige Stimme: »Sven!« Der jüngste der Hannibal Geschwister schreckte zusammen. »Du musst mit den Männern, mit denen du in die Schlacht ziehst, ein Glas teilen, sonst stirbst du elendig und allein.« Sven zögerte, aber nahm dann doch das Glas entgegen.

»Immer schön auf das Brüderchen hören«, sagte Jason Bloch mit einem listigen Lächeln auf den Lippen.



Die Zehn Männer der Brigadetruppe Rostock hoben ihre Gläser in die Luft und es folgte eine kleine Rede ihres Truppenführers.

»Uns erwarten von jetzt an vier Tage in der Hölle«, fingt Heinrich Hannibal an, als sein Blick über die Köpfe seiner Männer weilte. »Mit jedem Tag, der vergeht, steigen wir tiefer und tiefer in diese bodenlose Hölle, bis uns … Was erwartet uns am Ende? Das Bernsteinzimmer, meine Brüder. Ein Schatz, für den Morden, sogar noch als Wohltat gesehen werden muss und ich schwöre es euch hier, bei meinem Namen, Heinrich Hannibal, geboren Himmler, das dritte Reich wird mit dem Blut, dass wir vergießen werden errichtet werden. Die Zeit der Reinheit, des Schönen und der Ewigkeit werden wir mit einem Sieg hier besiegeln. Fort mit der Demokratie und ihren verfluchten Ideen. Das Gesindel der Welt wird ausgelöscht und wir erfüllen des Führers innersten Wunsch.« Der Truppenführer verstummte, was blieb, war das Knistern, dass durch das Lagerfeuer, um das die zehn Männer der Brigadetruppe Rostock standen. Schwarzer Rauch stieg in die Luft, als das Knistern des Holzes sich mit den natürlichen Geräuschen des Urwaldes vermischte. Das Klirren der Gläser ertönte, als sie anstießen und auf ihren kommenden Sieg tranken. Gestöhne und Gelächter, nachdem die Gläser geleert wurden. Sven Hannibal hatte zwar einmal an den Wein genippt, den Rest aber bei passender Gelegenheit weggekippt. Sie setzten sich wieder hin, bis auf Jason Bloch, der stehen blieb und den Hitlergruß machte. Sein Blick war fest, welchen er auf niemand bestimmtes gerichtet hatte, sondern in weite Ferne führte.

Jason Bloch holte tief Luft, ehe er mit fester und entschlossener Stimme sprach: »Ich möchte, da wir jetzt, so kurz vor dem wahren Beginn der Spiele zusammen sind, nochmal an den Kampfgeist appellieren.« Heinrich Hannibal schien von dem Auftritt Jasons angetan, pfiff er und klatsche in die Hände. »Der Tod eines Einzelnen ist bedeutungslos, solange die Idee überlebt«, fing Jason Bloch an. »Ich werde es nicht dulden und als persönlichen Affront nehmen, wenn es hier einen gibt«, da zeigte er mit dem Finger auf jeden einzelnen Truppenmitglied, »der nicht bereit ist für das Reich zu sterben.« Seine Worte wurden mit stillem Ernst aufgenommen. Jason Bloch nahm den Wein und goss jeden ein, wobei auch diesmal Sven Hannibal sein Glas nur zögerlich dabot.

»I-i-ich würde lieber nicht …«, sagte der eingeschüchterte junge Mann.

»Trink!«, brüllte Jason Bloch ihn an und eine Spur Speichel benetzte Svens Gesicht. Jason Bloch beugte sich zu ihm herunter und bohrte sich mit seinem Blick ein Weg ins Innere des Jungen, sagte aber nichts mehr. Sven Hannibal trank verängstigt einen Schluck.

Als auch dem letzten Wein eingeschüttet wurde, hoben sie wieder die Gläser und tranken, bis auf Jason Bloch. Er blieb stehen, als sein Blick über die Köpfe der neun anderen ruhte. Es schien, als wartete er auf etwas und in der Tat, dauerte es nicht lange, bis Werner Best aufstand und Blut ausspuckte. Die anderen sprangen zur Seite und Rudolf Heß rief, »was zu Hölle ist mit dir?«, als auch er einen klumpen Blut ausspuckte. Einer nach dem anderen spuckte Blut und lief dunkelrot an. Es war ein elendes dahin krepieren. Unteroffizier Jason Bloch sah dabei zu und wirkte äußerst gelangweilt, spielte er doch an seinen Fingernägeln. Nachdem auch das letzte Krächzen aufgehört hatte, ging er zu Heinrich Hannibals Leiche hin und riss ihm die goldene Hakenkreuzkette vom Hals. Das Objekt verursachte ein Funkeln in seinen Augen, dass auf eine Gewisse Besessenheit vermuten ließ. »Ich habe zu lange einem Idioten wie dir gedient«, sagte er, auf die Leiche Heinrich Hannibals tretend. »Es kann nur einen Führer geben, du scheiß Schwedenschwein.« So verschwand er in den Wald hinein, als sich auch die Sonne schon fast verabschiedet hatte. Nachdem Jason Bloch aber schon lange weg war, öffnete Sven Hannibal, sich offenbar in Sicherheit wähnend, die Augen.



8.


Yoko Hino saß mit verwischtem Make-Up auf ihrem Bett. Ihre Koffer, die sie vor nur wenigen Stunden ausgepackt hatte, standen, bereit zur Abreise, vor ihr. Eine tiefe Niedergeschlagenheit drückte ihr Gesicht und ihre sonst reine, schneeweiße Haut, wirkte grau und fahl.

»Liebe Bieter und Bieterinnen«, ertönte die Stimme der Abteilungsleiterin in der Durchsageanlage. »Das traditionelle 9 Uhr Dinner wird soeben an ihre Tische gebracht. Wir bitten sie also darum, sich in der kommenden Stunde an ihre zugewiesenen Plätze zu begeben. Mit dem Dinner findet auch die Wahl des schwarzen Scharfs statt, mit dem die Spiele erst so richtig beginnen. Ich hoffe, sie können es genauso wenig abwarten wie wir. Danke.« Die Personalleiterin klang enthusiastisch.

Yoko Hino zog Beine und Arme zusammen und brachte sich in die Fötus Stellung. Ihr Handy vibrierte einmal kurz, doch blieb sie weiter liegen. Dann ein weiteres Mal, dann ein drittes Mal, doch sie faltete ihre Hände zusammen und schloss die Augen; beim vierten Mal vibrieren aber stand sie auf und hob ab. Es war ihr Vater.

»Yoko-chan«, fing ihr Vater, mit Zucker-süßer und Watte-weicher Stimme an. »Wie schlägst du dich, da, unter den Wilden?« Yoko Hino lachte, als ihr eine Träne vom Gesicht fiel.

»Ich gebe mein Bestes, Vater«, ihre Stimme war brüchig.

»Gut. Gut. Aber dein bestes ist nicht immer gut genug, meine Blüte. Du weißt, nur du, bist unsere Hoffnung. Ich sitzte hier mit deinen Brüdern und wir feuern dich alle im Geiste an, Yoko-chan.« Ihr Vater war betrunken und Yoko Hino, die ihre Familie gut kannte, musste sich gedacht haben, dass ihre Brüder ebenfalls reichlich getrunken hatten.

»Wie … wie geht es Mama?«, fragte sie. Es wurde mit einem Mal still. Ihr Vater sagte nichts und ihre Brüder im Hintergrund verstummten ebenfalls. Yoko Hino´s Augen wanderten im Raum herum, ohne irgendwo halt zu machen; ihr Blick verzweifelt und von Trauer getränkt.

»Sie macht Fortschritte«, sagte ihr Vater im ernsten Ton. »Du solltest dir nicht über das, was hier geschieht Gedanken machen. Bleib du bei deiner Aufgabe, Yoko. Wir kümmern uns, um Mutter.« Beim letzten Satz öffnete sie den Mund, sagte aber kein Wort, biss sich stadtessen auf die Lippen. »Wir zählen auf dich, Yoko. Du wirst uns alle retten und mach dir nicht zu viel Druck, wenn du es nicht schaffst, finden wir einen anderen Weg«, sagte ihr Vater, obwohl er ihr eingeredet hatte, dass ihr Versagen, den Ruin der Familie bedeuten würde.



Yoko Hino saß mit den anderen Bietern im Schauraum des Luftschiffes. Auf einen Zettel hatte sie endlich den Namen Salvatore di Cano geschrieben, nachdem sie jeden anderen Teilnehmer aufgeschrieben hatte, nur um ihn gleich wieder durchzustreichen. Leicht bekleidete Damen liefen herum, sammelten die Stimmzettel ein und brachten sie zu der Abteilungsleiterin, welche auf einem Podium stand und vor ihr eine große Schale war, mit 30 Kugeln drin. Jede Kugel stand für einen noch lebenden Teilnehmer der Spiele.



»So«, fing die Abteilungsleiterin an und zeigte dabei ihre strahlend weißen Zähne. »Für die, die das erste Mal hier sind, will ich sie alle herzlichst von der Organisation willkommen heißen und ihnen vergnügliche Tage hier oben, auf unserem wunderschönen Lustschiff wünschen«, sie stoppte, breitete die Hände aus und präsentiere allen damit noch einmal das angesprochene Luftschiff. »Für die kommenden vier Tage, werden wir jeden Abend, zur selben Zeit«, fuhr sie fort und hob den Finger, »genau hier ein Dinner haben, bei dem wir anschließend den Teilnehmer unten kleine Hindernisse in den Weg legen.« Gelächter. » In einer Stadt, umgeben von seinem Gleichen, mag der Mensch sicher sein. Aber im Urwald hineingeworfen, findet er sich als Teil einer Kette wieder, in der er keine Feste Position einnimmt; je nach Ausrüstung und Erfahrung findet er sich ganz oben oder auch ganz unten wieder. Die Spiele dieses Jahr, deuten an besonders Unterhaltsam zu werden und um noch mehr Spannung aufzubauen, haben wir für unsere Kandidaten ein besonderes Hindernis eingebaut: Ein Stamm Kannibalen. Wilde denen es zu Ausweichen gilt. Meine lieben Gäste, eines kann versichert sein, selbst unsere besten Cleaner hätten Schwierigkeiten mit denen, besonders weil wir uns in ihrem Hoheitsgebiet befinden.« Beifall.

Yoko Hino [ho2] sah sich um, ihr Blick blieb unwillkürlich bei einem älteren Japaner stehen; seine Tattoos und die abgeschnittenen Finger verrieten, dass er ein Yakuza war.

»Das erste Spiel ist traditionell«, fuhr die Abteilungsleiterin fort, »das schwarze Schaf. Jeder Bieter hat den Namen eines Teilnehmers aufgeschrieben, der als schwarzes Schaf gewählt werden kann.« Sie zeigte auf die Stimmzettel. »Ich werde hieraus einen Namen ziehen.« Sie zeigte auf die große Schale. »Erstmal, was bedeutet das für die Spieler dort unten? Wer als schwarzes Schaf gewählt wird, zieht daraus keinen Vorteil, sondern bloß einen Nachteil. Denn ganz gleich, wer den Außerwählten erledigt, bekommt einen garantierten Betrag von 5.000.000 USD gutgeschrieben, auf ein Untergrundkonto seiner Wahl. Für sie, liebe Bieter, bedeutet die richtige Wahl, ebenfalls eine Gutschrift von 5.000.000 USD und die Garantie, dass ganz gleich welchen Gewinn sie hier mitnehmen werden, einen 50% Zuschlag erhalten werden.« Die Abteilungsleiterin nickte mit dem letzten Wort, als wäre der Beifall für ihre Worte garantiert, welcher auch nicht ausblieb. Dann führte sie ihre Hand in die Schale und es wurde augenblicklich ruhig. Ein Trommelwirbel ertönte im Hintergrund, die Lichter wurden gedimmt; die Augen waren auf die Kugeln gerichtet. Die Abteilungsleiterin zog eine Kugeln heraus und schraubte die Kugel auf. Sie zog den Zettel aus der offenen Kugel und faltete ihn auf. Sie zeigte ihre Zähne und drehte dann den Zettel um. Darauf stand in großen Blockbuchstaben: Salvatore di Cano.



9.​

Tony Burattinaio und seine Capos saßen im Schauraum, der sich mittlerweile geleert hatte. Tony hatte seinen Untergebenen soeben von dem Mord an Luca berichtet. Den Tisch umgaben dumpfes Schweigen, dass besonders Little Tony fest im Griff hatte. Die Bildschirme waren zwar angeschaltet, doch bis auf einen Kampf, war es ruhig auf der Insel. Das Ehepaar Dos Santos stand einem Jaguar gegenüber und Tony sah gespannt auf den Verlauf des Kampfes.



»Was meinst du damit, es gab keine Botschaft?«, fragte Carmine, der wegen seiner vollen Lippen, Big Puss genannt wurde.

»Was willst du von mir hören, es gab keine verdammte Botschaft. Wie oft soll ich mich wiederholen?«, sagt Tony.

»Hm«, machte Big Puss und zog die Mundwinkel nach unten.

»Was soll das nur bedeuten?«, fragte Guiseppe und lehnte sich nach vorne. »Keine Botschaft. Es gibt ungeschriebene Gesetze. Wenn du jemanden umlegst, hinterlässt du eine Botschaft.« Er machte ein angeekeltes Gesicht.

»Bei all den jungen Kerlen heutzutage«, übernahm Carlo das Wort, »wem wundert es dann noch. Macht doch sowieso jeder, was er will.« Und Guiseppe nickte, als würde ihn sein Kollege aus der Seele sprechen.

»Wir sollten uns rächen«, meinte Little Tony entschlossen. Er verschränkte die Arme und warf jedem einen bedrohlichen Blick zu. Little Tony wurde gekonnt ignoriert, wodurch sein Blick nur finsterer wurde.

»Aber Boss«, fing Carlo wieder an. »Vielleicht ist die offene Hose die Botschaft? Ich meine so eine offene Hose kann echt vieles Bedeuten.«

»Achja?«, fing Tony Burattinaio offensichtlich belustigt an. »Was denn zum Beispiel?«

»Das ist doch nicht das Entscheidende!«, warf Little Tony ein und lief rot an. Carlo sah ihn fragend an. Tony aber ignorierte weiterhin ihn und verfolgte den Kampf. Aurelia Dos Santos stand mit dem Rücken gegen einen Baum und der Jaguar nur paar Meter vor ihr; sie schwang mit dem Arm von rechts nach links. Dario Dos Santos stand mit einer Machete in der Hand hinter der Raubkatze.

Nach einer Weile dann, fragte Tony: »Du willst Rache und weißt nicht einmal, wer für den Tod deines Bruders verantwortlich ist. Was ist dein Plan, Kleiner?« Obwohl in seinem Spitznamen das Wort Kleiner ebenfalls enthalten war, schien er nur dann aus der Haut zu fahren, wenn das Kleiner, als direkte Bezeichnung seiner Größe oder seines Alters zu Sprache kam und nicht, weil er Tony Burattinaio Neffe war.

Little Tony schlug also mit der Faust auf den Tisch und sagte: »Es kommen ja nicht viele in Frage. Der Mörder muss hier oben sein. Dann mache ich halt jeden kalt. Hauptsache Rache, alter.«

Luciano tippte den Boss an und zeigte er auf den Yakuza, dem zwei Finger fehlten und gerade den Schauraum verließ. »Erinnerst du dich an ihn?«

»An dem werde ich mich noch, im Grab erinnern«, meinte Tony. »Denkst du ein Mensch kann echt so nachtragend sein?« Luciano sagte nichts, zuckte bloß mit den Achseln. Little Tony sah den Yakuza mit starrem Blick hinterher.

»Was hat es mit euch beiden auf sich?«, fragte Little Tony.

»Der Boss hat …«, fing Luciano an, wobei Tony ihn gleich unterbrach.

»Alles, was zählt, ist das Geschäft«, sagte Tony Burattinaio bestimmt. »Und weil das Geschäft das Wichtigste ist, werden wir hier die Füße stillhalten«, er sah die am Tisch Anwesenden streng an. »Wir müssen erst einmal Luca und alles andere vergessen, Leute. Wir dürfen nichts tun, was diese Spiele gefährden könnten, ob es jetzt dieses Arschloch war oder nicht. Ich will das mich jeder hier versteht«, Tony Burattinaios Blick, blieb bei seinem Neffen Little Tony stehen. Little Tony aber schien die Drohung seines Onkels kalt zu lassen, fing er doch an zu lächeln.

»Nichts unternehmen? Sind wir jetzt die verdammten Backstreet Boys geworden?« Onkel und Neffe starrten sich an. »Wenn du nichts unternimmst, kann ich dich als Boss nicht ernstnehmen.« Die am Tisch sitzenden Capos, sahen mit nervösen Blicken Tony an, der aber zu deren Überraschung, etwas, dass sich in ihren Gesichtern erkennbar machte, anfing zu lachen; doch klag dieses Lachen dunkel und verstimmt, wie bei einem gebrochenen Instrument.

»Du stellst mich in Frage, du kleiner Scheißer?«, zischte Tony aus. »Du kannst ihn gerne nach den Spielen kalt machen. Scheiße, ich werde es persönlich machen, wenn es sein muss, aber solange wir auf diesem Luftschiff sind … verdammt nochmal, solange ich atme, wirst du nichts …« Da erhaschte Tony ein Blick des Bildschirms und warf die Hände genervt in die Luft. »Jetzt habe ich wegen dir den Kampf verpasst. Vaffanculo!«, und Tony stand auf und nahm sein Sakko, während das Dos Santos Paar ihren Sieg feierte und der Jaguar mit abgetrenntem Kopf dalag.



10.[ho3] [ho4]

Ein Mann ging in die Kirche. Er trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug, mit dem er sich von den üblichen Besuchern abhob. Er setzte sich in den Beichtstuhl, wo ein Priester offenbar schon auf ihn wartete. Dürres Schweigen lag zwischen ihnen, bis der Mann im Anzug und den olivgrünen Augen sprach: »Ich weiß nicht, wie lange meine letzte Beichte her ist, Vater; ich glaube … dass müsste das erste Mal sein, dass ich mich meiner Sünden bekenne.«

»Es ist niemals zu spät«, fing der Priester an. Er räusperte. »Gott ist barmherzig und solange Sie aufrichtig Reue zeigen, werden Ihnen alle ihre Sünden vergeben.«

Der Mann im schwarzen Anzug senkte den Blick und faltete die Hände zusammen; er wirkte, als sei er zu allem bereit, auch wenn eine gewisse Nervosität an ihm nicht zu verkennen war. »Es gibt Dinge, Vater, die wirken auf uns nur groß, weil sie gleich vor uns sind … wenn wir aber einmal einen Schritt zurückgehen, einen großen Schritt, da erkennen wir, wie klein der Riese doch in Wirklichkeit ist. Verstehen Sie mich, Vater?«

Der Priester aber stand dem Enigma mit fragendem Blick entgegen, presste die Brauen zusammen und schielte zum Mann im schwarzen Anzug rüber. Er räusperte ein weiteres Mal.

»Nein, bitte sagen Sie nichts«, sprach ihn der Sühnende dazwischen. »Hören Sie mir erst bitte bis zum Ende zu. Auf meine Seele lastet etwas Schweres; keine Sünde oder so, nein, ich bin mit mir im reinen, dass schwöre ich. Ich weiß, was ich vom Leben will, denn es läuft alles nach Plan. Aber muss ich doch mit jemanden reden, denn mich belastet etwas anderes … es ist vielmehr eine Erkenntnis. Aber so lassen Sie mich bitte gleich zum wesentlichen kommen. Ich habe dank meiner Arbeit als Cleaner über 200 Menschen auf den Gewissen.« Der Priester riss die Augen weit auf und starrte durch das Gitter den Mann mit stechendem Blick an. »Nun, was sagte ich da? Ich habe sie nicht auf den Gewissen, weil ich nicht bereue, was ich getan habe. Aber sitzen Sie doch ruhig, Vater, ist es doch das, was ich mit dem zu-nah-dran-sein meinte. Sehen Sie, diese über 200, sie zu tilgen ist doch nichts, sieht man ein, dass es doch Milliarden Menschen gib; man könnte sagen, es ist wie ein Glas voll Meerwasser zu stehlen: Es fällt im Grunde niemanden auf.



Aber warten Sie, so warten Sie. Glauben Sie mir, die Tatsache, dass ich über 200 Menschen getilgt habe, tue ich keineswegs als Banalität ab, schließlich geht es hier um Menschenleben. Jedoch muss hier ein großes ›aber‹ hin, denn es waren keine Unschuldigen. Überhaupt stellt sich mir die Frage, ob die Unschuld nicht nur in Romanen existiert, das heißt, ob sie in Wirklichkeit nicht ein rein fiktiver Begriff ist. Doch sollte dem nicht so sein, sollte es tatsächlich so etwas wie einen unschuldigen Menschen geben, dann ist dieser Gewiss gerade in irgendeiner Wüste, vielleicht in Mexiko oder sonst wo, und verzichtet auf alles Weltliche.



Vater, wer oft tötet, rettet vielen das Leben, diese Erkenntnis hat mich die Arbeit als Cleaner gelehrt. Eine schlechte Tat macht einen nicht unweigerlich zu einem schlechten Menschen. Aber seit einer geraumen Zeit, da befällt mich ein merkwürdiges Gefühl, wann immer ich an die Arbeit denke. Mein sonst so solides Glaubenssystem scheint zu bröckeln und ich frage mich, ob das Leben, dass ich lebte, bei dem ich mich immer auf der richtigen Seite wähnte, wirklich das Richtige gewesen ist. Nach 15 Jahren der Arbeit, habe ich begonnen mein tiefstes und innerstes Ich zu hinterfragen und wissen Sie, dass letzte Mal als das geschah, war vor zwei Jahren und das endete damit, dass ich Papst wurde … dort, unter der stechenden Sonne Mexikos, aber«, der Mann im schwarzen Anzug legte die Hand vorsichtig auf die Brust, »aber das ist eine andere Geschichte, die ich Ihnen auch erzählen kann, wenn Sie wollen.



So sehen Sie, Vater, ich will Ihnen die Welt einmal richtig präsentieren. Sind Sie einmal Teil dieser Wahrheit, so werden auch Sie das große Ganze mit besonnener Klarheit erkennen. Sie legen alles Philosophische und Religiöse zur Seite und sehen ein, dass die Welt sich schlicht in Schwarz und Weiß aufteilen lässt. Gut und Böse. Richtig und falsch. Durch diese Arbeit erlangte ich eine Form von Klarheit, in dieser Angelegenheit, die nirgendwo anders sonst zu finden ist. Aber warum so abstrakt, lassen sich mich Ihnen einfach von meinem ersten Auftrag erzählen.



Ich glaube, ich war damals 27 oder vielleicht 28 – wie auch immer – über drei Monate habe ich damit verbracht, meine Zielpersonen ausfindig zu machen. Es waren vier, nein … fünf, denn einer von diesen Hunden ist mir entwicht und dass quält mich bis heute noch etwas. Diese fünf führten einen Pädophilenring an. Vater, eine Frage: Wissen Sie welche Menschen über das Gesetz stehen? Antwort: Es sind die, die sich bestens mit dem Gesetz auskennen und dann noch dafür arbeiten. Zwei Richter, zwei Polizisten und ein Anwalt. Diese fünf teilten sich, wie auch mit vielen anderen Männern, eine gewisse Vorliebe für minderjährige Asiaten. Bitte, malen Sie es sich nicht aus. Ein verstörendes Bild. Trotzdem lassen Sie uns hier eines klarstellen: In so einem Fall, kann keiner zur Polizei gehen. Solche Menschen kommen mit ihrem Verbrechen durch, das kann ich nicht anders verdeutlichen. Diese Männer waren schlichtweg auf jeden normalen Fall vorbereitet, gerade deshalb kamen diese perversen schon seit fünf Jahren damit durch. Keine Behörde der Welt wäre so schnell an sie herangekommen. Diese Männer hatten zu allem Zugang und hätten Ermittlungen gegen sich zunichtegemacht, bevor diese überhaupt begonnen hätten. Geldreserven, falsche Pässe, Stimmenverzehrer, es wäre unmöglich gewesen, diese Männer Dingfest zu machen.

Also was tun, wenn Sie von so einer Sache erfahren, Vater? Das ›Richtige‹ nehme ich an. Aber worin besteht es in diesem Fall? Die Polizei rufen? Vielleicht. Zu einer Zeitung laufen? Naja. Beten, dass einer ein Fehler macht? Seien wir mal realistisch und ehrlich. Das sogenannte Richtige oder Gerechtigkeit, ja nehmen wir auch Demokratie, Freiheit, Gleichheit, all das sind Hülsenwörter, an die sich keiner heranwagt, um sie Mal zu öffnen. Aber würde es einer doch machen, wie ich es getan habe, würde er nichts als heiße Luft darin wiederfinden. Ja, entschuldigen Sie den Ausdruck, aber diese Worte sind Huren, die bei der passenden Gelegenheit, mal für den einen, dann für den anderen die Beine breit machen. Verstehen Sie, was ich Ihnen damit sagen will? Von Bedeutung ist nicht die Tat an sich, sondern bloß das Ergebnis der Tat.

Nun, um bei der Sache zu bleiben, sollten Sie von so einer Sache erfahren, können Sie gerne die Polizei kontaktieren, Sie können Ihre Gebete aussprechen, aber wollen Sie wirklich etwas bewirken, dann kontaktieren Sie einen Menschen wie mich. Einer wie ich, erkundigt dann sorgfältig die Lage. Einer wie ich, wird die Weizen von der Spreu trennen; einer wie ich, schreitet zu Tat und befreit die Kinder.

Wie es mit den Männern endete, fragen Sie sich? Da müssen wir nicht ins Detail gehen. Das Blut, die Gehirnmasse, die auf dem Boden, an den Wänden und auch auf der Decke zu finden war; die Ohren betörenden Schreie, die Unschuldsbekundungen und der Geruch vollgeschiessener Hosen, all das lasse ich aus, aber ich sage Ihnen, seit meinem Besuch, ist der Ring nur noch ein Mythos, von dem man sich vieles erzählen kann, aber niemals mehr auffindet - denn Schlagen ohne Köpfe leben nicht lange.



Also, jetzt sitzen wir hier, Vater. Ich, offenherzig und aufrichtig, wie ich bin, schüttle Ihnen meine Seele aus und Sie, schweigsam und regungslos, sitzen dort wie eine Statue. So lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen. Eine Frage, die ich sonst nie so stellen konnte. Vater, denken Sie, dass ich jemals, außerhalb von der Organisation, für mein Tun ein Danke zu hören bekommen habe? Oder irgendetwas, dass mir zeigt, dass das, was ich getan habe, anerkannt wird? Nein, nichts als fragwürdige Blicke ernte ich, sobald einer hört, wie viele Menschen meinetwegen Tod sind. Aber denkt man doch etwas darüber nach, nur ein kleines bisschen, so müsste man doch erkennen, dass jede Medaille zwei Seiten hat. Wer tötet, der rettet! Und jeder der mich sieht, müsste auf Knien zu mir gehen und sich bei mir bedanken. Dafür, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Leben oder das eines Bekannten gerettet habe. Und … und … nicht, dass ich mir jemals darüber Gedanken gemacht habe, nein, habe ich nicht … aber ich habe mindestens 100.000 Menschen das Leben gerettet, was bedeuten dann schon 299 Tote?«

 
Hallo, als relativ neues/inaktives Mitglied habe in den letzten Wochen die Zeit gefunden, mich hinzusetzten und einen vollständigen Roman zu schreiben; das hier ist das erste Kapitel.
Ich würde mich über konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge aller Art äußerst freuen.
Ich wünsche dir viel Spaß mit dem Text und bei Interesse lasse ich dir den ganzen Roman zu kommen.

Danke.
 

ahorn

Mitglied
Moin Christopher Wallace,

ich freue mich, einmal wieder etwas von dir zu lesen.
Das 1. Kapitel lädt mich ein, weiterzulesen, vorab gibt es jedoch das eine oder andere, was mich stört. Irgendwie werde ich nicht so recht schlau, wer der Protagonist ist. Vielleicht liegt es daran, dass du andauernd die Perspektive wechselst.

Salvatore rannte. (Okay, damit kennen wir den Akteur.)
»Hilfe!«, seitdem Salvatore er wieder bei Bewusstsein war, rief er danach (Wonach?) und lief scheinbar orientierungslos herum (Wie? Warum scheinbar? Er rannte und gut.).
»Schau ihn dir an, Bruder. Er winselt (Ich dachte, er schrie?) um sein Leben«, sagte Clark Damit kennen wir den Akteur.) KOMMA der mit dem Zielrohr (Außerdem heißt das Ding ‚Zielfernrohr‘) Salvatores Kopf im Visier hatte.
(Ein bissl Physik: winseln, schreien, Zielfernrohr. Wie weit steht, sitzt, liegt Clark von Salvatore entfernt? Er benötigt das Zielfernrohr: 50 m, 100 m oder weiter. Was kann er hören?)
»Hier, an einem Ort wie diesen.« Ein hämisches Lachen befiel Clark ihm (Befiel? Also normalerweise kommt es aus einem Menschen heraus. Vielleicht kann es im übertragenden Sinn ‚überfallen‘), wie eine Heuschreckenplage ein Maisfeld oder eine Krankheit einen Menschen.
»Futter für die Raubtiere, mehr ist so einer nicht«, sagte Ken kühl (Monoton, fast mechanisch wie ein Roboter.). Da er mit Gewissheit seinen Bruder kannte, hielt er die Hand vor der Mündung des Gewehrs. Die Brüder Clark und Ken sahen sich an. Er musterte seinen Bruder. (Dann kannst du dir das ‚fing Ken an‘ ersparen) »Schieß, aber töte ihn nicht «, fing Ken an. » Die Wahl könnte heute Abend auf ihn fallen. Somit hätten wir uns schon einmal 5 Millionen gesichert.«
Es fiel ein Schuss. Die Kugel durchbohrte Salvatores Oberschenkel (Und Kens Hand. ;) ) ; schreiend fiel ( ‚schreiend fiel‘? Wo ist der Zusammenhang? Du meinst sicher: dabei schreiend, fiel)der kahlköpfige Italiener zu Boden und fasste nach der Wunde. Der kahlköpfige Italiener schrie auf, fasste nach der Wunde und fiel zu Boden.
kurze Auszeit!
Der Anfang gefällt mir: kurzweilig und spannend. Jedoch fehlen wichtige Informationen: Ort und Zeit.
Ich gehe zum Beginn zurück: Salvatore rennt: nach deiner Angabe ziellos. Ist das sinnig? Nein. Ort, Zeit! Wann und wo rennt er? Vielleicht: morgens, Stadtpark.
An welchen Ort befinden sich die Brüder? Möglicherweise vier Steinwürfe in einem Busch.
die Brüder Clark und Ken kauerten vier Steinwürfe von ihm entfernt in einem Busch. Clark hatte ein Gewehr angelegt und beobachtete ihn durch das Zielfernrohr.
Weiter!
»Und was sollen wir so lange, bis zur Auslosung heute Abend, mit ihm machen?«, fragte Clark seinen[s Bruder][/s], als sie vor dem am Boden liegenden Salvatore standen. (Wie kamen sie zu ihm?)
»Verdammt. Scheiße. Wart ihr das, die auf mich geschossen haben? Warum verfolgt ihr mich? Weshalb habt ihr auf mich geschossen?„ Er presste beide Hände auf die Wunde. „Was für eine kranke Scheiße geht hier ab?« Salvatore verzerrte, vom Schmerz geplagt, das sah mich schmerzverzehrtem Gesicht und sah zu den ihn unbekannten Männern hoch hinauf. Ken ignorierte , die dessen Worte des Verwundeten ignorierend, kniete sich hin und sah nach der begutachtete die klaffende Wunde am Oberschenkel.
»Ein sauberer Schuss, Clark. jetzt wir sollten wir aber die Blutung erst einmal stoppen, nicht dass er noch den Löffel abgibt.«
Salvatore rollte von den beiden Männern weg ab , bis er gegen einen Baum stieß. »W-w-w-wartet mal. Was hat das hier alles zu bedeuteten?« Er atmete schwer. Schweiß tropfe von seinem Kinn herunter und allmählich bohrte er sich mit den Fingern einen Weg durch die Baumrinde. , während sich seine Fingernägel förmlich in die Rinde des Baums bohrten. Ken und Clark sahen auf ihn herab.
Vieles lässt sich aus Gesichtern herauslesen: Salvatores Sein Leben würden sie nicht verschonen.
Salvatore kniete belastete das verschonte Bein, versuchte zu knien. sich hin, ohne dabei das verletzte Bein zu belasten; mehr Blut strömte rann aus seinem rechten Oberschenkel, tränkte seine Hose. . KEIN ZEILENUMBRUCH
»Ich appelliere an eure Menschlichkeit … Ich bitte euch, es gibt keinen Grund für all das.« ZEILENUMBRUCH
Clark stemmte seine Hände in die Hüfte.
»I-i-ich … Ich, wartet«, fuhr Salvatore panisch fort. »Tötet mich und ihr werdet nie erfahren, wie ihr dieses Spiel hier gewinnen könnt.« (Ich dachte, er weiß von nichts?) Als hätte er endlich den richtigen Schlüssel für das verriegelte Schloss gefunden, öffneten die Brüder ihre Münder. (Salvator scheint der Protagonist zu sein. Er denkt. ;) ))
»Bruder, hörst du KOMMA was der Tote sagt?«
»Ich habs gehört, Clark.«
»Kadaver sagt: Er wüsste, wie wir sicher das Spiel gewinnen können. Denkst du KOMMA Kadaver sagt die Wahrheit?«
»Hmm, mit dem Rücken zur Wand sagen Menschen vieles KEIN KOMMA « KOMMA meinte Ken (Jetzt denkt Ken. Ist er der Protagonist?) und ließ sich Zeit, bis er weitersprach. »Mein Gefühl sagt mir, dass dieser Mann alles tut, bloß um seine Haut zu retten, Clark. Ein Mann ohne Ehre. Wir tun der Welt einen Gefallen, wenn wir ihn jetzt schon …«
Gewiss vom Adrenalin berauscht, vergaß Salvatore seinen Schmerz und sprang auf, KEIN KOMMA. PUNKT doch Ehe er zu Wort kommen konnte kam , hatte packte Clark ihn schon an den Kragen gepackt, gegen den und stieß ihn an den Baum gestoßen PUNKT ZEILENUMBRUCH
und Während Ken die Neun-Millimeter aus dem Hafter zog, drückte ihm jetzt sein Clark ein Messer gegen die Kehle. Ken zog die 9mm aus dem Hafter. KOMMA KEIN ZEILENUMBRUCH »Wer hat dir erlaubt KOMMA sich zu bewegen?« , fragte Clark.
»I-i-ich weiß, dass wir Teams bilden dürfen«, fing Salvatore die Hände in der Luft an. »Wenn wir gemeinsam Arbeiten, dann …«
»Mach ihn kalt, Bruder«, zischte Ken aggressiv dazwischen. Salvatore kreischte und urinierte in die Hose.
»Du Scheißkerl«, schrie Clark und holte aus, um Salvatore das Messer in den Hals zu rammen, da zischte es zweimal und Salvatore hatte Clarks Blut im Gesicht; er blieb in Schockstarre stehen, als Clark zu Boden fiel.
»Bruder«, rief Ken aus schrie Ken, als ein 12cm zwölf Zentimeter langes Tauchermesser, in seinem Arm schnitt stach. Die Pistole fiel ihm aus der Hand hinab. Panisch drehte er sich Ken im Kreis. »Wer bist du?« Ken er griff mit seiner linken Hand, nach der kleinkalibrigen Pistole, die im Hosenbund steckte PUNKT ; er zitterte, als sofort schoss er wild um sich schoss, bis ihm die Munition ausging. Ken er sah nach seinem Bruder , der reglos auf dem Boden lag . »Clark«, schluchzte er aus und richtete dann seine Waffe gegen Salvatore, der immer noch weiterhin , die Hände eroben, mit nasser Hose dastand. »War das einer von …«, waren Ken´s letzte Worte, ehe eine Kugel sich einen Weg durch seinen Schädel bahnte.
Nasir, ein Mann dunkler Hautfarbe, in schwarzer Kleidung eingehüllt und bis an die Zähne bewaffnet, erschien. Mit seiner 9mm Neun-Millimeter auf Salvatore gerichtet KOMMA sagte er: »Du hast 60 Sekunden, bis ich dich erledigte. Erzähle mir, was du weißt und vielleicht lasse ich dich am Leben.«

Gruß
Ahorn
 
Hallo Ahorn,
ich denke wenn man ganz genau hinsieht, wechsle ich nicht die Perspektive, d.h. im klassischen Sinne, sondern zeige Dinge aus verschiedenen Perspektiven. Die Psychische Distanz aber bleibt gleich (von keinen der Figuren kennst du definitiv die Gedanken und wenn ja, dann ist mir ein Fehler unterlaufen). Es ist viel mehr wie eine Kamera, die ihre Perspektiven wechselt, aber ganz gleich was sie zeigt, wir sehen nur das, was auch alle anderen Figuren in der Szene sehen.
Die Idee dahinter ist im Titel der Geschichte und deiner Frage nach dem Protagonisten verbunden: Es geht um eine Handvoll Helden. Denn wer letztlich der Protagonist ist bleibt (und ich finde hier einfach keine passendere Beschreibung) verborgen. Nicht das daraus ein großes Geheimnis gemacht wird, sondern viel mehr, als würde man sich fragen, wer unter den vielen agierenden würdig ist, den Titel des Protagonisten zu tragen.

Die Geschichte weiterzulesen würde die ein genauen Einblick verschaffen was genau damit gemeint wird, wesentlich besser, als wenn ich das hier in seiner Abstraktheit beschreibe.

PS: würde mich echt intresserien was du über das ganze Kapitel denkst

Danke
 

ahorn

Mitglied
Moin Christopher Wallace,

Du amüsierst mich. Anstatt auf meine Kritikpunkte einzugehen, eine Diskussion anzuzetteln, gehst du einzig auf meine Einleitung ein und versuchst etwas zu rechtfertigen, das nicht zu rechtfertigen ist. Wie du deine Geschichte gestaltest, wer, wie, warum Protagonist ist, ist alleinig in deiner Verantwortung. Glaubst du, ich habe bloß das 1. Kapitel gelesen. ;)
Was mir dagegen wichtiger ist, ist das Handwerkliche. Es gibt kaum Regeln, die ein Autor einhalten sollte. Jedoch eine ist wichtig: Überfordere nicht den Leser. Stimuliere seine Fantasie, gebe ihm allerdings Hilfsmittel an die Hand. Ein Tipp:
Mr. Pink und Mrs. White saßen auf der Terrasse des Luftschiffes der Organisation. Die Insel unter, und das weiter Meer vor ihnen, drehte er Däumchen.
Diese zwei Sätze genügen, um den Rahmen abzustecken. Und wie sieht es im ersten Kapitel aus? Weißer Raum mit einem Baum. ;) Definition, Hauptteil, Fazit.

Gruß
Ahorn
 
Hallo Ahron,

Freut mich doch, dass ich dich amüsiert habe, aber es war nicht meine Absicht. Ich denke du hast meine Antwort etwas antagonistischer aufgenommen, als sie beabsichtigt war und das ich in meiner Antwort nicht auf die Kritikpunkt eingegangen bin, ist keine Argument gegen deine Kritik, sondern nur eine stille Zustimmung.

Auf die Einleitung bin ich lediglich eingegangen weil ich dachte, dass dies der wichtigste Punkt ist. Ich gebe nicht vor ein vollkommener Autor zu sein und meines Verständnis nach handelt es sich bei dieser Seite, um eine Schreibwerkstatt. Ich habe dir den Gedanken hinter meiner Entscheidung erläutert nicht um mich herauszureden, sondern um ihn dir näher zu bringen. Ja, als Autor sollte man auf den Leser eingehen, da stimme ich dir zu, jedoch mag ich auch das experimentelle darin. Es mag sein, dass das nicht ganz gelungen ist wie beabsichtig (deshalb die Erklärung) und wenn es der Fall ist, dann bin ich doch sehr offen für kreativen Input, um es so zu bearbeiten, dass man sich als Leser nicht überfordert fühlt. An mehr habe ich nicht gedacht, als ich meine Antwort verfasst habe. Danke.

Gruß
CW
 



 
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