Eine leidige Angelegenheit

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eine leidige Angelegenheit

Als die Götter den Blauen Planeten schufen und festlegten, daß er eine Atmosphäre haben soll, gaben sie ihm die üblichen Bewohner. Selbige wurden von den Göttern „die Vielgestaltigen“ genannt. Es waren Wesen aus Licht, Luft, Wasser oder Erde. Die Lichtwesen unterteilten sich in Funken, Flammen und diverse Leuchtgebilde. Die Luftwesen unterteilten sich in Winde, Stürme, Orkane und Hurrikans. Die Wasserwesen unterteilten sich in Meere, Seen, Ströme, Flüsse und Bäche. Die Erdwesen unterteilten sich Sand, Steine und Kristalle und von jedem gab es mehrere Unterarten, so waren die Erdwesen die vielfältigsten. Die anderen konnten diese Vielfalt nur in gemeinsamem Zusammenspiel erreichen und waren froh, sich wieder voneinander lösen zu können, wenn sie genug davon hatten. Sie wollten gern auch mit den Erdwesen auf diese Art spielen, aber da war schnell festgestellt, daß sie sich anders verhielten. Sand ließ sich leicht vom Wind tragen, blieb dann aber beleidigt liegen, wenn er fallengelassen wurde und kehrte nicht wie die anderen zum Ursprung zurück. Dabei lag er doch auf der Mutter Erde! Nein, der Sand war eigenwillig. Wenn das Wasser mit Erdwesen spielen wollte, musste es gut Acht geben, wo es sich befindet, denn es gab Stellen, wo die Erde das Wasser einfach festhielt! Da konnte es noch so schimpfen: „Aber hallo, ich wollte doch keinen See bilden!“ Die Erde antwortete bestenfalls: „Jetzt bist du pampig!“ Von den Lichtwesen ließen sich die Erdwesen am wenigsten beeinflussen, da musste es schon sehr heiß hergehen!
So zogen die Jahrtausende über den Blauen Planeten hin und das Zusammenspiel der Elemente ließ organisches Leben entstehen. Mit Erstaunen und Entzücken betrachteten alle die ersten Einzeller und die nachfolgenden Strukturen. Als sie sich zu langweilen begannen beim Beobachten des Pflanzenwachstums, entdeckten sie Geschöpfe, die sich bewegten. An ihnen hatten sie noch mehr Gefallen. Sie führten unendliche Gespräche über die Unterschiede dieser Beweglichen. Sie wussten, daß ihr Zusammenspiel diese Geschöpfe erschaffen hatte und erfanden immer neue Spiele und entwickelten auch sich selbst dabei weiter. Zum Beispiel gebar der Wind das laue Lüftchen, welches allen Pflanzen und Tieren sehr willkommen war.
Hin und wieder waren die Erdwesen allerdings recht ungehalten. Als zum Beispiel nach den unzähligen Würmern und Insekten auch noch Maulwürfe das Erdreich zum Wohnort nahmen und Füchse und Hasen und viele andere ihre Brutstätten unterirdisch anlegten.
Dann aber kam der Mensch. Zu Anfang fühlten die Erdwesen sich noch gekitzelt, wo der Mensch den Pflug ansetzte, doch dann begannen die Sprengungen, weil der Mensch etwas bauen wollte. Eine Eisenbahnlinie durch einen Berg hindurch, eine Grube zur Förderung von Kohle und anderen für ihn begehrenswerte Bodenschätze, einen Keller für ein Hochhaus. Und nicht zu vergessen die völlig sinnlosen Krater der Bombeneinschläge in Kriegszeiten. Die Erdwesen rebellierten und riefen die anderen dazu auf, ihnen bei der Vernichtung des Menschen zu helfen. Aber sie konnten das Leid der Erdwesen nicht nachvollziehen. Einzig das Wasser merkte – sehr spät allerdings – daß der Mensch auch ihm Schaden zufügte. Die Versuche des Menschen, das Wasser für sich zu nutzen, fand es recht amüsant. Wenn es sich in Kanälen zu langweilen begann, ließ es eben etwas Buntes an den Rändern wachsen. In einem Kraftwerk zu dienen war ihm beinahe so lustig wie mit dem Wind zu spielen. Aber diese motorgetriebenen Fahrzeuge – nein, das war zuviel! Und wenn dann auch noch so ein Tanker auseinanderbrach – pfui Teufel, das Blut der Erde war schrecklich unangenehm!
Jedoch wusste keiner, wie man den Menschen vernichten könnte. Ja, hin und wieder einige, manchmal sogar hundert bei einem Hurrikan oder einer Überschwemmung, aber alle? So wandten sie sich hilfesuchend an die Götter. Diese brachen in schallendes Gelächter aus: „Was, ihr wollt die Menschen vernichten? Wisst ihr überhaupt, was ihr da erschaffen habt? Die allerlustigsten Dinger der Welt! Nie zuvor haben wir uns so köstlich amüsiert! Der Mensch hat uns sogar neue Gefährten gegeben, die er nach seinem Bilde schuf. Nein, ihr Lieben, ihr könnt tun, was ihr wollt, die Menschen dürfen nicht vernichtet werden. Ihr könnt froh sein, daß wir euch nicht untersagen, weiterhin mit den Menschen zu spielen, wir spielen ja auch mit ihnen. Genau gesagt sind sie unser allerliebstes Lieblingsspielzeug, also hebt euch von hinnen.“ Damit war die Audienz beendet.
Die Götter aber sprachen von Natur aus äußerst langsam. Es war inzwischen viel Zeit vergangen. Die Menschen bereiteten sich auf einen Heiligen Krieg vor. Die alten Götter blickten gespannt auf ihre jungen Kollegen: was werden sie wohl tun? Werden sie den Menschen helfen? Nein, sie waren stolz darauf, daß ihretwegen so viele bereit sind, zu sterben. Jeder glaubte, der mächtigste sei der, zu dessen Ehren die meisten Menschen sterben oder umgebracht werden. Die alten Götter schüttelten verächtlich lächelnd die Köpfe, der Teufel aber lachte sich scheckig in seiner Hölle.
 

Svalin

Mitglied
Hallo flammarion

du hast hier eine schöne kleine Mythologie entworfen. Mit Göttern, den "Vielgestaltigen" ... geradezu märchenhaft, wie das Einwirken des Menschen auf die Erd- und Wasserwesen beschrieben wird: gekitzelt, amüsiert.
Vielleicht ist genau das der Grund, warum über diese Form eine gesellschaftskritische Aussage schwer zu vermitteln scheint (falls das mitintendiert war). Ich entdecke zwar die Ansätze dafür, sie wirken aber wegen dem Überwiegen der eher "beschönigenden" Sprache und Bilder nicht (bei mir).
Das Auftauchen des Teufels am Ende finde ich etwas weit hergegriffen, das paßt nicht in die ansich recht konsequent entwickelte Mythenwelt.

Eine unterhaltsame, phantasievolle Geschichte!

Grüße Martin
 
R

Rote Socke

Gast
Phantastisch!

Mythologie? Nee, daran hab ich nicht gedacht! Der Text ist eine prima Zusammenfassung über den Anbeginn bis hin zu dieser problembeladenen Zeit von heute.

Nicht schlecht flammi!

LG
Volkmar
 
L

leonie

Gast
hallo flammarion

eine tolle geschichte, und jeder bekommt sein fett weg, sogar die götter, seien sie nun alt oder jung. nur der teufel dort unten in seiner hölle, hat was zu lachen über die ganzen streitereien zu himmel und zu erden.
ganz liebe grüße leonie
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

vielen dank, ihr lieben! ja, ich habe wochenlang überlegt, ob ich noch etwas einfüge oder nicht, aber dann dachte ich: nee, da kommste dann vom hundertsten ins tausendste und die geschichte verdampft. im vertrauen - es sollte ein abriß der "weltgeschichte" werden, aber dafür bin ich wohl doch zu klein. ganz lieb grüßt
 
Liebe oldicke,
eine richtig gut geschriebene Geschichte.
Kann beim besten Willen keine Schwachstelle erkennen.
Großes Kompliment!
Es grüßt dich lieb
Willi
 



 
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