Eine Liebe wie wir sie haben

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Papiertiger

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So viele Menschen. So viele junge Mädchen in ihren Zwanzigern. Ich bemerke eine bildhübsche Schwarzhaarige in schwarzen Hotpants aus engem Leder. Sie telefoniert. Ich wende meinen Blick ab, aber ich will sie doch immer wieder ansehen, weil sie so attraktiv aussieht. Minuten später trifft ihre Begleitung ein, ein anderes junges Mädchen. Ich war schon lange nicht mehr auf dem Seefest. Das Wetter ist sommerlich, 26 Grad, Regenwahrscheinlichkeit, wie meine Chance auf einen erfolgreichen Flirt mit einer attraktiven Frau: gleich null. Aber ich will auch keine dieser jungen Frauen hier ansprechen. Ich denke an Irina. Vor zwei Wochen habe ich sie kennengelernt, sie ist Trainerin, bringt mir neue Programme bei, schult mich. Ihre warme, weiche Stimme. Ihr Lachen, ihr Humor, ihre Herzlichkeit. Ich könnte ihr ewig zuhören. Das Treffen am See ist schön, nach längerer Zeit sehe ich Mitschüler wieder, wir berichten uns, was es neues gibt. Es wird über Arbeit, Familien und Urlaube gesprochen. Ich trinke drei Bier über den Abend verteilt, sie sind nicht alkoholfrei, aber wirken bei mir so als hätte ich nichts weiter als Wasser getrunken. Es ist nach 23 Uhr. Ich verabschiede mich, um mit dem letzten Bus gegen Mitternacht nach Hause zu kommen. Der Weg zur Bahn ist übervoll mit jungem Partyvolk. Ich schnappe Dialoge auf wie: „Ey. Zu Hause muss ich sofort die Hose ausziehen. Hätte ich eine noch engere von Zara an, ich könnte gar nicht mehr laufen“. Manche Feiernde haben Flaschen in der Hand. Mein Blick bleibt immer mal wieder an Mädels in schwarzen Lederhosen oder Lederminis hängen oder an Damen und kurzen Kleidchen und hohen Schuhen, ist wohl so, wenn man ein Mann ist und Freude an Schönheit und am Leben hat. Ich wäre jetzt gerne mit Irina hier. Ich weiß gar nicht, ob sie einen Freund hat und wie alt sie ist. Ich gehe am Landesmuseum vorbei und stelle mir vor ich sei ein Zeitreisender. Irina und ich sind zeitlos, heute Abend besuchen wir die jungen Menschen von 2023, sie sind attraktiv, aber sie sind nicht Irina. Irina ist mein Hafen, da kann mich keinen Sirenengesang der Welt von meinem Weg nach Hause abbringen. Zu Hause angekommen falle ich erschöpft ins Bett. 13.000 Schritt und keine Chance auf einen Sitzplatz an dem überfüllten Fest am See. Am Montag werde ich Irina wieder sehen. Ist es realistisch ein Date mit ihr zu haben? Ich schlafe ein. Ich träume.
 

Johnson

Mitglied
Kurzweiliger unterhaltsamer Text. Junge Leute sind so drauf, weil sie es nicht für möglich halten zu sterben. Stark.
 



 
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