Eine nicht alltägliche Truppe

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Aledi

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Eine nicht alltägliche Truppe

Es hatte den ganzen Tag schon geschneit. In der Nacht ließ der Schnee nach. Der alte Birnbaum, der schon über hundert Jahre auf dem Buckel hatte, schüttelte sich. Der Schnee fiel auf den Boden. „He, wir werden ganz naß!“, hörte er eine klägliche Stimme. Als er nach unten sah, traute er seinen Augen nicht. Es war eine seltsame Truppe, die es sich unter ihm breitgemacht hatte. Es waren Gerätschaften aus dem Haushalt. Alle machten einen müden Eindruck. „Wer seid ihr denn? Wo kommt ihr her?“, rief der Baum. Der Backofen erwiderte: „Wir sind die ganze Nacht durchgewandert und auf der Suche nach einem Schlafplatz.“ Der alte Birnbaum überlegte: „Tja, wie wäre es, wenn ihr in unserem Garten eine Pause einlegt? Hier stört euch niemand.“ Auf der Stelle meldete sich der kleine Stoffhund zu Wort: „Hier wohnen doch Menschen. Die werden uns bestimmt vom Hof jagen. Das haben wir alles erlebt. Keiner wollte uns behalten.“ Die Äste des alten Baumes bewegten sich im Wind auf und ab: „Nein, nein. Hier wohnt Oma Paula. Die hat zurzeit ihren kleinen Enkelsohn Sebastian zu Besuch. Der verbringt hier seine Weihnachtsferien. Die werden euch ganz bestimmt nicht fortjagen. Geht einfach hinters Haus, dort steht eine Pergola aus Holz. Da könnt ihr euch ausruhen.“
Die Gans, die sich im Ofen versteckt hatte, schnatterte drauf los: „Macht, was der Birnbaum euch sagt! Morgen werden wir weitersehen.“ Die kleine Gesellschaft trottete durch den Garten. Mit letzter Kraft erreichten sie die Pergola. Hier waren sie fürs Erste vor Wind und Schnee geschützt.

Früh morgens hielt Sebastian nichts in seinem Bett. Auch die Großmutter war schon auf und hatte in der Küche das Frühstück zubereitet. Sie zündete die vierte Kerze auf dem Adventskranz an. „Hast du dich gewaschen und die Zähne geputzt?“, fragte sie ihren Enkel. Dieser stand auf und flitzte ins Badezimmer. Paula schüttelte lachend den Kopf. Was soll's, dachte sie, es ist bald Weihnachten. Nachdem sie gefrühstückt hatten, sauste Sebastian nach draußen in den Garten. Er wollte sein Fahrrad holen, was er am Abend zuvor unter der Pergola abgestellt hatte. Schlagartig blieb er stehen. Wo kamen über Nacht die Geräte hier her? Verdutzt fragte er: „Wer seid ihr denn?“ Der kleine Teddy wischte sich den Schlaf aus den Augen. „Wir wussten nicht, wo wir die Nacht verbringen sollten. Der Birnbaum hat uns erlaubt, hier zu übernachten.“ Verdattert blieb der Junge stehen: „Ihr könnt sprechen?“ Jetzt kam die Gans aus dem Backofen gekrochen. „Ja, das können wir. Der Junge sah sich um. Vorsichtig fragte er: „Was ist mit euch passiert? Wo kommt ihr her?“ Mittlerweile war der alte Ohrensessel aufgewacht und erwiderte: „Uns hat man auf den Müll geworden. Da haben wir uns auf die Socken gemacht und sind fortgelaufen. Wir sind doch noch zu gebrauchen.“ Sebastian schaute auf den Kochtopf, der nur einen Henkel besaß. „Weshalb hat man dich entsorgt?“ Traurig sah der Topf an sich herunter. „Wie du ja siehst, habe ich nur noch einen Griff. Die Leute, bei denen ich lange Jahre war, haben sich neue Töpfe gekauft. Mein Freund hier hat ein Loch im Boden. Deshalb wurden wir in die Mülltonne geschmissen.“ „Mich wollte man fürs Weihnachtsfest schlachten. Da bin ich abgehauen“, schnatterte die Gans. Am Boden lag ein Computer. „Und was ist dir zugestoßen?“ Verschüchtert antwortete dieser: „Ich war den Menschen zu langsam. Alles muss heute schnell gehen. Keiner hat mehr Zeit.“
Plötzlich stand Oma Paula hinter Sebastian. Sie war sprachlos über all die Geräte. Sie fasste sich an den Kopf und schaute auf ihren Enkel: „Sag mal, hast du den ganzen Krempel hier angeschleppt?“ Der Junge wurde verlegen und wusste nicht so recht, was er antworten sollte. Die alte Dame sah sich die Truppe aus der Nähe an. Unbekümmert erklärte der Enkel: „Nein, Oma, die haben sich nur über Nacht ausgeruht. Sie haben mir erzählt, dass man sie auf den Müll geworfen hat.“ Schmunzelnd sah die Großmutter ihren Enkel an: „Soso, du hast mit ihnen gesprochen? Nun, dann wollen wir mal sehen, was wir davon noch gebrauchen können.“ Nie um eine Antwort verlegen erwiderte Sebastian: „Oma, du wolltest doch schon immer einen Backofen für deine Kellerküche haben und ein neuer Computer war dir zu teuer. Jetzt hast du beides. Es ist doch nicht schlimm, wenn der PC etwas langsam ist?“ Liebevoll legte Paula ihre Hand auf die Schulter des Enkels. „Nein, das stört mich nicht. Ich bin doch auch nicht mehr so schnell.“ Den abgewetzten Sessel besah sie sich aus der Nähe. „Einen Ohrensessel wollte ich immer schon mal haben. Den werde ich mit einem weichen Stoff beziehen. Dann sieht er wieder aus wie neu.“ Die Oma bückte sich und öffnete die Ofenklappe. Was ist denn das?“, rief sie. Die Gans hatte sich darin verkrochen. „Komm schon raus, du Federvieh! Dich setzten wir als Wachhund ein.“ Laut schnatternd kroch die Gans aus ihrem Versteck. Mit trübem Blick standen die Kochtöpfe am Boden. „Ihr kommt mir gerade recht. Ich werde euch im Frühjahr mit Blumen bepflanzen und auf die Terrasse stellen.“ Sebastian hob die Stofftiere auf. Oma, darf ich die beiden behalten?“ Die Großmutter strich ihren Enkel übers Haar: „Klar, darfst du sie behalten. Aber zuerst kommen sie in die Waschmaschine.“ Als sie den ungläubigen Blick ihres Enkels vernahm, fuhr sie fort: „Hab keine Sorge, mein Junge. Nach dem Waschgang werden sie wieder wie neu aussehen.“

Alle waren zufrieden, in einem so schönen Zuhause gelandet zu sein. Sie mussten keine Angst mehr haben, dass man sie in die Mülltonne wirft. Sebastian ging mit seinen frisch gewaschenen Freunden ins Bett. Diese nahm er fest in den Arm und schlief selig mit ihnen ein.
 

Aledi

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Guten Tag Inge,

danke für deinen netten Kommentar zu meiner kleinen Geschichte. Habe mich sehr darüber gefreut.

Liebe Grüße Aledi
 



 
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