Eine nicht alltägliche Weihnachtsgeschichte

Jägernachwuchs an Heiligabend

Ich erinnere mich noch sehr genau an den 24. Dezember 1964.
Die Nacht zuvor hatte es tüchtig geschneit, und et hielt sich dran. So viel Schnee und en schrecklichen Kälteeinbruch kurz vor Weinachten waren im Ruhrpott selten. Etliche Wasserleitungen waren geplatzt. Da hatte ich als Klempnermeister noch alle Hände voll zu tun.
Ich hing gerade mit dem Kopp in son geplatzten Toilettenpott, da ertönte mein Handy mit dem Jagdsignal „Aufbruch zur Jagd“.
Mein Sohn Jürgen hing anne Strippe:
„Vadder, halt Dich fest, Du biss Oppa geworden! Wir haben en strammen, gesunden Jungen, Birgit geht et gut.“
Ich war sprachlos! Freudentränen rannen plötzlich über mein Gesicht. Ich konnte gar nix dafür. Sonne Gefühlswallung kannte ich überhaupt nich an mir.
„Vadder, bisse noch am Rohr?“
„Jau, Junge, bin ich, lass mich erst ma die frohe Botschaft verdauen, hasse Deine Mutter schon aufgeklärt, dat se jetz Omma iss?
Ja? Dat iss gut. Ich bin inne Stunde mit die Mama im Krankenhaus. Grüß dat Birgit schön und natürlich herzlichen Glückwunsch! Dat mit dem Enkelsohn habt ihr prima hingekriegt, ich bin stolz auf Euch!“

Mein langersehnter Enkel war endlich auffe Welt. Und dat en Tag vor Weihnachten! Ob Se dat nun glauben oder nich, ich hab den Köttel vor meinem geistigen Auge bereits inne Lederhose und mit Jagdhut rumtoben sehn. Wenn ich dat jemanden erzählt hätte, wär ich glatt für bekloppt erklärt worden.

Mit die Geburt von dem Knaben taten sich für mich mit einem Schlag völlig neue Überlegungen auf: Der Junge könnte ja schon mit Sechzehn den Jugendjagdschein machen und könnte dann mit mir jagen gehn und natürlich später all meine Jagdklamotten und Waffen erben. Allet blieb schön inne Familie. Waffen, die ich en Leben lang geführt hatte, an fremde Menschen verkloppen? Von wegen! Nix da!
Ich erschrak über meine Gedankenspielchen und befahl mir: Willi, jetz iss Schluss mit die Zukunftspläne für dat Kind! Bisse eigentlich doll im Kappes? Der Sprössling iss doch erst ne knappe Stunde auffe Welt!

Ich beruhigte mich und rief meine Berta an. Ich wollte son Stimmungsbild vonne frischgebackenen Omma einfangen: „Berta, wat sachse nu? Jetz bisse Großmutter, und ich muss mit die Omma inne Heia, iss dat nich en fürchterlichen Gedanke?“
„Willi, red nich son Quatsch und beeil Dich, dat wir endlich int Krankenhaus kommen. Ich muss den Jungen sehen, ich kann et nich mehr erwarten, ihn an mein Herz zu legen.
„Berta, Du hass doch gar keine Milch mehr, warum willze den armen Kerl dann an Deine Brust drücken?“
Sie legte auf.
Ich erledigte meine Arbeit und machte, dat ich fort kam. Auffem Weg nach Haus stürmte ich noch schnell in meine Stammkneipe rein und schrie: „Glück auf, Thekenrunde! Et iss soeben Jägernachwuchs angekommen! En Junge!“
Sofort war inne Pinte der Deubel los. Hier saßen die Ehemänner, die vor dem Heiligabendstress im trauten Heim flüchten gegangen waren. Ein Glas Bier und Korn mehr – dann wär ich da wahrscheinlich schrecklich versackt.

Danach flitzte ich noch rasch in dat große Spielwarengeschäft inne Bahnhofstrasse, denn en Geschenk für den Köttel musste ganz schnell her! Nich irgendeins! Nee, der Junge durfte als erstgeborener Enkel ne „präservative“ Gabe, also ganz wat Feinet, von seinem Großvater erwarten. Da ich auch als Pate vorgesehn war, musste dat schon wat Außergewöhnlichet sein. En Präsent, wat den Jungen prägen und wat er nie im Leben vergessen sollte.
Ich trommelte im Laden alle Verkäuferinnen zusammen, stellte mich kurz vor und erklärte nich ohne Stolz, dat ich vor ne Stunde en strammen Enkel gekriegt hätte. Die Weiber lachten sich kaputt.
„Wat iss los? Lacht Ihr mich aus?“
„Lieber Herr Püttmann“, sachte die Oberlustige, „wir gratulieren ganz herzlich, aber Sie können doch rein biologisch gar keine Kinder kriegen, ha, ha, ha.“
„Jau“, sachte ich, „hört auf zu gibbeln, Ihr habt gewonnen, jetz ma zur Sache. Habt Ihr wat Jagdlichet für den Bengel? Wat Außerordentlichet, wat Unvergesslichet?“
Ich erkannte anne Minen der Verkäuferinnen, dat die total überfordert waren. Außerdem sah ich anne Regale, dat der Laden en gutet Weihnachtsgeschäft gemacht haben musste. Et stand nämlich fast nix mehr inne Auslagen.
Also drehte ich meine Ansprüche runter: „Butter bei die Fische, habt Ihr vielleicht son kleinen Jagdhut oder ne Lederhose für dat Kind? Vielleicht jagdgrüne Unterwäsche, Windeln und Pampers mit nem Hirsch drauf oder so wat inne Art?“
Die Frauen kriegten en roten Kappes und kuckten so verwundert ausse Wäsche, als kämen meine Wünsche aus ner andern Galaxis. „Kriegt Euch ein“, sachte ich, „ich stelle fest, Ihr habt nich so fundamentale Kinderklamotten. Dat iss en Trauerspiel! Wenn man einma im Leben wat Anspruchvollet für sein Enkel braucht, findet man nix in diesem Schuppen. Ne Beleidigung für den gesamten deutschen Jägernachwuchs iss dat, verdorri noch ma!“

Ich wollte gerade den Saftladen verlassen, da hatten meine wachsamen Augen wat entdeckt. Junge, dat war et! En riesiget Plüschtier stand da ganz einsam im zweiten Regal oben rechts und äugte mich so flehentlich an, als wollte et mir sagen: „Willi, greif zu, ich bin genau dat richtige Geschenk für Deinen Enkel!“
Ich konnte gar nich anders, dat Tier hatte mich durch seine beschwörenden Augen voll im Griff. Dat Geschöpf war ja so wat von schön und sah total echt aus! Et war en kapitalen Plüschkeiler in Lebensgröße.
Hocherfreut rief ich: „Dat Schwein da oben, runter damit und sofort einpacken! Tut ne grüne Schleife drum und wenn et irgendwie geht, en bissken zügig, mein Enkelkind wartet bereits auf dat Tier, und ich muss noch den Christbaum schmücken.“
Die Verkäuferinnen waren baff.
„Herr Püttmann, das Tier kostet hundertsiebzig Euro. Wäre nicht ein buntes Räppelchen das passendere Geschenk?“
„Habt Ihr wat anne Ohrn? Einpacken! Sofort einpacken! Dat Schwein iss genau dat richtige! Wer iss hier Großvater und Pate, Ihr oder ich? Ich bestimm, wat dat Kind als angehender Jäger kriegt, hab ich mich jetz klar genug ausgedrückt?“ Ich schmiss dat Geld auffen Tisch, packte die Wildsau bei die Teller (Ohren) und eilte damit nach Hause – zu „Omma Berta“.

Die kriegte fast en Anfall als se mich mit dem gewaltigen Keiler sah.
„Willi, biss Du noch zu retten? Dat Würmchen bekommt bereits en Schock für dat Leben, wenn et Dich sieht, geschweige wenn et Dich und dat Wildschwein erblicken tut. Hoffentlich kriegt der Kleine die Döppen noch nich auf!“
„Berta, dat war ne Unverschämtheit, aber ich verzeih Dir, weil Du im Moment vor Freude über meinen Enkel nix Gescheitet reden kannz. Ich werde mich waschen und meinen grünen Jagdanzug anziehn. Die Farbe „Grün“ soll sich für immer und ewig in dat Kinderhirn eingraben. Die Wildsau – die wird ihn umhauen, er wird vor Freude schreien.“
Meine Schwiegertochter Birgit und die Krankenschwestern schrien auch, aber vor Begeisterung, denn son stolzen Großvater mit nem riesengroßen Plüschkeiler im Arm, hatten se höchstwahrscheinlich noch nie auffe Station gesehn. Ich stellte alle Blumenvasen und den Adventkranz vom Tisch und baute dat herrliche Tier lebensecht auf.

„Wo iss denn mein kleiner Hubertus?“, fragte ich inne Runde. Als mir mein heimlicher Wunschname rausgerutscht war, verdrehten meine Schwiegertochter und Berta die Augen und zischten wie aus einem Mund: „Maximilian heißt der Junge!“

So langsam wurd ich ungeduldig. „Wann kommt mein Kind denn endlich zum Oppa? Macht et nich zu dramatisch, sonst hol ich mir den Jungen ausse Krippe, spannt mich nich auffe Folter!“ Ich hatte schon vor lauter Aufregung Schweißperlen auffe Birne.
Schließlich tat sich wat hinter die Kulissen. Ne barmherzige Schwester verließ dat Zimmer und kam mit nem kleinen Bündel im Arm zurück.
Wat war dat denn hier für ne erbärmliche Vorstellung? In dem Wollknäuel konnte doch wohl unmöglich mein angeblich strammer Enkelsohn liegen! Son Winzling wollten die mir da unterschieben? Menschenkinder, hatte die Schwester etwa die Blagen vertauscht? Außerdem war dat Wesen ja total rot im Gesicht und hatte schrecklich runzlige Finger.

Die Kinderschwester legte mir dat Bündel in den Arm. Im ersten Moment wusste ich überhaupt nich, wat ich damit anfangen sollte. Aber plötzlich kribbelten in mir ganz seltene Gefühle hoch und machten sich im Brustraum breit. Ich kriegte en trockenen Hals und wurde still. Ich hielt hier en Neugeborenet im Arm, so winzig, so friedlich und zerbrechlich. Ich kuckte mir den Knaben ma son bissken genauer an, und mit einem Schlag war mein Misstrauen wie weggefegt.
Mensch, da gab et ja überhaupt keine Zweifel. Et war tatsächlich mein Enkelsohn! Natürlich war er dat! Dat war wirklich mein eigen Fleisch und Blut!
Woran ich dat sah? Ich erkannte ihn anne wenigen Haare am Hinterkopp und anne Segelohrn. Der Stoppen hatte wirklich ne ganze Masse von mir geerbt – die Püttmannsche Erbmasse.
Der kleine Wonneproppen war mit einem Mal dat schönste Baby auffe Welt. Die gesamten Gene hatte der Junge nur von mir! Folglich blubberten auch meine „Jagd-Krommesome“ in seiner Blutbahn rum. Mir kamen die Tränen. Ich legte dat Baby in Bertas Arme.
Als ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, holte ich mir den kleinen Schisser, hielt ihn hoch und setzte ihn andeutungsweise auf dat riesige Wildschwein.
Auf diesen Moment musste der Kleine die ganze Zeit gelauert haben. Er knibbelte mit die Äugsken, verzog die Schnüss und grinste. Ein unauslöschlicher Moment war dat für uns beide. Ich hatte mit die Wildsau sein Herz gewonnen!
Niemals würde er diesen ersten waidmännischen Anblick vergessen! Der Junge war von dieser Stunde an zeitlebens jagdlich geprägt und mit mir und der Jagd für immer und ewig verbunden. So sollte es sein.

Innerlich bewegt legte ich den angehenden Jäger der Mutter in den Arm und flüsterte: „Waidmannsdank, liebe Birgit, Hubertus war mit Euch. Fröhliche Weihnachten.“
 
Jägernachwuchs an Heiligabend

Ich erinnere mich noch sehr genau an den 24. Dezember 1964.
Die Nacht zuvor hatte es tüchtig geschneit, und et hielt sich dran. So viel Schnee und en schrecklichen Kälteeinbruch kurz vor Weinachten waren im Ruhrpott selten. Etliche Wasserleitungen waren geplatzt. Da hatte ich als Klempnermeister noch alle Hände voll zu tun.
Ich hing gerade mit dem Kopp in son geplatzten Toilettenpott, da ertönte mein Handy mit dem Jagdsignal „Aufbruch zur Jagd“.
Mein Sohn Jürgen hing anne Strippe:
„Waidmannsheil, Vadder, halt Dich fest, Du biss Oppa geworden! Wir haben en strammen, gesunden Jungen, Birgit geht et gut.“
Ich war sprachlos! Freudentränen rannen plötzlich über mein Gesicht. Ich konnte gar nix dafür. Sonne Gefühlswallung kannte ich überhaupt nich an mir.
„Vadder, bisse noch am Rohr?“
„Jau, Junge, bin ich, lass mich erst ma die frohe Botschaft verdauen, hasse Deine Mutter schon aufgeklärt, dat se jetz Omma iss?
Ja? Dat iss gut. Ich bin inne Stunde mit die Mama im Krankenhaus. Grüß dat Birgit schön und natürlich herzlichen Glückwunsch! Dat mit dem Enkelsohn habt ihr prima hingekriegt, ich bin stolz auf Euch!“

Mein langersehnter Enkel war endlich auffe Welt. Und dat en Tag vor Weihnachten! Ob Se dat nun glauben oder nich, ich hab den Köttel vor meinem geistigen Auge bereits inne Lederhose und mit Jagdhut rumtoben sehn. Wenn ich dat jemanden erzählt hätte, wär ich glatt für bekloppt erklärt worden.

Mit die Geburt von dem Knaben taten sich für mich mit einem Schlag völlig neue Überlegungen auf: Der Junge könnte ja schon mit Sechzehn den Jugendjagdschein machen und könnte dann mit mir jagen gehn und natürlich später all meine Jagdklamotten und Waffen erben. Allet blieb schön inne Familie. Waffen, die ich en Leben lang geführt hatte, an fremde Menschen verkloppen? Von wegen! Nix da!
Ich erschrak über meine Gedankenspielchen und befahl mir: Willi, jetz iss Schluss mit die Zukunftspläne für dat Kind! Bisse eigentlich doll im Kappes? Der Sprössling iss doch erst ne knappe Stunde auffe Welt!

Ich beruhigte mich und rief meine Berta an. Ich wollte son Stimmungsbild vonne frischgebackenen Omma einfangen: „Berta, wat sachse nu? Jetz bisse Großmutter, und ich muss mit die Omma inne Heia, iss dat nich en fürchterlichen Gedanke?“
„Willi, red nich son Quatsch und beeil Dich, dat wir endlich int Krankenhaus kommen. Ich muss den Jungen sehen, ich kann et nich mehr erwarten, ihn an mein Herz zu legen.
„Berta, Du hass doch gar keine Milch mehr, warum willze den armen Kerl dann an Deine Brust drücken?“
Sie legte auf.
Ich erledigte meine Arbeit und machte, dat ich fort kam. Auffem Weg nach Haus stürmte ich noch schnell in meine Stammkneipe rein und schrie: „Glück auf, Thekenrunde! Et iss soeben Jägernachwuchs angekommen! En Junge!“
Sofort war inne Pinte der Deubel los. Hier saßen die Ehemänner, die vor dem Heiligabendstress im trauten Heim flüchten gegangen waren. Ein Glas Bier und Korn mehr – dann wär ich da wahrscheinlich schrecklich versackt.

Danach flitzte ich noch rasch in dat große Spielwarengeschäft inne Bahnhofstrasse, denn en Geschenk für den Köttel musste ganz schnell her! Nich irgendeins! Nee, der Junge durfte als erstgeborener Enkel ne „präservative“ Gabe, also ganz wat Feinet, von seinem Großvater erwarten. Da ich auch als Pate vorgesehn war, musste dat schon wat Außergewöhnlichet sein. En Präsent, wat den Jungen prägen und wat er nie im Leben vergessen sollte.
Ich trommelte im Laden alle Verkäuferinnen zusammen, stellte mich kurz vor und erklärte nich ohne Stolz, dat ich vor ne Stunde en strammen Enkel gekriegt hätte. Die Weiber lachten sich kaputt.
„Wat iss los? Lacht Ihr mich aus?“
„Lieber Herr Püttmann“, sachte die Oberlustige, „wir gratulieren ganz herzlich, aber Sie können doch rein biologisch gar keine Kinder kriegen, ha, ha, ha.“
„Jau“, sachte ich, „hört auf zu gibbeln, Ihr habt gewonnen, jetz ma zur Sache. Habt Ihr wat Jagdlichet für den Bengel? Wat Außerordentlichet, wat Unvergesslichet?“
Ich erkannte anne Minen der Verkäuferinnen, dat die total überfordert waren. Außerdem sah ich anne Regale, dat der Laden en gutet Weihnachtsgeschäft gemacht haben musste. Et stand nämlich fast nix mehr inne Auslagen.
Also drehte ich meine Ansprüche runter: „Butter bei die Fische, habt Ihr vielleicht son kleinen Jagdhut oder ne Lederhose für dat Kind? Vielleicht jagdgrüne Unterwäsche, Windeln und Pampers mit nem Hirsch drauf oder so wat inne Art?“
Die Frauen kriegten en roten Kappes und kuckten so verwundert ausse Wäsche, als kämen meine Wünsche aus ner andern Galaxis. „Kriegt Euch ein“, sachte ich, „ich stelle fest, Ihr habt nich so fundamentale Kinderklamotten. Dat iss en Trauerspiel! Wenn man einma im Leben wat Anspruchvollet für sein Enkel braucht, findet man nix in diesem Schuppen. Ne Beleidigung für den gesamten deutschen Jägernachwuchs iss dat, verdorri noch ma!“

Ich wollte gerade den Saftladen verlassen, da hatten meine wachsamen Augen wat entdeckt. Junge, dat war et! En riesiget Plüschtier stand da ganz einsam im zweiten Regal oben rechts und äugte mich so flehentlich an, als wollte et mir sagen: „Willi, greif zu, ich bin genau dat richtige Geschenk für Deinen Enkel!“
Ich konnte gar nich anders, dat Tier hatte mich durch seine beschwörenden Augen voll im Griff. Dat Geschöpf war ja so wat von schön und sah total echt aus! Et war en kapitalen Plüschkeiler in Lebensgröße.
Hocherfreut rief ich: „Dat Schwein da oben, runter damit und sofort einpacken! Tut ne grüne Schleife drum und wenn et irgendwie geht, en bissken zügig, mein Enkelkind wartet bereits auf dat Tier, und ich muss noch den Christbaum schmücken.“
Die Verkäuferinnen waren baff.
„Herr Püttmann, das Tier kostet hundertsiebzig Euro. Wäre nicht ein buntes Räppelchen das passendere Geschenk?“
„Habt Ihr wat anne Ohrn? Einpacken! Sofort einpacken! Dat Schwein iss genau dat richtige! Wer iss hier Großvater und Pate, Ihr oder ich? Ich bestimm, wat dat Kind als angehender Jäger kriegt, hab ich mich jetz klar genug ausgedrückt?“ Ich schmiss dat Geld auffen Tisch, packte die Wildsau bei die Teller (Ohren) und eilte damit nach Hause – zu „Omma Berta“.

Die kriegte fast en Anfall als se mich mit dem gewaltigen Keiler sah.
„Willi, biss Du noch zu retten? Dat Würmchen bekommt bereits en Schock für dat Leben, wenn et Dich sieht, geschweige wenn et Dich und dat Wildschwein erblicken tut. Hoffentlich kriegt der Kleine die Döppen noch nich auf!“
„Berta, dat war ne Unverschämtheit, aber ich verzeih Dir, weil Du im Moment vor Freude über meinen Enkel nix Gescheitet reden kannz. Ich werde mich waschen und meinen grünen Jagdanzug anziehn. Die Farbe „Grün“ soll sich für immer und ewig in dat Kinderhirn eingraben. Die Wildsau – die wird ihn umhauen, er wird vor Freude schreien.“
Meine Schwiegertochter Birgit und die Krankenschwestern schrien auch, aber vor Begeisterung, denn son stolzen Großvater mit nem riesengroßen Plüschkeiler im Arm, hatten se höchstwahrscheinlich noch nie auffe Station gesehn. Ich stellte alle Blumenvasen und den Adventkranz vom Tisch und baute dat herrliche Tier lebensecht auf.

„Wo iss denn mein kleiner Hubertus?“, fragte ich inne Runde. Als mir mein heimlicher Wunschname rausgerutscht war, verdrehten meine Schwiegertochter und Berta die Augen und zischten wie aus einem Mund: „Maximilian heißt der Junge!“

So langsam wurd ich ungeduldig. „Wann kommt mein Kind denn endlich zum Oppa? Macht et nich zu dramatisch, sonst hol ich mir den Jungen ausse Krippe, spannt mich nich auffe Folter!“ Ich hatte schon vor lauter Aufregung Schweißperlen auffe Birne.
Schließlich tat sich wat hinter die Kulissen. Ne barmherzige Schwester verließ dat Zimmer und kam mit nem kleinen Bündel im Arm zurück.
Wat war dat denn hier für ne erbärmliche Vorstellung? In dem Wollknäuel konnte doch wohl unmöglich mein angeblich strammer Enkelsohn liegen! Son Winzling wollten die mir da unterschieben? Menschenkinder, hatte die Schwester etwa die Blagen vertauscht? Außerdem war dat Wesen ja total rot im Gesicht und hatte schrecklich runzlige Finger.

Die Kinderschwester legte mir dat Bündel in den Arm. Im ersten Moment wusste ich überhaupt nich, wat ich damit anfangen sollte. Aber plötzlich kribbelten in mir ganz seltene Gefühle hoch und machten sich im Brustraum breit. Ich kriegte en trockenen Hals und wurde still. Ich hielt hier en Neugeborenet im Arm, so winzig, so friedlich und zerbrechlich. Ich kuckte mir den Knaben ma son bissken genauer an, und mit einem Schlag war mein Misstrauen wie weggefegt.
Mensch, da gab et ja überhaupt keine Zweifel. Et war tatsächlich mein Enkelsohn! Natürlich war er dat! Dat war wirklich mein eigen Fleisch und Blut!
Woran ich dat sah? Ich erkannte ihn anne wenigen Haare am Hinterkopp und anne Segelohrn. Der Stoppen hatte wirklich ne ganze Masse von mir geerbt – die Püttmannsche Erbmasse.
Der kleine Wonneproppen war mit einem Mal dat schönste Baby auffe Welt. Die gesamten Gene hatte der Junge nur von mir! Folglich blubberten auch meine „Jagd-Krommesome“ in seiner Blutbahn rum. Mir kamen die Tränen. Ich legte dat Baby in Bertas Arme.
Als ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, holte ich mir den kleinen Schisser, hielt ihn hoch und setzte ihn andeutungsweise auf dat riesige Wildschwein.
Auf diesen Moment musste der Kleine die ganze Zeit gelauert haben. Er knibbelte mit die Äugsken, verzog die Schnüss und grinste. Ein unauslöschlicher Moment war dat für uns beide. Ich hatte mit die Wildsau sein Herz gewonnen!
Niemals würde er diesen ersten waidmännischen Anblick vergessen! Der Junge war von dieser Stunde an zeitlebens jagdlich geprägt und mit mir und der Jagd für immer und ewig verbunden. So sollte es sein.

Innerlich bewegt legte ich den angehenden Jäger der Mutter in den Arm und flüsterte: „Waidmannsdank, liebe Birgit, Hubertus war mit Euch. Fröhliche Weihnachten.“
 
G

Gelöschtes Mitglied 8146

Gast
Der Text gefällt mir gut.

Eine kleine Anmerkung habe doch:

1964 gab es kein Handy, und man bezahlte mit DM.
 
Jägernachwuchs an Heiligabend

Ich erinnere mich noch sehr genau an den 24. Dezember 1998.
Die Nacht zuvor hatte es tüchtig geschneit, und et hielt sich dran. So viel Schnee und en schrecklichen Kälteeinbruch kurz vor Weinachten waren im Ruhrpott selten. Etliche Wasserleitungen waren geplatzt. Da hatte ich als Klempnermeister noch alle Hände voll zu tun.
Ich hing gerade mit dem Kopp in son geplatzten Toilettenpott, da ertönte mein Handy mit dem Jagdsignal „Aufbruch zur Jagd“.
Mein Sohn Jürgen hing anne Strippe:
„Waidmannsheil, Vadder, halt Dich fest, Du biss Oppa geworden! Wir haben en strammen, gesunden Jungen, Birgit geht et gut.“
Ich war sprachlos! Freudentränen rannen plötzlich über mein Gesicht. Ich konnte gar nix dafür. Sonne Gefühlswallung kannte ich überhaupt nich an mir.
„Vadder, bisse noch am Rohr?“
„Jau, Junge, bin ich, lass mich erst ma die frohe Botschaft verdauen, hasse Deine Mutter schon aufgeklärt, dat se jetz Omma iss?
Ja? Dat iss gut. Ich bin inne Stunde mit die Mama im Krankenhaus. Grüß dat Birgit schön und natürlich herzlichen Glückwunsch! Dat mit dem Enkelsohn habt ihr prima hingekriegt, ich bin stolz auf Euch!“

Mein langersehnter Enkel war endlich auffe Welt. Und dat en Tag vor Weihnachten! Ob Se dat nun glauben oder nich, ich hab den Köttel vor meinem geistigen Auge bereits inne Lederhose und mit Jagdhut rumtoben sehn. Wenn ich dat jemanden erzählt hätte, wär ich glatt für bekloppt erklärt worden.

Mit die Geburt von dem Knaben taten sich für mich mit einem Schlag völlig neue Überlegungen auf: Der Junge könnte ja schon mit Sechzehn den Jugendjagdschein machen und könnte dann mit mir jagen gehn und natürlich später all meine Jagdklamotten und Waffen erben. Allet blieb schön inne Familie. Waffen, die ich en Leben lang geführt hatte, an fremde Menschen verkloppen? Von wegen! Nix da!
Ich erschrak über meine Gedankenspielchen und befahl mir: Willi, jetz iss Schluss mit die Zukunftspläne für dat Kind! Bisse eigentlich doll im Kappes? Der Sprössling iss doch erst ne knappe Stunde auffe Welt!

Ich beruhigte mich und rief meine Berta an. Ich wollte son Stimmungsbild vonne frischgebackenen Omma einfangen: „Berta, wat sachse nu? Jetz bisse Großmutter, und ich muss mit die Omma inne Heia, iss dat nich en fürchterlichen Gedanke?“
„Willi, red nich son Quatsch und beeil Dich, dat wir endlich int Krankenhaus kommen. Ich muss den Jungen sehen, ich kann et nich mehr erwarten, ihn an mein Herz zu legen.
„Berta, Du hass doch gar keine Milch mehr, warum willze den armen Kerl dann an Deine Brust drücken?“
Sie legte auf.
Ich erledigte meine Arbeit und machte, dat ich fort kam. Auffem Weg nach Haus stürmte ich noch schnell in meine Stammkneipe rein und schrie: „Glück auf, Thekenrunde! Et iss soeben Jägernachwuchs angekommen! En Junge!“
Sofort war inne Pinte der Deubel los. Hier saßen die Ehemänner, die vor dem Heiligabendstress im trauten Heim flüchten gegangen waren. Ein Glas Bier und Korn mehr – dann wär ich da wahrscheinlich schrecklich versackt.

Danach flitzte ich noch rasch in dat große Spielwarengeschäft inne Bahnhofstrasse, denn en Geschenk für den Köttel musste ganz schnell her! Nich irgendeins! Nee, der Junge durfte als erstgeborener Enkel ne „präservative“ Gabe, also ganz wat Feinet, von seinem Großvater erwarten. Da ich auch als Pate vorgesehn war, musste dat schon wat Außergewöhnlichet sein. En Präsent, wat den Jungen prägen und wat er nie im Leben vergessen sollte.
Ich trommelte im Laden alle Verkäuferinnen zusammen, stellte mich kurz vor und erklärte nich ohne Stolz, dat ich vor ne Stunde en strammen Enkel gekriegt hätte. Die Weiber lachten sich kaputt.
„Wat iss los? Lacht Ihr mich aus?“
„Lieber Herr Püttmann“, sachte die Oberlustige, „wir gratulieren ganz herzlich, aber Sie können doch rein biologisch gar keine Kinder kriegen, ha, ha, ha.“
„Jau“, sachte ich, „hört auf zu gibbeln, Ihr habt gewonnen, jetz ma zur Sache. Habt Ihr wat Jagdlichet für den Bengel? Wat Außerordentlichet, wat Unvergesslichet?“
Ich erkannte anne Minen der Verkäuferinnen, dat die total überfordert waren. Außerdem sah ich anne Regale, dat der Laden en gutet Weihnachtsgeschäft gemacht haben musste. Et stand nämlich fast nix mehr inne Auslagen.
Also drehte ich meine Ansprüche runter: „Butter bei die Fische, habt Ihr vielleicht son kleinen Jagdhut oder ne Lederhose für dat Kind? Vielleicht jagdgrüne Unterwäsche, Windeln und Pampers mit nem Hirsch drauf oder so wat inne Art?“
Die Frauen kriegten en roten Kappes und kuckten so verwundert ausse Wäsche, als kämen meine Wünsche aus ner andern Galaxis. „Kriegt Euch ein“, sachte ich, „ich stelle fest, Ihr habt nich so fundamentale Kinderklamotten. Dat iss en Trauerspiel! Wenn man einma im Leben wat Anspruchvollet für sein Enkel braucht, findet man nix in diesem Schuppen. Ne Beleidigung für den gesamten deutschen Jägernachwuchs iss dat, verdorri noch ma!“

Ich wollte gerade den Saftladen verlassen, da hatten meine wachsamen Augen wat entdeckt. Junge, dat war et! En riesiget Plüschtier stand da ganz einsam im zweiten Regal oben rechts und äugte mich so flehentlich an, als wollte et mir sagen: „Willi, greif zu, ich bin genau dat richtige Geschenk für Deinen Enkel!“
Ich konnte gar nich anders, dat Tier hatte mich durch seine beschwörenden Augen voll im Griff. Dat Geschöpf war ja so wat von schön und sah total echt aus! Et war en kapitalen Plüschkeiler in Lebensgröße.
Hocherfreut rief ich: „Dat Schwein da oben, runter damit und sofort einpacken! Tut ne grüne Schleife drum und wenn et irgendwie geht, en bissken zügig, mein Enkelkind wartet bereits auf dat Tier, und ich muss noch den Christbaum schmücken.“
Die Verkäuferinnen waren baff.
„Herr Püttmann, das Tier kostet hundertsiebzig DM. Wäre nicht ein buntes Räppelchen das passendere Geschenk?“
„Habt Ihr wat anne Ohrn? Einpacken! Sofort einpacken! Dat Schwein iss genau dat richtige! Wer iss hier Großvater und Pate, Ihr oder ich? Ich bestimm, wat dat Kind als angehender Jäger kriegt, hab ich mich jetz klar genug ausgedrückt?“ Ich schmiss dat Geld auffen Tisch, packte die Wildsau bei die Teller (Ohren) und eilte damit nach Hause – zu „Omma Berta“.

Die kriegte fast en Anfall als se mich mit dem gewaltigen Keiler sah.
„Willi, biss Du noch zu retten? Dat Würmchen bekommt bereits en Schock für dat Leben, wenn et Dich sieht, geschweige wenn et Dich und dat Wildschwein erblicken tut. Hoffentlich kriegt der Kleine die Döppen noch nich auf!“
„Berta, dat war ne Unverschämtheit, aber ich verzeih Dir, weil Du im Moment vor Freude über meinen Enkel nix Gescheitet reden kannz. Ich werde mich waschen und meinen grünen Jagdanzug anziehn. Die Farbe „Grün“ soll sich für immer und ewig in dat Kinderhirn eingraben. Die Wildsau – die wird ihn umhauen, er wird vor Freude schreien.“
Meine Schwiegertochter Birgit und die Krankenschwestern schrien auch, aber vor Begeisterung, denn son stolzen Großvater mit nem riesengroßen Plüschkeiler im Arm, hatten se höchstwahrscheinlich noch nie auffe Station gesehn. Ich stellte alle Blumenvasen und den Adventkranz vom Tisch und baute dat herrliche Tier lebensecht auf.

„Wo iss denn mein kleiner Hubertus?“, fragte ich inne Runde. Als mir mein heimlicher Wunschname rausgerutscht war, verdrehten meine Schwiegertochter und Berta die Augen und zischten wie aus einem Mund: „Maximilian heißt der Junge!“

So langsam wurd ich ungeduldig. „Wann kommt mein Kind denn endlich zum Oppa? Macht et nich zu dramatisch, sonst hol ich mir den Jungen ausse Krippe, spannt mich nich auffe Folter!“ Ich hatte schon vor lauter Aufregung Schweißperlen auffe Birne.
Schließlich tat sich wat hinter die Kulissen. Ne barmherzige Schwester verließ dat Zimmer und kam mit nem kleinen Bündel im Arm zurück.
Wat war dat denn hier für ne erbärmliche Vorstellung? In dem Wollknäuel konnte doch wohl unmöglich mein angeblich strammer Enkelsohn liegen! Son Winzling wollten die mir da unterschieben? Menschenkinder, hatte die Schwester etwa die Blagen vertauscht? Außerdem war dat Wesen ja total rot im Gesicht und hatte schrecklich runzlige Finger.

Die Kinderschwester legte mir dat Bündel in den Arm. Im ersten Moment wusste ich überhaupt nich, wat ich damit anfangen sollte. Aber plötzlich kribbelten in mir ganz seltene Gefühle hoch und machten sich im Brustraum breit. Ich kriegte en trockenen Hals und wurde still. Ich hielt hier en Neugeborenet im Arm, so winzig, so friedlich und zerbrechlich. Ich kuckte mir den Knaben ma son bissken genauer an, und mit einem Schlag war mein Misstrauen wie weggefegt.
Mensch, da gab et ja überhaupt keine Zweifel. Et war tatsächlich mein Enkelsohn! Natürlich war er dat! Dat war wirklich mein eigen Fleisch und Blut!
Woran ich dat sah? Ich erkannte ihn anne wenigen Haare am Hinterkopp und anne Segelohrn. Der Stoppen hatte wirklich ne ganze Masse von mir geerbt – die Püttmannsche Erbmasse.
Der kleine Wonneproppen war mit einem Mal dat schönste Baby auffe Welt. Die gesamten Gene hatte der Junge nur von mir! Folglich blubberten auch meine „Jagd-Krommesome“ in seiner Blutbahn rum. Mir kamen die Tränen. Ich legte dat Baby in Bertas Arme.
Als ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, holte ich mir den kleinen Schisser, hielt ihn hoch und setzte ihn andeutungsweise auf dat riesige Wildschwein.
Auf diesen Moment musste der Kleine die ganze Zeit gelauert haben. Er knibbelte mit die Äugsken, verzog die Schnüss und grinste. Ein unauslöschlicher Moment war dat für uns beide. Ich hatte mit die Wildsau sein Herz gewonnen!
Niemals würde er diesen ersten waidmännischen Anblick vergessen! Der Junge war von dieser Stunde an zeitlebens jagdlich geprägt und mit mir und der Jagd für immer und ewig verbunden. So sollte es sein.

Innerlich bewegt legte ich den angehenden Jäger der Mutter in den Arm und flüsterte: „Waidmannsdank, liebe Birgit, Hubertus war mit Euch. Fröhliche Weihnachten.“
 



 
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