Eine unerhörte Novelle

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Arisia Krieger

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Durch das weit geöffnete Fenster drangen laut und klar die schrillen Stimmen der Nachbarinnen aus den unteren Wohnungen durch die schwüle Sommerluft herauf und durchbrachen die trügerisch ruhige Atmosphäre eines typischen Augustabends.
„Hast du schon gehört? Der Herr Nütten von der Straße gegenüber hat seine Frau geschlagen, da musste die Polizei kommen.“, schrie Frau Wirks beinahe durch den Hof, damit ihre Klatschkomplizin, die schon ältere Frau Lebsch, sie auch verstehen konnte, obwohl diese sich auf dem benachbarten Balkon befand.
„Ja, ja, das wusste ich schon“, klang es in fast derselben Lautstärke zurück, „das hat mir der Herr Gnamwald schon berichtet. Der war gestern auf ne Tasse Tee bei mir“. „Ach stimmt ja. Kennst du die Neuigkeiten von der jungen Familie aus der oberen Wohnung dann auch schon?“, ließ das Tratschecho verlauten und tatschte der, sich im Schatten der überaus üppigen Balkonvegetation räkelnden, Siamkatze auf den Kopf, worauf sich diese leicht pikiert einer intensiven Studie der Topfblumen zuwandte.
„Die Beiden haben sich vorgestern tierisch zerstritten. Ich glaube die bleiben nicht mehr lange zusammen“, prognostizierte Frau Wirks.
Die Antwort war nur noch als undeutliches Geblubber zu hören, denn Inge hatte, trotz der dringend benötigten Kühlung, das Fenster geschlossen, um so das Gerede der Nachbarinnen auszuschließen. Sie freute sich schon auf den Winter, wenn es für die Beiden zu kalt sein würde von dem Balkon aus die Nachbarschaft mit Argusaugen zu überwachen und alle Begebenheiten in sirenenhaftem Tonfall zum Besten zu geben.
Sie kannte das Ehepaar aus der Dachgeschosswohnung. Eine liebenswerte Familie mit einem gerade einjährigen Sohn und einem verspielten Australian Shepherd-Mix namens Domino, den sie auch selbst schon einmal ausgeführt hatte, als der Sohn geboren wurde und die Eltern beide im Krankenhaus übernachteten. Sie wusste auch von welchem Streit die Klatschbasen gesprochen hatten, denn sie hatte in der Nacht schlaflos die Decke angestarrt und über ihre Zukunft nachgedacht, als ihre Nachbarn lautstark diskutierten, doch im Gegensatz zu den, in den unteren Wohnungen lebenden Frauen, wusste sie ebenso von dem danach leise geführten Gespräch, bei dem Worte der Versöhnung gefallen waren. Sie selbst hatte sich ihre Mitwisserschaft nur den strafbar dünnen Wänden und Böden des Mietshauses zu verdanken, welche den Gerüchtefluss nur erleichterten.
Sie selbst war in den nun schon eineinhalb Jahren, in denen sie die kleine Wohnung in Berlin bewohnte, noch nicht ins Kreuzfeuer der Klatschköniginnen geraten, was sie ihrer Fähigkeit verdankte für Fremde und Wohnungsflurbekanntschaften beinahe unsichtbar zu sein. Sie war sich nicht einmal wirklich sicher, ob Frau Wirks, die Zentrale aller Gerüchte in dem Wohnviertel, überhaupt wusste, dass sie in der Wohnung über ihr wohnte. Gegen diesen Schutzmantel der Unwichtigkeit hatte sie auf jeden Fall nichts einzuwenden, denn so lebte sie in Sicherheit vor den nadelspitzen Bemerkungen der Nachbarn, die unweigerlich folgen würden, wenn die untere Wohnungsebene als neues Klatschthema ein Ereignis ihres Lebens verkündet hätte.
Der restliche Abend zerfloss in nichtssagenden, viel zu heißen Minuten, die nur zäh vergingen und sich fast endlos hinstreckten. Ihre Gedanken sprangen zwischen unwichtigen Themen hin und her und ließen sich immer wieder von Kleinigkeiten fangen, während sie versuchte ihre Studienarbeit verschriftlicht zu bekommen. Im Hintergrund, beinahe stetig wie die Meeresbrandung, die sie schon viel zu lange nicht gesehen hatte und deren Rauschen sie ebenso vermisste wie das Gefühl der Freiheit und Beständigkeit, das sie beim Blick auf das Meer überkam, konnte sie das kreischende, lachmöwenartige Gelächter der Nachbarinnen hören, die weiterhin auf ihren Ausgucken saßen und tratschend Tee, Kaffee oder ein anderes für diese Jahreszeit zu heißes Getränk tranken.
In der Nacht lag sie da, wachgehalten von der Hitze, die sich auch nach Sonnenuntergang noch lange in den Straßen hielt, und von ihren Gedanken die um ihre Nachbarinnen kreisten, welche sie schon zwei Monate nach dem Einzug fürchten und hassen gelernt hatte, als diese eine junge Ausländerin derart gemobbt hatten, dass diese Nachts weinend im Bett gelegen hatte und schließlich weggezogen war. Sie hatte die Wohnung besessen, in welcher nun die junge Familie lebte, und nach ihrem Auszug hatte Inge nichts mehr von ihr gehört, obwohl sie sich gut verstanden hatten.
Morgens nach einem viel zu kurzen, wenig erholsamen Schlaf stand Inge auf und begann den Ablauf jeden Tages und so flossen auch die nächsten zwei Wochen dahin, ohne dass der ersehnte Wetterumschwung kam und das Ende der Hochzeit des Balkonklatsches einläutete. So musste Inge das ewige Getratsche erdulden, als der Sohn einer Nachbarin angeblich wegen Drogenbesitzes festgenommen wurde, was sich als falsch herausstellte, da sich die vermutete Hanfpflanze als Feige und der Nachbar, der die Polizei gerufen hatte, als äußerst kurzsichtig und unterbeschäftigt entpuppte. Auch die geheime Liebschaft der Frau in der Wohnung über Inge war nichts weiter als der Besuch des Bruders, der sich als sehr nett und hilfsbereit herausstellte, als er ihr half die Einkäufe nach oben zu tragen.

Doch der Einzug eines älteren, sehr elegant wirkenden Herrn in die Wohnung ihr gegenüber brachte die Gerüchteküche endgültig zum überkochen.
Er sei ein alter Filmstar hätte man gehört und bei dem Militär wär er auch gewesen und überhaupt wäre er ja eigentlich ein Politiker aus früherer Zeit, an die sich wohlgemerkt auch das Internet nicht erinnerte, denn Inge hatte den Namen des Mannes gegoogelt und nichts finden können, was irgendeins der auf dem Balkon kontrovers diskutierten Gerüchte bestätigte.
Trotzdem gab der ältere Herr ohne jede Frage das stolze Bild eines in Würde gealterten Gentlemans und nichts an ihm wirkte tattrig oder greisig.
Am meisten beeindruckte Inge jedoch das Desinteresse des neuen Nachbarn am hausinternen Klatschgespräch, der von dem Getuschel und den neugierigen Blicken der anderen Hausbewohner völlig unbeeindruckt wirkte. Sie selbst hätte eine derartige Fixierung auf ihre Person als störend und unangenehm empfunden, doch der ältere Herr schien dies mit der Erfahrung seines langen Lebens gelassen aufzunehmen.
Ebenso übersah er sie nicht einfach, wenn sie sich im Hausflur begegneten wie es viele andere taten, sondern er grüßte sie und unterhielt sich mit ihr. Seine Bemerkungen waren überaus witzig und doch waren seine Ratschläge stets ernst gemeint und ein Quell der Weisheit. So half er ihr ihre Arbeit zu strukturieren und so Freizeit für sich zu schaffen in der sie entspannen konnte. Diese Entlastung wirkte sich auch auf ihren Schlaf aus und sie lag nicht mehr stundenlang wach bevor sie einschlief, sondern wachte morgens erholt auf, ohne sich wie früher todmüde aus dem Bett quälen zu müssen.

Die Wochen zogen erneut ins Land und mit den fallenden Temperaturen kündigte sich schließlich auch das nahende Ende der Balkonzeit der Gerüchtezentrale an. Doch noch bevor die ersten Blätter in gelben und roten Farben die Gehwege wie einen Teppich bedeckten kam es unten im Hausflur, als Inge gerade vom Einkauf wiederkehrte, an den Briefkästen zu einer regelrecht verbalgewaltätigen Konfrontation.
Die Mutter aus der Wohnung über ihr hatte es gewagt ihren Kinderwagen, erstens mit nassen Rädern in den Flur zu schieben und zweitens dann auch noch dort auf allgemeinem Boden stehen zu lassen. Auf Initiative von Frau Wirks hatten die beiden älteren Damen sich laut keifend auf dem Flur eingefunden, um einem derartigen Vergehen entgegenzuwirken. „Sie können ihren Kinderwagen doch nicht einfach hier unten im Flur stehen lassen“, motzte Frau Labsch gerade als Inge die Türe aufschloss und in den Hausflur trat. Die junge Nachbarin sah sie hilfesuchend an. „Wo soll ich den Wagen denn solange stehen lassen, wie ich meinen Sohn nach oben trage?“, verlangte sie zu erfahren, doch der logische Einwand fand bei den streitwilligen Damen kein Gehör. „Eine Unverschämtheit ist das“, ereiferte sich Frau Wirks, direkt gefolgt von einem „Ja, eine bodenlose Unverschämtheit“, von Frau Labsch. Beide Frauen waren ganz in ihrem Element und dachten keine Sekunde daran ihre neugewonnene Unterhaltung aufzugeben, da ihre Balkonsaison nun schließlich bald ein Ende haben würde.
Inge selbst wusste nicht wie sie reagieren sollte, da sie unweigerlich ins Visier der Streitlust der Nachbarinnen geraten würde, würde sie eingreifen, und so blieb sie erst einmal abwartend stehen. Zu dieser beinahe comichaften Situation im Flur stieß nun der ältere Herr, welcher soeben von einem frühherbstlichen Spaziergang zurückkehrte, die er oft zu machen pflegte, wie er bei der letzten Flurunterhaltung erzählt hatte.
Als er die keifenden Nachbarinnen sah, welche ihre Empörung nun auch mit ausschweifenden Armbewegungen untermalten, verfinsterte sich sein sonst immer von Lachfältchen durchzogenes Gesicht und er trat an Inge vorbei auf die Gruppe zu.
„Erlauben Sie , dass ich ihnen helfe?“, sprach er die verzweifelte Mutter an und legte seine Hand auf den Kinderwagen, der, von den zeternden Damen unbeachtet, an der Wand des Flurs stand. Die Erleichterung war deutlich im Gesicht der jungen Frau zu sehen und sie nickte nur stumm.
Als mein Nachbar nun den Wagen die Treppe hochhob, dabei die Tratschtanten keines Blickes würdigte, sondern mit der Mutter in beruhigendem Tonfall sprach, stand ich nur schweigend im Flur und versuchte den Bruch in der Gewohnheit zu verstehen.
 

Haselblatt

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Sei begrüßt Arisia Krieger,

zwar möchte ich deinen sprachlichen Ausdruck als positiv anerkennen, aber mir ist überhaupt nicht klar, was du uns mit der Geschichte mitteilen willst. Der Plot endet so plötzlich - eigentlich im Nichts und ohne wirklich spürbaren Schluss. Ich als Leser fühle mich am Ende allein gelssen.
Cheers Haselblatt
 

Arisia Krieger

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Sei begrüßt Arisia Krieger,

zwar möchte ich deinen sprachlichen Ausdruck als positiv anerkennen, aber mir ist überhaupt nicht klar, was du uns mit der Geschichte mitteilen willst. Der Plot endet so plötzlich - eigentlich im Nichts und ohne wirklich spürbaren Schluss. Ich als Leser fühle mich am Ende allein gelssen.
Cheers Haselblatt
Hallo Haselblatt,

vielen Dank, dass du meine Geschichte gelesen hast und für deinen Kommentar.
Die Kurzgeschichte spielt mit dem Zitat " Denn was ist eine Novelle anders als eine sich ereignete unerhörte Begebenheit" von Goethe. Als "unerhörte Novelle" ist die Idee dieses Textes, dass das unerwartete Ereignis der Novelle nicht skandalöser Natur ist, sondern eine moralisch richtige Tat, die einen moralisch verfallenen Alltag durchbricht.
Der Punkt dieser Geschichte ist nicht etwa wie die Protagonistin mit diesem Erlebnis umgeht, sondern ihre Verwunderung darüber, dass sich an einem moralisch schlechten Alltag etwas ändern kann.
Das zugegebenermaßen abrupte Ende soll dem Leser damit ihr Unverständniss über dem grade Vorgefallenen näher bringen und ihn selbst mehr in ihre Position rücken. Deshalb verwende ich auch in dem letzten Satz statt der dritten Person die ich-Perspektive.
Es ist ein Versuch den Leser überlegen zu lassen, was er/dieProtagonistin aus dieser Situation mitgenommen haben, ohne ein Ende dieses Lernprozesses zu diktieren.

VG Arisia
 
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Hallo Arisia Krieger,

die Geschichte enthält zu viele Adjektive und Füllwörter, schon im ersten Absatz:

Durch das weit geöffnete Fenster drangen laut und klar die schrillen Stimmen der Nachbarinnen aus den unteren Wohnungen durch die schwüle Sommerluft herauf und durchbrachen die trügerisch ruhige Atmosphäre eines typischen Augustabends.
„Hast du schon gehört? Der Herr Nütten von der Straße gegenüber hat seine Frau geschlagen, da musste die Polizei kommen.“, schrie Frau Wirks beinahe durch den Hof, damit ihre Klatschkomplizin, die schon ältere Frau Lebsch, sie auch verstehen konnte, obwohl diese sich auf dem benachbarten Balkon befand.
„Ja, ja, das wusste ich schon“, klang es in fast derselben Lautstärke zurück, „das hat mir der Herr Gnamwald schon berichtet. Der war gestern auf ne Tasse Tee bei mir“. „Ach stimmt ja. Kennst du die Neuigkeiten von der jungen Familie aus der oberen Wohnung dann auch schon?“, ließ das Tratschecho verlauten und tatschte der, sich im Schatten der überaus üppigen Balkonvegetation räkelnden, Siamkatze auf den Kopf, worauf sich diese leicht pikiert einer intensiven Studie der Topfblumen zuwandte.
Allein fünfmal „schon" in diesem Absatz. Füllwörter sollten in einer Geschichte vermieden werden, sie blähen den Text auf, und mit Adjektiven sollte man sparsam umgehen.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 
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Arisia Krieger

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Hallo Arisia Krieger,

die Geschichte enthält zu viele Adjektive und Füllwörter, schon im ersten Absatz:



Allein fünfmal „schon" in diesem Absatz. Füllwörter sollten in einer Geschichte vermieden werden, sie blähen den Text auf, und mit Adjektiven sollte man sparsam umgehen.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
Hi SilberneDelfine,

danke Dir für die Rückmeldung. Ja mein Schreibstil ist gespickt von Adjektiven, das entspricht meiner kreativen Vorstellung dieses Textes. Das mit den Füllwörtern war mir bisher nicht bewusst, da werde ich wohl in Zukunft ein Auge drauf haben. Im ersten Absatz verwende ich auch gesprochene Sprache. Wie ist Deine Einstellung zur Verwendung von Füllwörtern in dieser, da diese ja Teil der gesprochenen Sprache sind?

VG Arisia
 
Wie ist Deine Einstellung zur Verwendung von Füllwörtern in dieser, da diese ja Teil der gesprochenen Sprache sind?
Genauso. Es geht ja darum, dass man Füllwörter vermeiden sollte, auch wenn man in wörtlicher Rede schreibt (und es geht nicht darum, Alltagssprache 1:1 wiederzugeben). Für den Leser ist es ermüdend und unspannend, ständig „schon", „dann", „auch" etc. zu lesen.
Das beruht auch nicht auf meiner Einstellung, sondern das gehört einfach zum kreativen Schreiben dazu. Im Internet gibt es Füllwörter-Tests, wo man seinen Text durchlaufen lassen kann.

Übrigens: sogar in meiner Antwort sind Füllwörter :) ;) es ist gar nicht so einfach, ohne sie zu schreiben, aber es lohnt sich, darauf zu achten. Auf sie zu verzichten, strafft einen Text und macht ihn spannender.

Zu den Adjektiven gibt es ein berühmtes Zitat von Mark Twain, das findest du auch in diesem Text:

 
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Languedoc

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Hallo Arisia,
Ein Lob auf Deine "kreative Vorstellung dieses Textes", aber eine halbwegs korrekte Beistrichsetzung wäre nicht schlecht.
Mit dem Wechsel in die Ich-Perspektive im Schlusssatz erreichst Du beim Leser höchstens Verwirrung, finde ich.
Im Übrigen rege ich an: Adjektive ausmisten (wie SilberneD. schon anmerkte), Füllwörter und Wortdoppelungen prüfen, ungünstige verschachtelte Satzmonster aufdröseln, Satzzeichen richtig setzen, leserfreundliche Absatzsetzung ... m.a.W., eine Menge Textarbeit.
Freundliche Grüße
Languedoc
 



 
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