Eine zuviel

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ENachtigall

Mitglied
Eine zuviel


Die Wahrheit kennt viele Gesichter;
Eines spiegelte sich in ihren Augen.

Eine Stimme benannte die Kriegstreiberei.
Ein Finger, in die offene Wunde gelegt.
Eine klagte Folterer und Mörder an.
Eine sprach für die Entrechteten.
Eine hielt der Einsamkeit stand.
Eine ließ sich nicht beirren.
Eine entblößte mit Fragen.
Eine, bereit zu bezeugen.
Eine blieb unbestechlich.
Eine ertrug die Angst.
Eine war unbeugsam.
Eine handelte jetzt.

Eine, derer wir Unzählige bräuchten, um diese
Eine Zerschossene weniger zu haben.

___________________________________

Im Gedenken an Anna Politkowskaja

(russische Journalistin, im Zuge ihrer kritischen Berichterstattung zum Tschetschenienkrieg am 7.10.06 erschossen)



© Elke Nachtigall
Oktober 2006
 
B

bonanza

Gast
du meinst wen bestimmtes, stimmts?

gefällt mir trotz überbordender moral.
ist wohl eine hommage an ...
ich dachte an hannah ahrendt, die gerade ihren 100sten
geburtstag hätte.
du schriebst aber: "eine handelte jetzt".

für eine beliebige person sozusagen als platzhalter wäre
mir deine dichtung zu schwülstig mit seiner moralisierenden
aussage.

bon.
 
B

bonanza

Gast
stimmt. der tod dieser russischen journalistin ging mir
auch unter die haut. es ist sehr schade, dass diese
meldungen solch kurzen haltbarkeitswert haben.
wieviele mutige menschen lassen ihr leben und kaum jemand
registriert es?

bon.
 

ENachtigall

Mitglied
danke bon und siverbird,

ich freue mich, dass ihr an Anna Politkowskaja gedacht habt. Ich kannte weder ihren Namen, noch habe ich - ehrlich gesagt -viel von ihrem außergewöhnlichen Engagemant mitbekommen, bevor sie ermordet wurde. Umso stärker ist meine Bewunderung für das, was sie gewagt hat, aber auch mein Erschrecken über die Kurzlebigkeit der Betroffenheit.

Nachdem ich einiges über sie gelesen habe, wollte ich es so, als Gedicht, für mich festhalten. Es ist verhältnismäßig schwer, über das Grauen zu schreiben, wenn es nicht das eigene ist.

Findet ihr es besser, dass ich ihren Namen im Gedicht nicht erwähnt habe? Sollte ich ihn anmerkend erwähnen?

Liebe Grüße

Elke
 
B

bonanza

Gast
ich las es als hommage und finde es darum besser, wenn
du die person erwähnst, welcher du primär dieses gedicht
widmest. es ist selbstverständlich, dass sie stellvertretend
für alle mutigen menschen/frauen/journalisten steht, denen
die wahrheit wichtig ist, die den mund nicht halten.

bon.
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo ENachtigall,

da ist Dir wirklich eine zu Herzen gehende, mahnende Würdigung gelungen.
Noch wird man diesen 'Tatbestand' mit ihr in Verbindung bringen, aber schon bald nicht mehr.

Ich könnte mir vorstellen, dass man für eine längerfristige Würdigung unter dem Titel in Klammern ein (für ...) einfügt.
Eigentlich gehören solche Gedichte, nein, dieses Gedicht! in Schulbücher!

Liebe Grüße
Petra
 

ENachtigall

Mitglied
petrasmiles,

hab Dank auch für Deinen Kommentar, das Lob und die Anregung zur Gestaltung der Widmung.

Ich lass es mal so stehen. Es gefällt mir eigentlich besser, zum Schluss zu sagen, wer gemeint ist - der Konzentration wegen.

´A propos Schule: da hatte Sandra einmal diese Idee mit einem Gedichtekoffer. Das hatte mir auch sehr gefallen.

Liebe Grüße

Elke
 



 
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