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zanzara

Mitglied
Jetzt röhrt der Hirsch wieder an deutschen Wänden,
verbannt ist rotes Mohnfeld in Acryl,
vor Fenstern rüscht sich bieder weißer Tüll
und es plüscht braun unter des Fleglers Lenden.

Man wohnt jetzt wieder rustikal in Eiche
und Wände färbt man schlamm oder oliv,
die Waldtapete hebt das Stimmungstief
vertrautes Plätschern dringt vom Zimmerteiche.

Den zweiten Frühling feiert Resopal
und auch der Kuckuck schmettert uhrvertraut
während er ängstlich nach den Rechten schaut.

Man darf die ersten Zeichen nicht verkennen
noch sind es nur die Kerzen, die verbrennen,
doch steh’n sie nah den Büchern im Regal.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Aba Gerd

Der Flegler ist der sich aufm Sofa flegelnde ansonsten extrem unflegelhafte Neo-Spiesser....

Hallo Zanzara

Da haste ein Thema, das mich auch schon länger beschäftigt, glänzend umgesetzt. Klasse, bringt die Sache in treffenden Bildern auf den Punkt!

J.
 
L

LAW

Gast
Hallo Z.,
also die Stimmung beziehungsweise die Wahrnehmung teile ich nicht. Also Inhaltlich gefällt mir auch die "Moral der Geschicht" der Nähe zur Bücherverbrennung überhaupt nicht.
Zwar ist das der Wunsch der "agents provocateur", aber es gibt dieses braune Gedanken- und Stimmungsgut nach wie vor nur bei Minderbemittelten. Das wird niemand zulassen das es zum zweitenmal passiert.Ganz..ganz...bestimmt nicht!

Also das es sich reimt na ja
so la la
deshalb von mir die 5 Punkte.
Gruß
Law
 
H

HFleiss

Gast
Also Law, eine Fünf ist entschieden zuwenig. Der brave Spießer ist doch ein seltenes Thema bei allen, die auf grausigem Humor schreiben. Und der Bogen vom Plüsch zur Bücherverbrennung ist doch schon beachtlich, so muss man dichten können. Ein bisschen bemüht, zanzara, aber es trifft den Kern. Am liebsten möchte man auswandern.

Hanna
 

zanzara

Mitglied
Ich gebe zu, dass das Sonett an manchen Stellen etwas "bemüht" klingt. Ich hoffe, dass ich das spätestens beim Hundertsten im Griff habe.
Es war mir wichtig herauszustellen, dass die Neonazis (still und heimlich) immer mehr an Boden gewinnen. Das Aufkaufen von Häusern zu Schulungszwecken, dieses ungehinderte "sich breit machen", das macht mir schon Angst.
Brigitte
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo zanzara,

grundsätzlich nicht schlecht in Szene gesetzt. Allerdings halte ich es inhaltlich für diskriminierend. Das von Dir dargestellte Umfeld mag erzkonservativ sein, es gleich in die braune Ecke zu schieben ist mir zu billig.
Die Neonazis, die ich zu Gesicht bekomme, kann ich mir in so einer Wohnung nicht vorstellen. Allein schon der Bücher wegen.
Sorry, aber wenn Du schon Klischees verwendest, dann mehr als nur gefühlte.

ci
lap
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Zanzara,

ich teile Deine Angst vor den Leuten, die versuchen den braunen Schwachsinn wieder aufleben zu lassen, unbedingt. Aber ich denke, dass das Gedankengut, auf das Du abzielst, mit einiger Sicherheit gut maskiert in sämtlichen Gesellschaftsschichten zu finden ist.

„Man darf die ersten Zeichen nicht verkennen“ – stimmt! Man sollte sich aber schon die Mühe machen, nicht nur interpretationsbedürftige "Zeichen" sondern auch die Gründe und Hintergründe (dazu gehört z.B. auch die grundsätzliche Angstbereitschaft in der Gesellschaft) etwas genauer und differenzierter zu betrachten.
Klischees und platte Vorurteile gibt es in unserer Welt schon überreichlich. Röhrende Hirsche, weiße Tüllgardinen, braune Plüschsofas, Eichenmöbel, Waldtapeten, Zimmerteiche, Resopal und Kuckucksuhren fehlen meiner Ansicht nach nicht wirklich in diesem Sortiment.
Mit dem Finger auf reine Äußerlichkeiten zu zeigen, ist im Übrigen ein Weg, der in der Geschichte schon oft genug in menschliche Katastrophen geführt hat.

Mein Fazit: Die allzu verkürzte Sichtweise in diesem Text führt an den grundlegenden gesellschaftlichen und politischen Problemen, die es zu erkennen gilt, meilenweit vorbei.

Schöne Grüße, NDK
 

Gerd Geiser

Mitglied
Freu mich schon auf deine Doktorarbeit, NDK:
"Über die Nichtrelevanz der Kuckucksuhr im Bewertungsspektrum rechtsradikaler Denkmuster und Umtriebe zu Beginn des 21. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung oliv farbener Wohnzimmerwände"
Aber bitte gereimt!

LG
GG
 

NewDawnK

Mitglied
Besser nicht, beim Reimen geht immer so viel Inhalt verloren.

Ich verstehe Euch ja sehr gut: Angst und Wut brauchen ein Ventil - aber es wäre, denke ich, besser, wenn Ihr in diesem speziellen Fall wenigstens nicht den selben Flötenkessel benutzen würdet wie die braunen Irren. Die verstanden und verstehen sich nämlich ebenfalls bestens aufs einseitige Zeichenlesen und nachfolgende Verkürzen der Zusammenhänge in ihrem eigenen Sinne.

Meine bescheidene Frage: Ist es nicht langsam mal an der Zeit aus den Irrwegen der Vergangenheit zu lernen, anstatt immer wieder in die gleichen Fallen zu tappen?

LG, NDK
 

Gerd Geiser

Mitglied
Hallo NDK, ich gebe dir ja recht.
Ob der röhrende Hirsch immer ein Ausdruck brauner Gesinnung ist, darf bezweifelt werden. Ich glaube auch nicht, dass ein Öttinger einen solchen an seiner Wand hängen hat. Und bei meinen Familienbesuchen im rechts angehauchten Präkariatsmilieu begegnet mir eher das stolze Einhorn vorm glitzernden Wasserfall. Aber in 14 Zeilen lässt sich nun mal das Phänomen Rechtsextremismus nicht erschöpfend abhandeln. Das erwarte ich auch nicht. Ein sich Einrichten und Zurückziehen ins wie hier beschriebene privat Gemütliche darf einem aber doch suspekt sein. Gehe ich zu weit, wenn ich in diesem Ambiente keinen engagierten und politisch gebildeten Mitmenschen erwarte? Für mich sind "Tüllgardinen und Plüschsofa" weniger ein einseitiges Zeichenlesen, eher ein unvollständiges.

Ich weiß schon, warum ich lieber "Quatsch" schreibe. Weil im Anschluss daran keine Grundsatzdiskussionen geführt werden können.

Dir einen lieben Gruß,
GG
 
L

LAW

Gast
Bitte vergebt mir, dass ich nochmal zu diesem Thema meinen "juckenden Fingern" nachgebe.Zanzara das ist ja auch nicht persönliche Kritik, oder gar ein "outing" das Law nun mit nem röhrendem Hirschen an der Wand in einem Zimmer sitzt.

Nein mir ist nur die "Spurenlage" viel zu dünn.
In Köln sind von 11.000 Deportieten, meines Wissens 50 in Worten fünfzig, durch die Zivilcourage von Mitbürgern gerettet worden und haben überlebt. Diese Persönlichkeitsprofile der Retter wurden empirisch untersucht.
(Quelle unter meinem Tagebucheintrag an das Mädchen aus Köln zu finden)Dabei ergab sich, dass es eben nicht die intellektuelle oder wirtschaftliche Elite war, die diesen Leuten halfen unter Lebensgefahr, sondern kleinbürgerliche Mitmenschen, die ausser der Feststellung das sie eben "normale" Bauern, Bürger mit sozialem Netzwerk waren, keine anderen Übereinstimmungen aufwiesen.
Adenauer hat zwar später gemeint, dass gerade in Köln, die Bürger enorm sich zu Widerstand und Hilfe gegenüber den späteren Mordopfern zusammengefunden hätten. Es war aber in der Realität nicht so.
Würde in der Umkehrung der Logik, jeder der keinen Hirsch an der Wand hängen gehabt hatte, zum Widerstand oder gar Hilfe, seiner verfolgten Mitmenschen beigetragen haben, wären nicht von elftausend nur diese armen fünfzig Überlebenden in Köln gezählt worden.

Mein Fazit: Das gemalte Deutschlandbild in Deinem Gedicht ist irreal, nicht zutreffend, auch als Symbol unzutreffend und ist eine Verallgemeinerung die ich diskreminierend finde.
Es klingt wie schlechte Propaganda, Sorry
Law
 

zanzara

Mitglied
Hallo Law,
es sind sicher nicht nur Spießbürger, die mit der rechten Szene sympathisieren oder sie gar unterstützen. Aber sie sind es auch. Und ein Rechtsruck hat meiner Meinung nach auch immer etwas mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage zu tun. Unzufriedenheit lässt nach Schuldigen suchen. Hier aber ist es dann eine Frage des Intellekts, welche Erklärungen man dafür findet. Deshalb denke ich, dass z.B. die breite Masse der Bildzeitungsleser für rechtes Gedankengut eher empfänglich ist als die der Leser von anspruchsvolleren Zeitungen. Menschen in einer schlechten sozialen und wirtschaftlichen Lage und mit geringem Bildungsstand sehe ich als leichter manipulierbar. Das Gedicht sollte keinesfalls jeden Besitzer eines Hirschgeweihs in die rechte Ecke rücken. Es sind nur Sachen, die ich persönlich als typisch deutsch und spießig empfinde. Gedichte können immer nur einen kleinen Ausschnitt eines Themas behandeln und werden ihm deshalb oft in seiner Vielfältigkeit nicht gerecht.

zanzara
 

Gerd Geiser

Mitglied
Der röhrende Hirsch, wofür steht er denn nun?
Für Kitsch als solchen. Kitsch appeliert aber immer an das Gefühlsleben und die unkritische Aufnahmebereitschaft der Massen. Der röhrende Hirsch ist der Ausdruck von Beschwörung einer heilen Welt und appeliert an heimatliche Gefühle. Er drückt die Sehnsucht und die Hinwendung zu persönlich gefärbten Fluchtorten aus. Er steht für deutschen Muff, verplüschte und fixierte Heimatidylle.
Der Farbige Asylant ("Nun erzählen Sie mal...") hinterm Häkeldeckchen auf geplüschtem Sofa unterm röhrenden Hirschen, wahrscheinlich doch eher die Ausnahme.
Das Plakative ist ist ein legitimes Stilmittel in der Kunst.

Oder was?
GG
 

HerbertH

Mitglied
Die grundsätzliche Notwendigkeit, auch politische Gedichte zu machen, sehe ich durchaus.

Aber: Mief in deutschen Wohnzimmern ist noch nicht ausreichend politisch ;)

Auffällig für mich: Sobald es ins Politische geht, weichen die Beurteilungen stark voneinander ab. Jeder ist sich in seiner Meinung am nächsten....

Die Bilder find ich treffend, aber der Sprachrhythmus .... da sollte man noch feilen....

Insofern ähnlich wie bei meinen eigenen Versuchen ;)

Viel Erfolg weiterhin

Herbert
 



 
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