Eingeständnis

4,80 Stern(e) 6 Bewertungen

Chandrian

Mitglied
Ein windes Echo schlendert in die letzten Stunden
Die Sonne hat die Menschen ausgeknipst
Und wartet, bis auch Du ins Schlummern kippst
Die Wolken haben bald die Dräunis überwunden
Wie sie dort oben schweben–
Dort soll auch ich nach meinem Leben leben
Gespenster ziehen wirren Geistern nach die Runden
Ich bin noch nicht wie sie–
Mir wachsen Tulpen aus dem toten Knie
Die tote Hand ist mir ans falsche Herz gebunden
Ich muss Dir noch was sagen–
Die Lüge wächst wie Unkraut mir im Magen:
Die Liebe, die ich dir versprach, war frei erfunden
 

kakadu

Mitglied
Hallo Chandrian,

wow, in dein Gedicht habe ich mich verliebt und rätsele immer noch, wer hier mit wem spricht.

Mir wachsen Tulpen aus dem toten Knie
Vielleicht ist das LI ein ausgetrockneter Fluss und das LD die Erde? Auf jeden Fall sind das sprachlich wie auch klanglich sehr schöne Verse! Ich muss hier immer wieder reinlesen, obwohl es ein trauriges Thema ist. Du hast mich wirklich angefixt!

LG Kakadu
 

sufnus

Mitglied
Hey Chandrian
Das ist wirklich großartig! :)
In der allerersten Zeile war ich noch nicht so ganz "drin", weil das "windes" als irgendwie adjektiv-artiges Attribut (das aber beim innerlichen Vorlesen wie ein anastrophischer Genetiv klingt) irgendwie etwas sperrig rüberkommt und ein "schlenderndes Echo" für mich etwas unentschieden zwischen einem kühnen (und schönen!) Bild und einer etwas ins Übermütige spielenden gemischten Metapher changiert.
Davon ab liest sich das ganz wunderbar expressionistisch mit ein paar umgangssprachlichen Formulierungen garniert und auch sehr effektvoll mit manch hohem Ton versehen. Äußerst erfreulich zu lesen, sehr sehr anregend. Ich mags richtig gerne! :)
LG!
S.
 

Chandrian

Mitglied
Hallo alle

Vielen Dank euch für die Sterne und die lieben Kommentare.
Ich hätte dieses Gedicht beinahe nicht eingestellt, denn es ist konkreter als die meisten meiner Texte. Das ist erstmals nichts schlechtes, aber ich hatte angst, dass es zu eindimensional wirkt, wenn man gewisse Aspekte nicht erkennt… Zum einen ist da das Rätsel, wer nun gesteht, bzw. wer das Lyri ist, wie du zum Glück erkannt hast @kakadu. (Gescheiterte) Liebesbeziehung…?oder Klimawandel (wäre in Kontiguität mit Vers 2)?
Ein weiteres Element ist die abbrechende Stimme Bspw. „Ich muss dir noch was sagen-„
Hier „fehlen“ zwei Hebungen - der Versuch, darzustellen, wie schwer dies auszudrücken ist…
Danke @sufnus für die Rückmeldung. „Wind“ als adjektiv ist zwar bewusst gewählt, jedoch war mir nicht klar, dass es „sperrig“ wirkt. Dasselbe gilt für die Personifikation des Echos. Ich hoffe, dass das Bild die Übermut überwiegt;)
Der Rest geht natürlich runter wie Honig :)

LG
Chandrian
 

sufnus

Mitglied
Hey Chandrian!
Es besteht bei Deinem, wie ich nach wie vor finde, äußerst beglückenden Gedicht kein wirklicher Verbesserungsbedarf - ich kanns aber grad nicht lassen noch ein bisschen zu spielen, weshalb ich nochmal in der ersten Zeile mein Glück versucht und außerdem eine Stropheneinteilung ausprobiert habe. Letzteres verleiht dem Textbild etwas mehr Leichtigkeit (die man aber eben auch u. U. genau nicht haben möchte - das ist wirklich sehr stark Geschmackssache. :)
Auf alle Fälle sollten nach meinem Dafürhalten ruhig noch ein paar mehr Sternchen auf dieses schöne Werk regnen!
LG!
S.

----

Im Wind flanieren Echos durch die letzten Stunden
Die Sonne hat die Menschen ausgeknipst
Und wartet, bis auch Du ins Schlummern kippst
Die Wolken haben bald die Dräunis überwunden

Wie sie dort oben schweben–
Dort soll auch ich nach meinem Leben leben

Gespenster ziehen wirren Geistern nach die Runden
Ich bin noch nicht wie sie–
Mir wachsen Tulpen aus dem toten Knie
Die tote Hand ist mir ans falsche Herz gebunden

Ich muss Dir noch was sagen–
Die Lüge wächst wie Unkraut mir im Magen:
Die Liebe, die ich dir versprach, war frei erfunden
 

Chandrian

Mitglied
Hallo Sufnus

Süss! Und tatsächlich viel leichter, gefällt mir ausserordentlich gut. Flanieren als Synonym (jaha ich weiss, synonyme gibt es nicht :rolleyes: ) für schlendern nimmt der ersten zeile die Melancholie… und das ist der Punkt, bei dem ich zwiegespalten bin.
So oder so - vielen Dank. Mich freuts immer wieder, wenn man sich mit meinen Texten beschäftigt.
Auf alle Fälle sollten nach meinem Dafürhalten ruhig noch ein paar mehr Sternchen auf dieses schöne Werk regnen!
Wäre schön, jedoch nicht aufgrund der Sternchen, sondern weil man dann weiss, dass das Gedicht nicht unterging;)

Ach übrigens:
Mir ist die Doppelung von „wachsen“ beim schreiben nicht aufgefallen. Sie ist nicht beabsichtigt. Nun weiss ich aber nicht, ob ich die Doppelung als Stilmittel mag, oder ob „spriesst wie Unkraut mir im Magen“ schöner klänge.

LG
Chandrian
 



 
Oben Unten